Der Bundestag hat am Donnerstag, 1. Dezember 2022, einen Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/3443) „zu dem Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (Ceta) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits vom 30. Oktober 2016“ angenommen. Für die Initiative stimmten 559 Abgeordnete, 110 Parlamentarier votierten dagegen. Es gab keine Enthaltungen.
Gegen das Votum der Opposition nahm das Parlament außerdem eine Entschließung an, in dem die Bundesregierung unter anderem dazu aufgefordert wird, „umfassend zum frühestmöglichen Zeitpunkt und fortlaufend über den Vollzug von CETA zu unterrichten“. Einen mit dem Regierungsentwurf wortgleichen Antrag der Koalitionsfraktionen (20/2569) und einen Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion (20/1008) erklärte das Parlament einstimmig für erledigt.
Zur Abstimmung standen darüber hinaus zwei Entschließungsanträge, die die CDU/CSU-Fraktion (20/4737) und die AfD-Fraktion (20/4736) zur Regierungsinitiative vorgelegt hatten. Beide Vorlagen wies das Parlament gegen die Stimmen der Antragsteller zurück. Ebenfalls keine Mehrheit fand ein Antrag der Unionsfraktion mit dem Titel „Europas Wettbewerbsfähigkeit erhalten – Die wirtschafts- und handelspolitischen Beziehungen im atlantischen Raum stärken“ (20/1010). Die Vorlage wurde bei Enthaltung der AfD abgelehnt. Zu allen Vorlagen hatte der Wirtschaftsausschuss eine Beschlussempfehlung (20/4731) vorgelegt.
Grüne: Neues Kapitel der Handelspolitik
Katharina Dröge (Bündnis 09/Die Grünen) sagte, dass die Ampelregierung mit dem gestern beschlossenen Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag der EU und der Ratifizierung des Ceta-Freihandelsabkommens ein „neues Kapitel der Handelspolitik“ einläute, das „Nachhaltigkeit und Klimaschutz in den Mittelpunkt stellt“.
Klimaschutz und Nachhaltigkeit würden künftig mit einklagbaren Standards versehen: „Wir haben klar gesagt, dass mit dem alten System der Schiedsgerichte Schluss ist“, so Dröge. Die Koalition habe gezeigt, was möglich sei, wenn man mit realistischen Zielen vorankommen wolle.
Union kritisiert „Verzögerungen“ durch Regierung
Julia Klöckner (CDU/CSU) warf der Regierung vor, bei der Ratifikation des Ceta-Freihandelsabkommens, durch Verzögern und Nachverhandeln zu riskieren, dass Deutschland „bald keine Partner mehr hat“. Kein anderes außereuropäisches Land stehe Deutschland in seinen Werten näher als Kanada. „Und in Richtung USA lehnen Sie einen neuen Anlauf ab“, sagte Klöckner. Im Ergebnis habe die Ampel dann jedoch gar nichts nachverhandelt.
„Wir werden zustimmen“, kündigte Klöckner an, „aber wir stimmen damit einem Gesetz zu, das wortgleich ist mit unserem Gesetzentwurf.“ Die nachgereichte Interpretationserklärung an den Gemeinsamen Ceta-Ausschuss nannte Klöckner eine „grüne Beruhigungsspille“.
SPD: Prozess war zu langsam
Verena Hubertz (SPD) nannte die Jahre 2009, 2012 und 2022 „Meilensteine, die uns auf dem Weg der Verhandlung begleitet haben.“ Wenn nun Deutschland das Ceta-Abkommen ratifiziere, fehle jedoch noch die Zustimmung von elf weiteren europäischen Mitgliedsstaaten.
Der Prozess habe in der Tat, wie es die Opposition betont habe, zu lange gedauert, sei zu langsam gewesen, in einer globalisierten Welt, die sich so schnell drehe, sagte Hubertz. Man habe jedoch auf das Urteil des Bundesverfassungsschutzes warten müssen. Nun könne man jedoch endlich die Schiedsgerichte hinter sich lassen, bilanzierte die Sozialdemokratin.
AfD kritisiert „Aushebelung des Parlamentes“
Bernd Schattner (AfD) erinnerte daran, dass im September 2016, als Ceta teilweise in Kraft trat, in ganz Deutschland über 200.000 Menschen dagegen demonstriert hätten; „vorne weg die jetzige Außenministerin Annalena Baerbock.“ Es habe nun 13 Jahre gedauert, ein Abkommen abzuschließen, dass weiterhin höchst umstritten sei.
Und mit der Verabschiedung des Abkommens könnten die Gemeinsamen Ausschüsse ermächtigt werden, das Abkommen nachträglich zu verändern und zwar ohne einer weiteren Befassung des Bundestages. „Einer solchen Aushebelung des Parlamentes werden wir von der AfD definitiv nicht zustimmen können“, sagte Schattner.
FDP will neuen Anlauf für Abkommen mit den USA
Christian Dürr (FDP) betonte, dass Deutschland „mehr Freihandel mit den Demokratien der Welt“ wolle und brauche. „Es bestehen Abhängigkeiten, die gefährlich geworden sind, die unseren Wohlstand bedrohen“, so Dürr. Die Ampel habe nach nur einem Jahr Regierung ein erstes wichtiges Freihandelsabkommen abgeschlossen, während der Union in ihrer 16-jährigen Regierungsbeteiligung insgesamt nur ein Abkommen abgeschlossen habe.
Als nächstes sollen Handelsabkommen mit Chile und Mexiko und „schnellstmöglich“ das Mercosur-Abkommen abgeschlossen werden, stellte der Freidemokrat in Aussicht. Zudem wolle man einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA starten: „Die transatlantischen Beziehungen sind ein Schlüssel in der globalen Wirtschaft.“
Linke nennt Ratifikation „einen großen Fehler“
Bernd Riexinger (Die Linke) hielt die Ratifikation des Gesetzes für „einen großen Fehler“. Die Stimmen derer, die dagegen seien, wären ungehört geblieben, sagte Riexinger. „Das geschieht nun ausgerechnet unter der Führung eines grünen Wirtschaftsministers.“
Es habe in der Zeit der Proteste gegen Ceta den Konsens, auch bei den Grünen, so Riexinger, gegeben, dass „wir eine andere Handelspolitik wollen.“ Die Interpretationserklärung, auf die die Grünen bestanden hatten, sei „nichts wert“. Mit dem Abkommen werde auch weiterhin der Weg freigemacht für Sonderklagerechte für Unternehmen. „Die Grünen haben den Widerstand gegen den neoliberalen Freihandel offensichtlich aufgegeben“, schloss der Linke.
Parlamentarische Staatssekretärin: Handelspartnerschaften weiter diversifizieren
Dr. Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin (Bündnis 90/Die Grünen) sagte für die Bundesregierung, dass es ein besonderer Tag sei, „denn heute wenden wir uns der Welt zu und stärken gleichzeitig den Klimaschutz“. Nach 16 Jahren Merkel habe man in Deutschland Abhängigkeiten von Wladimir Putin und Xi Jinping; in 16 Jahren habe es die Union „intellektuell und fachlich nicht geschafft, Handel und Klimaschutz zusammenzubringen“.
Die Ampel hingegen habe die Kraft gehabt, das „und“ zwischen Handel und Klimaschutz nicht nur zu denken, sondern umzusetzen. Man wolle nicht nur, man müsse Handelspartnerschaften nun noch weiter diversifizieren: „Das ist gut und richtig“, sagte Brantner.
Gesetzentwurf der Regierung
Das Ceta-Abkommen zwischen der EU und Kanada ist seit September 2017 teilweise in Kraft. Seine Wirkung bezieht sich bislang ausschließlich auf die Teile, die in die alleinige Zuständigkeit der EU fallen. Ceta tritt erst vollständig in Kraft, wenn alle Mitgliedstaaten das Abkommen ratifiziert haben. Deutschland ist eines der Länder, in dem die Ratifizierung bislang aussteht. Das Abkommen soll laut Gesetzentwurf „den Ausbau der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kanada andererseits“ vorantreiben.
Hindernisse des Marktzuganges sollen abgebaut werden und Wettbewerbsnachteile für europäische und deutsche Unternehmen beim Marktzugang nach Kanada gegenüber anderen Ländern (insbesondere den USA und Mexiko) verhindert werden, heißt es weiter. Ceta könne dabei helfen, die wirtschaftlichen Beziehungen der Bundesrepublik weiter zu diversifizieren und den Handel mit einem Partner fördern, der die Werte der liberalen Demokratie teile.
Standards für künftige „faire Handelsabkommen“
Das Abkommen zielt darauf ab, so Regierung und Koalition, „die Möglichkeiten für den Handel und für Investitionen zwischen der EU und Kanada zu steigern“, vor allem durch einen besseren Marktzugang für Waren und Dienstleistungen sowie klare Handelsregeln. Auch sollen gemeinsam mit Kanada neue Standards für künftige „faire Handelsabkommen“ gesetzt werden.
Regierung und Koalition wollen eine missbräuchliche Anwendung von materiell-rechtlichen Investitionsschutzstandards begrenzen, heißt es. Zudem werde sich die Bundesregierung für eine Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments „im Rahmen der regulatorischen Kooperation einsetzen“. Die bereits klargestellte Einstimmigkeitserfordernis der EU-Mitgliedstaaten soll ab dem Inkrafttreten des Abkommens verankert werden.
Gesetzentwurf der CDU/CSU
Wie es in dem für erledigt erklärten Gesetzentwurf der Unionsfraktion (20/1008) heißt, leistet Ceta „einen wichtigen Beitrag zum Ausbau und der Vertiefung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Kanada“. Das Abkommen ermögliche den Abbau von Marktzugangshindernissen und verhindere, dass deutsche und europäische Unternehmen beim Marktzugang in Kanada gegenüber anderen Industrieländern Wettbewerbsnachteile erlitten.
Davon könne besonders die exportstarke und breit aufgestellte deutsche Wirtschaft profitieren und „ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken“, so die Fraktion. Negative Erwartungen etwa auf das Verbraucherpreisniveau seien nicht zu erwarten, da Kosten weder für die private Wirtschaft und die Verbraucher noch für die sozialen Sicherungssysteme entstünden.
Antrag der CDU/CSU
Um im internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren, müssten Deutschland und die Europäische Union die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu Nord- und Südamerika ausbauen, heißt es im Antrag der Unionsfraktion (20/1010). Die Abgeordneten fordern daher, Ceta „schnellstmöglich“ zu ratifizieren und für die vollständige Ratifizierung und Anwendung des Assoziierungsabkommens der EU mit dem südamerikanischen Mercosur-Binnenmarkt einzutreten.
Die bislang verfolgte Deeskalation von Handelskonflikten mit den USA solle fortgesetzt und es sollen Lösungen für noch bestehende Streitigkeiten gefunden werden, heißt es weiter. Um sich in der Energieversorgung unabhängiger machen zu können, sollen nach dem Willen der Fraktion neue Energiepartnerschaften im atlantischen Raum begründet und bestehende Partnerschaften vertieft werden. Zum Thema Diversifizierung von Lieferketten fordert der Antrag eine „ambitionierte bilaterale Handelsagenda“ auf EU-Ebene, mit deren Hilfe wirtschaftliche Abhängigkeiten von einzelnen Staaten reduziert werden sollen. (vom/emu/hau/25.11.2022)