Pläne für einen europäischen Wiederaufbaufonds umstritten
Der von der EU-Kommission geplante Fonds zur Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft nach der Corona-Krise stieß am Donnerstag, 28. Mai 2020, bei den Fraktionen im Bundestag auf ein geteiltes Echo.
In einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP mit dem Titel „Haltung der Bundesregierung zu den verschiedenen Finanzierungsalternativen für einen europäischen Wiederaufbaufonds“ waren vor allem zwei Details des Vorhabens umstritten: Zum einen der Plan, dass die EU Schulden aufnehmen solle, zum anderen die Weitergabe an notleidende EU-Staaten nicht nur unter konditionierten Krediten, sondern als nicht zurückzuzahlende Zuschüsse.
Schulden im Namen der Europäischen Union
Nach den am Mittwoch, 27. Mai 2020, vorgestellten Plänen will die EU-Kommission mit ihrem Programm 500 Milliarden Euro als nicht rückzahlbare Zuwendungen und 250 Milliarden Euro als Kredite in den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Corona-Krise schleusen. Finanziert werden soll das über Schulden im Namen der Europäischen Union, die bis 2058 über den EU-Haushalt abbezahlt werden müssen. Zuvor hatten Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen Wiederaufbaufonds für Zuschüsse in Höhe von 500 Milliarden Euro ins Spiel gebracht.
Die Regierungschefs Österreichs, der Niederlande, Dänemarks und Schwedens („Sparsame Vier“) hatten sich hingegen dafür ausgesprochen, dass die Mitgliedstaaten nur Kredite bekommen sollten, die sie zurückzahlen müssen.
FDP kritisiert Gießkannenprinzip
Alexander Graf Lambsdorff (FDP) machte in der Debatte deutlich, dass ein solches EU-Hilfsprogramm bei der Europäischen Investitionsbank besser aufgehoben sei. Es sei zwar zu begrüßen, dass man in Europa einander helfen wolle, etwa durch Unterstützung für die Gesundheitssysteme der Nachbarn; auch das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität Europas zu steigern, sei richtig. Allerdings sei beim Fonds „leider auch die Gießkanne dabei“.
Das Paket schaffe überdies nicht nur neue Haushaltsrisiken für den Bundeshaushalt, es würde auch eine wesentliche Neuordnung der Finanzverfassung der EU darstellen, die man nicht en passant beschließen könne.
CDU/CSU: Das ist kein Weg in die Schuldenunion
Andreas Jung (CDU/CSU) warb für den Wiederaufbaufonds als gemeinsame europäische Antwort auf die Pandemie. Man brauche europäische Solidarität in dieser Krise, „weil es uns nicht kalt lassen kann, wenn unsere Partner unverschuldet betroffen sind“. Deutschland habe zudem ein ureigenes Interesse an der Prosperität seiner Nachbarn.
„Ein starkes Deutschland gibt es nur in einem starken Europa.“ Jung betonte, dass mit dem Fonds keine alten Schulden umverteilt würden. Es handle sich um befristete Programme mit Obergrenzen, Deutschland hafte auch nicht gesamtschuldnerisch, sondern entsprechend seiner Wirtschaftsleistung wie jedes andere Mitgliedsland auch. „Das ist kein Weg in die Schuldenunion.“
AfD: Macron will mächtiger werden
Peter Boehringer (AfD) warf hingegen die Frage auf, ob man bei diesem Vorhaben noch von „Eurobonds durch die Hintertür“ oder nicht besser von der Vordertür sprechen solle. Der Kommissionsvorschlag stelle das nationale Budgetrecht zur Disposition. „Der EU ist eine Kreditfinanzierung ihrer Ausgaben verboten. Punkt.“
Es sei ein Taschenspielertrick, wenn die Kommission sich darüber hinwegsetzen wolle und Kredite nun als Eigenmittel deklariere. Boehringer stellte auch infrage, dass Deutschland im Falle des Falles nur teilschuldnerisch haften werde. „Macron will mächtiger werden, und er braucht dazu den Zahlmeister Deutschland.“
SPD verteidigt gemeinsame Anleihen
Markus Töns (SPD) sprach von der größten Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Der wirtschaftliche Einbruch dürfte 30 Mal höher ausfallen als bei der Finanzkrise 2008/2009, die Arbeitslosigkeit werde steigen, die Verschuldung der europäischen Partner wachsen. „Wir müssen reagieren, national und europäisch.“
Die Kombination von Krediten und Zuschüssen sei Ausdruck europäischer Solidarität. Töns verteidigte den Plan gemeinsamer Anleihen. „Weil wir Teil eines gemeinsamen Wirtschaftsraums sind und 60 Prozent unserer Exporte in die EU gehen“ sei es entgegen alle Mythen im ureigenen Interesse des deutschen Staates, dass es auch den EU-Nachbarn gut geht.
Die Linke pocht auf Steuergerechtigkeit
Auch Fabio De Masi (Die Linke) begrüßte im Grundsatz die EU-Pläne. „Wenn Spanien und Italien Fieber haben, kann Deutschland nicht gesund werden.“ Es müsse aber mehr Steuergerechtigkeit in Europa geben, „Multis“ wie Amazon sollten etwa angemessene Steuern zahlen.
„Statt der Krankenschwester ins Portemonnaie zu greifen“, sollten Multimilliardäre an den Krisenfolgekosten beteiligt und europäische Steueroasen-Modelle wie in den Niederlanden beendet werden. De Masi warb dafür, das Mandat der Europäischen Zentralbank zu ändern, „damit sie auch Staaten und nicht nur Banken finanzieren kann“.
Grüne: Klimaschutz als Herzstück des Wiederaufbaufonds
Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) forderte, den Klimaschutz zum „Herzstück“ des Wiederaufbaufonds zu machen und die Zuschüsse und Kredite aus dem Fonds an Kriterien zu Rechtstaatlichkeit und Demokratie zu koppeln: Das Geld solle nicht in die Taschen von „Demokratiezerstörern“ fließen.
Mit Blick auf die Rückzahlung der Fonds-Schulden forderte Brantner die Bundesregierung auf, der EU neue Einnahmequellen zu ermöglichen. Hier gebe es Vorschläge für eine Digitalsteuer, einer Plastikabgabe, einer Besteuerung von Kohlendioxid – und bei allen Vorschlägen stehe die Bundesregierung auf der Bremse. (ahe/28.05.2020)