Teilzeitregelung für Freiwilligendienste stößt auf Zustimmung
Die Jugendfreiwilligendienste und der Bundesfreiwilligendienst (BFD) sollen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres zukünftig auch in Teilzeit absolviert werden können. Dies sieht ein Gesetzentwurf (19/7839) von Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey (SPD) vor, über den der Bundestag am Donnerstag, 14. März 2019, in erster Lesung beraten hat. In der Debatte zeichnete sich eine breite Zustimmung für die Gesetzesvorlage sowohl von Seiten der Koalitionsfraktionen als auch der Oppositionsfraktionen ab, die jedoch Nachbesserungen forderten. Im Anschluss überwies er den Gesetzentwurf zusammen mit einem Antrag der FDP (19/8225), den Bundesfreiwilligendienst attraktiver für Seniorinnen und Senioren zu machen, zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Ministerin: Kein Rechtsanspruch auf Teilzeit
Nach den Plänen von Ministerin Giffey soll ein Freiwilligendienst in Teilzeit von mindestens 20 Stunden pro Woche ermöglicht werden, wenn ein „berechtigtes Interesse“ des Freiwilligen und das Einverständnis seiner Einsatzstelle vorliegt. Als berechtigtes Interesse soll analog zum Berufsbildungsgesetz gelten, wenn der Freiwillige beispielsweise sein eigenes Kind oder einen nahen Angehörigen betreut oder pflegt, er schwerbehindert ist, den Dienst aus anderen gesundheitlichen Gründen oder vergleichbar schwerwiegenden Gründen nicht in Vollzeit ausüben kann.
Giffey verwies allerdings darauf, dass mit dem Gesetz kein Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst in Teilzeit geschaffen werde. Dies sei in der Praxis nicht umzusetzen. Mit der Teilzeitmöglichkeit solle es mehr jungen Menschen ermöglicht werden, sich freiwillig für die Gesellschaft zu engagieren, betonte die Ministerin. Schon heute würden jährlich rund 80.000 junge Menschen einen Freiwilligendienst absolvieren.
AfD fordert allgemeine Dienstpflicht
Der AfD-Familienpolitiker Martin Reichardt bezeichnete die Gesetzesvorlage als eine technische Regelung, gegen die man keine Einwände erheben könne. Zugleich kritisierte er die pädagogische Begleitung des Bundesfreiwilligendienses durch das Bundesprogramm „Demokratie leben“ scharf. Dieses Programm sei politisch nicht neutral, sondern „extrem linkslastig“.
Reichert begrüßte das ehrenamtliche Engagement in Deutschland, forderte für die AfD zugleich jedoch die Wiedereinführung der Allgemeinen Wehr- beziehungsweise Dienstpflicht, die für alle außer Mütter gelten soll.
FDP: Lebensrealität von Senioren stärker berücksichtigen
Der familienpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Grigorios Aggelidis, begrüßte die Einführung der Teilzeitmöglichkeit in den Freiwilligendiensten für Jugendliche ausdrücklich. Zugleich forderte er, auch den Freiwilligendienst für Senioren flexibler und attraktiver zu gestalten. In ihrem Antrag sprechen sich die Liberalen dafür aus, die wöchentliche Mindestdienstzeit von 20 Stunden für Menschen über 65 Jahre aufzuheben. Zudem solle die Mindestdauer des Freiwilligendienstes für Senioren auf vier Wochen verkürzt und mit der Option auf eine sich anschließende Verlängerung gekoppelt werden.
Ministerin Giffey müsse die Lebensrealität von Senioren stärker berücksichtigen. Deshalb dürften das Taschengeld und die Leistungen für Unterkunft und Verpflegung nicht mehr als Hinzuverdienst auf die Rente angerechnet werden.
Linke: Sozial Schwache werden ausgegrenzt
Unterstützt wird die Teilzeitmöglichkeit für Jugendliche in den Freiwilligendiensten auch von Seiten der Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen. Beide Fraktionen forderten jedoch Nachbesserungen an der Gesetzesvorlage entsprechend der Vorschläge des Unterausschusses für bürgerschaftliches Engagement aus. Katrin Werner (Die Linke) begrüßte das Gesetz als einen „kleinen Schritt“, um die Freiwilligendienste auch für Menschen mit Behinderung zu öffnen.
Zugleich kritisierte sie, dass es Ministerin Giffey versäumt habe, die Freiwilligendienste konsequent inklusiv zu gestalten. Durch das Absenken des Taschengeldes im Fall eines Teilzeit-Freiwilligendienstes würden sozial schwache Menschen zudem ausgegrenzt. Prinzipiell dürfe das Taschengeld im Freiwilligendienst nicht auf Sozialleistungen angerechnet werden.
Grüne gegen drastische Taschengeld-Senkung
Auch Dr. Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grünen) sprach sich gegen eine zu drastische Senkung des Taschengeldes aus und kritisierte, dass der Begriff „berechtigtes Interesse“ als Voraussetzung für den Teilzeit-Dienst zu unkonkret sei. Dieser müsse präziser definiert werden.
Christmann forderte zudem eine Verdopplung der Plätze in den Freiwilligendiensten. Im vergangenen Jahr habe es dreimal so viele Bewerber wie Plätze gegeben.
Koalition würdigt Engagement der Deutschen
Svenja Stadler (SPD) und Marcus Weinberg (CDU/CSU) begrüßten die Gesetzesvorlage ohne Einschränkung und verteidigten sie gegen die Kritik der Opposition. Eine Verdopplung der Plätze in den Freiwilligendiensten könne der Bund nicht allein finanzieren, daran müssten sich auch die Länder beteiligen, argumentierte Stadler. Während der Bundesfreiwilligendienst ausschließlich vom Bund getragen wird, liegen das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) in der Verantwortung der Länder, der Bund zahlt einen Zuschuss.
Stadler wies zugleich die Kritik der AfD am Bundesprogramm „Demokratie leben“ zurück. Es sei ein gutes Programm und dürfe gerne weiter ausgebaut werden. Weinberg verwies auf die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Freiwilligendienste und des ehrenamtlichen Engagements. Rund 30 Millionen Menschen würden sich in Deutschland ehrenamtlich engagieren. Dies sei ein „Goldschatz“. Aufgabe der Politik müsse es sein, dieses Engagement zu unterstützen. In den Freiwilligendiensten müssten deshalb auch immer wieder neue Themen integriert werden, wie dies etwa beim Sonderprogramm Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug geschehen sei.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Voraussetzung für eine Teilzeitabsolvierung der Freiwilligendienste soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung sein, dass einerseits ein „berechtigtes Interesse“ der Freiwilligen an einer Reduzierung der täglichen oder wöchentlichen Dienstzeit vorliegt und andererseits im Bundesfreiwilligendienst die Einsatzstelle und die Freiwilligen beziehungsweise in einem Jugendfreiwilligendienst die Einsatzstelle, der Träger und die Freiwilligen einverstanden sind.
Ein berechtigtes Interesse ist laut der Vorlage unter anderem dann gegeben, wenn Freiwillige ein Kind oder eine nahestehende pflegebedürftige Person zu betreuen haben oder andere, vergleichbar schwerwiegende Gründe vorliegen. Ein Rechtsanspruch auf eine Reduzierung der täglichen oder wöchentlichen Dienstzeit werde durch die Neuregelung nicht geschaffen, macht die Bundesregierung deutlich.
Antrag der FDP
Die FDP will die Vorschrift einer Dienstzeit von mindestens 20 Stunden pro Woche beim Bundesfreiwilligendienst für die über 65-Jährigen aufheben und die Mindestdauer des Dienstes für Seniorinnen und Senioren auf zunächst vier Wochen mit anschließender Verlängerungsmöglichkeit verkürzen. Die Fraktion will den Bundesfreiwilligendienst auch flexibler machen, damit sich ältere Menschen mehrmals und in unterschiedlichen Einsatzbereichen engagieren können.
Eine flexiblere Gestaltung könnte nach Ansicht der Liberalen dazu beitragen, älteren Menschen neue Wege für Selbst- und Mitverantwortung in der Zivilgesellschaft zu ebenen. Vor allem in den Kommunen müsse eine Infrastruktur für bürgerschaftliches Engagement gefördert werden. Damit würde auch die Voraussetzung für die Entwicklung von differenzierten Altersbildern geschaffen. (aw/14.03.2019)