Experten: Hightech-Strategie setzt positiven Rahmen
Die Hightech-Strategie der Bundesregierung setzt einen positiven, richtigen Rahmen. Das war der einhellige Tenor fast aller Sachverständigen beim öffentlichen Fachgespräch zu Bilanz und Perspektiven der Forschungs-und Innovationsförderung in Deutschland, das am Mittwoch, 28. Juni 2017, auf Einladung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung unter Leitung von Patricia Lips (CDU/CSU) in Berlin stattfand.
„Forschungspolitik hat sehr gute Richtung eingeschlagen“
Prof. Dr. Uwe Cantner, Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), betonte, die Politik der Bundesregierung im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE) habe einen sehr gute Richtung eingeschlagen. Für die Zukunft forderte Cantner - wie auch andere Sachverständige - die steuerliche Förderung von Unternehmen im Bereich von FuE. Dadurch werde ein Mobilisierungsprozess zu mehr Innovationen angeregt. Er kritisierte, dass das Thema Digitalisierung noch immer nicht ganz oben auf der Agenda der Politik der Bundesregierung stehe.
Prof. Dr.-Ing. habil. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung und Vorsitzender des Hightech-Forums, begrüßte es, dass das Ziel, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für FuE auszugeben, erreicht worden sei. Zudem lobte er den Anstieg der Grundfinanzierung der Fraunhofer-Gesellschaft um 67 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Investitionen in die Fraunhofer-Gesellschaft seien gut angelegt. Im Jahr 2014 habe die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihrer Arbeit einen Beitrag von 20 Milliarden Euro zur Steigerung des Bruttoinlandsprodukts beigetragen. „Aus einem Euro machen wir 20 Euro“, sagte Neugebauer. Das entspreche der Wirtschaftskraft von Firmen wie Linde und Porsche.
„Innovationsprogramme deutlich ausweiten“
Insgesamt habe die Forschungs- und Innovationsförderung zu einer erheblichen Ausweitung der Forschungsaktivitäten geführt. Anwendungsnahe Forschung und der Wissens- und Technologietransfer seien an Fachhochschulen heute keine Ausnahme mehr, betonte Prof. Dr.-Ing. Andreas Nevoigt, Prorektor für Forschung und Technologietransfer an der Fachhochschule Südwestfalen. Zudem seien Fachhochschulen in ihrer Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen für die Profilbildung einer Region wichtig. Um dem Innovationsbedarf noch besser Rechnung tragen zu können, setzte er sich für die deutliche Ausweitung der „hervorragenden“ Programme ZIM (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand) (ZIM) und KMU-Innovation (für kleine und mittlere Unternehmen) ein.
Dr. Steffi Ober, Projektleiterin von der Zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende betonte, dass hinter den Forschungs- und Innovationsprogrammen der Bundesregierung soziotechnische Zukunftsvorstellungen stünden, die die Interessen, Wünsche, Hoffnungen und Machtansprüche der Gegenwartsgesellschaft abbildeten. Deshalb sei es wichtig, gemeinsam Leitbilder zu entwickeln, die Richtungssicherheit von technologischen Innovationen bieten und auch einen transparenten Umgang mit Komplexität und Unsicherheiten ermöglichen. Diese Leitbilder müssten aus vielen Blickwinkeln entwickelt werden, Pfadabhängigkeiten müssten aufgebrochen werden.
„Gesellschaftlichen Verständigungsprozess fördern“
Ulrich Petschow, Leiter des Forschungsfeldes Umweltökonomie und Umweltpolitik am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, lobte die Aufwüchse in der Forschungs- und Innovationspolitik. Zugleich mahnte auch er, dass die Wissenschaftspolitik einen gesellschaftlichen Verständigungsprozess fördern müsse, um die Frage der Innovationsrichtung zu thematisieren.
Er betonte, dass die Forschungs- und Innovationspolitik zu stark auf die technologischen Entwicklungen ausgerichtet sei. Zudem sei das deutsche Innovationssystem bislang nicht hinreichend auf die weitreichenden Transformationsprozesse eingestellt. Diese würden sich unter anderem vor dem Hintergrund des Klimawandels ergeben.
Innovation durch Sicherheit, Partizipation, Freiraum
Neben dem grundsätzlichen Lob für die Hightech-Strategie kritisierte Lothar Schröder, Bundesfachbereichsleiter für Innovations- und Technologiepolitik der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), dass die Innovationspolitik zu wenig die Verbindung von technischen mit sozialen Innovationen fördere. In diesem Zusammenhang nannte er die Themenfelder Arbeitnehmerdaten und Gesundheitsschutz, Beteiligungsorientierung und Konzepte für qualitative Personalplanung. Aus betrieblicher Sicht könne Innovationsförderung nicht allein mit Forschungsarbeit geleistet werden. In den Betrieben gedeihe Innovation auch durch Elemente wie Sicherheit, Partizipation und dem nötigen Freiraum für Innovationsentwicklung.
Dr. Markus Steilemann, Chief Commercial Officer, Mitglied des Vorstands der Covestro AG und Mitglied im VCI-Ausschuss Forschung, Wissenschaft und Bildung, betonte, dass nicht nur die Erfindungen, sondern auch die Vermarktung stärker gefördert werden müsste. Grundsätzlich forderte er, dass es in der Industrie in Zukunft stets darum gehen müsse, nachhaltige Lösungen zu finden. Responsible Care, also verantwortungsvolles Handeln, müsse das andere große Ziel sein, auf das Unternehmen hinarbeiten sollten.
Grundlagen des Fachgesprächs
Grundlage des Fachgesprächs waren das Gutachten der Bundesregierung zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands (18/11270), ein Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Hightech-Strategie – Fortschritt durch Forschung und Innovation mit der Stellungnahme der Bundesregierung zum Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2017 (18/11810) und der Aktionsplan Nanotechnologie 2020 der Bundesregierung (18/9670).
Darüber hinaus lagen der Monitoring-Bericht 2016 der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz „Pakt für Forschung und Innovation“, die innovationspolitischen Leitlinien des Hightech-Forums „Gemeinsam besser – Nachhaltige Wertschöpfung, Wohlstand und Lebensqualität im digitalen Zeitalter“ und die Publikation des Hightech-Forums „Gute Ideen zur Wirkung bringen – Umsetzungsimpulse des Hightech-Forums zur Hightech-Strategie“ vor. (rol/vom/28.06.2017)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Prof. Dr. Uwe Cantner, Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre/Mikroökonomik, Friedrich-Schiller-Universität Jena
- Prof. Dr.-Ing. habil. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V., Vorsitzender des Hightech-Forums, München
- Prof. Dr.-Ing. Andreas Nevoigt, Prorektor für Forschung und Technologietransfer an der Fachhochschule Südwestfalen, Iserlohn
- Dr. Steffi Ober, Projektleiterin Zivilgesellschaftliche Plattform Forschungswende, Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW), Berlin
- Ulrich Petschow, Leiter des Forschungsfeldes Umweltökonomie und Umweltpolitik, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Berlin
- Lothar Schröder, Bundesfachbereichsleiter Innovations- und Technologiepolitik, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, Berlin
- Dr. Markus Steilemann, Chief Commercial Officer und Mitglied des Vorstands der Covestro AG, Mitglied im VCI-Ausschuss Forschung, Wissenschaft und Bildung, Leverkusen