Berechnung der Renten bei verminderter Erwerbsfähigkeit thematisiert
Zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode befasste sich der Bundestag am Freitag, 28. April 2017, in erster Lesung mit Plänen der Bundesregierung zur Reform der Erwerbsminderungsrente. Aber zum ersten Mal auch mit einer viel grundsätzlicheren Reform, nämlich mit der Schaffung eines einheitlichen Rentenrechts für ganz Deutschland und damit einem Ende der unterschiedlichen Bewertung der Löhne in Ost und West.
Konkret geht es um zwei Gesetzentwürfe der Bundesregierung. Einer (18/11926) sieht vor, die Zurechnungszeit bei der Erwerbsminderungsrente von 62 auf 65 Jahre anzuheben. Dies soll in mehreren Schritten bis 2024 erfolgen. Der zweite Gesetzentwurf (18/11923) sieht vor, ebenfalls schrittweise bis 2025 zu einem einheitlichen Rentenrecht in Ost und West zu kommen. Dazu wird zum einen der Rentenwert (Ost) auf den Westwert angehoben, gleichzeitig entfällt ab 2025 die Hochwertung der Ost-Löhne bei der Rente. Bis 2014 hochgewertete Verdienste bleiben jedoch erhalten.
Debattiert wurde ebenfalls über einen Antrag (18/12087) der Fraktion Die Linke, in dem sie fordert, die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente abzuschaffen. Außerdem soll die geltende Regelung, nach der in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre mit Pflichtbeiträgen liegen müssen, so geändert werden, dass lediglich zwei Jahre mit Pflichtbeiträgen nötig sind. Alternativ könne als Zugangsvoraussetzung eine Mindestbeitragszeit von 20 Jahren eingeführt werden, schreibt Die Linke.
Ministerin: Gebot des Anstandes
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bezeichnete den Entwurf zur Renteneinheit als einen „historischen Schritt, um die innere Einheit unseres Landes einzuleiten“. Die Angleichung der Löhne sei seit der Wiedervereinigung deutlich vorangekommen und werde dies aufgrund der guten Wirtschaftslage auch weiter tun, schneller als erwartet, zeigte sie sich optimistisch.
Zur Erwerbsminderungsrente sagte sie: „Es ist ein Gebot des Anstandes und Ausdruck von Respekt für jene, die sich in ihrer Arbeit aufgerieben haben.“
Linke: Eine große Ungerechtigkeit
Dr. Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken, warf SPD und Grünen vor, selbst den Grundstein für den Reformbedarf von heute gelegt zu haben: „Sie haben den Sinkflug der Erwerbsminderungsrente doch erst eingeleitet.“ Zwar sei dieser 2014 gestoppt worden, aber auch die zweite Reform ändere nichts an dem Umstand, „dass Sie Erwerbsgeminderte weiter aufs Sozialamt schicken“.
Die mit der Renteneinheit verbundene Abschaffung von Sonderregeln aus dem DDR-Rentenrecht für bestimmte Versichertengruppen kritisierte Bartsch als große Ungerechtigkeit und forderte deren Rücknahme.
CDU/CSU: Man kann nicht alle Sonderregeln berücksichtigen
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Karl Schiewerling, bezeichnete das Rentenüberleitungsgesetz von 1991 dagegen als „größte sozialpolitische Leistung“ der letzten Jahrzehnte. Deshalb sei es vermessen, all die Sonderregeln des DDR-Rentenrechts im bundesdeutschen Recht nachzuvollziehen.
Zum Thema Erwerbsminderungsrente bemerkte er: „Es macht mir sehr zu schaffen, dass die Anträge auf Erwerbsminderungsrente im Durchschnitt mit nur 50 Jahren gestellt werden und die meisten Antragsteller vorher nie an einer Präventionsmaßnahme teilgenommen haben.“ Daran müsse sich dringend etwas ändern, so Schiewerling.
Grüne: Die Angleichung kommt zu spät
Markus Kurth, der Rentenexperte der Grünen, bewertete die Pläne der Bundesregierung für die Renteneinheit dagegen als unzureichend und forderte eine sofortige Rentenangleichung. Denn heute liege das Lohnniveau in vielen Regionen Westdeutschlands unter dem bestimmter Regionen im Osten. Es sei nach 27 Jahren Wiedervereinigung deshalb nicht mehr vermittelbar, die Ost-Löhne bei der Rentenberechnung mit der Begründung ihrer Höhe für die Rente höher zu bewerten.
Zum Stichwort Lohnunterschiede sagte er: „Das Rentenrecht ist nicht der richtige Ort, um Fehlentwicklungen bei den Löhnen auszugleichen.“ Kurth kritisierte darüber hinaus scharf, dass die Kosten der Angleichung des Rentenrechts aus Beitragsmitteln und nicht aus Steuergeldern bezahlt werden.
SPD: Abstand der Löhne ist kein Naturgesetz
„Der Ost-West-Abstand der Löhne ist kein Naturgesetz“, betonte Daniela Kolbe (SPD). Auf dem Gebiet tue sich viel, auch die Einführung des Mindestlohns habe gerade auf die Lohnentwicklung im Osten sehr positive Auswirkungen gehabt. Deshalb sei es an der Zeit und inhaltlich gerechtfertigt, die Renteneinheit endlich zu verwirklichen.
Gleichwohl werde es für jüngere Arbeitnehmer im Osten dann nicht mehr so leicht sein, einen Rentenpunkt zu verdienen, weshalb man sich weiter für höhere Löhne einsetzen müsse. (che
Hochrechnung der Rentenansprüche
Mit dem geplanten Erwerbsminderungs-Leistungsverbesserungsgesetz will die Bundesregierung ab 2018 die Zurechnungszeit schrittweise verlängern – bis 2024 um drei Jahre. Damit werden die Rentenansprüche bis zum fiktiven Alter von 65 hochgerechnet, sodass Erwerbsminderungsrenten künftig höher ausfallen. Bisher wurde die Rente für Erwerbsgeminderte so berechnet, als hätten sie bis zum 62. Lebensjahr gearbeitet. Von 2018 bis 2024 soll diese Zurechnungszeit nach dem Willen der Bundesregierung schrittweise um drei Jahre verlängert werden – von 62 auf 65 Jahre. Diese schrittweise Verlängerung soll auch in der Alterssicherung der Landwirte eingeführt werden.
Der Entwurf für ein „Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz“ sieht vor, dass ab dem Jahr 2018 die Rentenwerte Ost in sieben Schritten an das Westniveau herangeführt werden sollen. Ab dem Jahr 2025 sollen die rentenrechtlichen Sonderregelungen für die neuen Bundesländer vollständig entfallen.
Linke will Zugang zur Erwerbsminderungsrente erleichtern
Die Fraktion Die Linke will den Zugang zur Erwerbsminderungsrente erleichtern und die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente abchaffen.
Außerdem soll die geltende Regelung, nach der in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre mit Pflichtbeiträgen liegen müssen, so geändert werden, dass lediglich zwei Jahre mit Pflichtbeiträgen nötig sind. Alternativ könne als Zugangsvoraussetzung eine Mindestbeitragszeit von 20 Jahren eingeführt werden, schreibt Die Linke.
Grüne wollen einheitliche Rentenwerte in Ost und West
Die Grünen fordern deshalb, den aktuellen Rentenwert Ost und die Beitragsbemessungsgrenze Ost auf die jeweiligen Werte im Westen anzuheben. Die bereits erworbenen Rentenansprüche sollen unverändert erhalten bleiben.
Entgeltpunkte sollen ab einem Stichtag bundesweit einheitlich berechnet und danach auf eine gesonderte Hochwertung von Entgeltpunkten in Ostdeutschland verzichtet werden. Außerdem plädieren die Grünen erneut dafür, eine steuerfinanzierte Garantierente einzuführen, um geringe Rentenansprüche aufzustocken. (che/sas/28.04.2017)