Fraktionen bedauern angekündigten EU-Austritt Großbritanniens
Einen Tag, nachdem Großbritannien offiziell den Austritt aus der Europäischen Union beantragt hat, haben die Bundestagsfraktionen die verbleibenden 27 Mitgliedstaaten zur Geschlossenheit aufgerufen und sich zugleich für faire Verhandlungen mit den Briten ausgesprochen. „Es geht nicht darum, das Vereinigte Königreich zu bestrafen, sondern das Beste für uns alle zu erzielen“, betonte Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) am Donnerstag, 30. März 2017, in einer vereinbarten Debatte zum Brexit. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) appellierte: „Wir müssen Freunde bleiben.“ Niemand könne ein Interesse daran haben, die Verhandlungen so zu führen, „dass am Ende ein völlig zerrüttetes Verhältnis steht“.
Gegen „falsche Kompromisse“
Der Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir, warnte ebenfalls davor, „verbrannte Erde zu hinterlassen“. Schließlich seien beide Seiten auch in Zukunft in vielen Bereichen auf eine enge Zusammenarbeit angewiesen. Beispielhaft nannte er den Kampf gegen den Terrorismus und den Klimaschutz. Alexander Ulrich (Die Linke) verwies unter anderem auf die wirtschaftliche Bedeutung Großbritanniens für Europa und für Deutschland. „Ein schlechter Deal für die Briten wäre daher auch ein schlechter Deal für uns.“
Zugleich machten alle Redner deutlich, dass es keine falschen Kompromisse in den Verhandlungen geben dürfe. Sie pochten vor allem darauf, dass die Interessen der Bürger in den übrigen 27 Mitgliedsländern gewahrt werden müssten und die drei Millionen EU-Bürger in Großbritannien sowie die eine Million Briten in anderen Staaten der EU keinerlei Nachteile durch den Brexit erleiden dürften.
CDU/CSU: Erneuten Briten-Rabatt wird es nicht geben
Detlef Seif (CDU/CSU) verwies auf die großen Existenzsängste der Betroffenen. „Diese Menschen dürfen nicht zur Verhandlungsmasse werden“, sondern müssten bald Klarheit über ihren Verbleib in den jeweiligen Ländern haben. In dieser Frage müssten die Parteien daher frühzeitig zu Ergebnissen kommen.
Sigmar Gabriel stellte mit Blick auf die Forderung der Briten, die Arbeitnehmerfreizügigkeit aufzuweichen, klar: „Der europäische Binnenmarkt ist kein A-la-carte-Menü. Die vier Grundfreiheiten sind unteilbar.“ Einen erneuten „Briten-Rabatt“ werde es nicht geben.
Grüne: Die hier lebenden Briten einbürgern
Linken-Politiker Ulrich forderte „verbindliche Lösungen“ für die EU-Bürger Großbritannien und die Briten in anderen EU-Staaten. Es brauche „klare Ansagen, dass diese Menschen dort bleiben können, wo sie sind“. Nach Ansicht von Cem Özdemir sollte Deutschland die hier lebenden Briten einbürgern. „Wir sollten deutlich machen, dass sie bei uns willkommen sind.“ Sie seien Europäer und sie blieben Europäer.
Viel Raum nahm in der Debatte die Frage ein, wie ein weiterer Exit eines EU-Mitglieds verhindert und die Identifikation mit dem Projekt Europa wieder gestärkt werden kann. „Der Brexit zwingt die verbleibenden Mitgliedstaaten der EU ihren weiteren Weg neu zu vermessen“, zeigte sich Gabriel überzeugt. „Der Rest kann nicht ‚business as usual‘ machen und so tun, als sei nichts geschehen.“ Eine der wichtigsten Aufgaben in der nächsten Zeit sei es, das Wohlfahrtsversprechen der EU wieder einzulösen und ein sozialeres Europa zu schaffen.
Linke: Riesige soziale Verwerfungen in der EU
Alexander Ulrich nannte die „riesigen sozialen Verwerfungen in der EU“ einen Hauptgrund für das Abwenden vieler Menschen von der Europäischen Union. Er warf der Bundesregierung vor, eine „bürgerfeindliche, technokratische und unsoziale EU maßgeblich mit aufgebaut“ zu haben und gab ihr daher eine Mitverantwortung für den „desolaten Zustand“ der Gemeinschaft und den Brexit.
Für Cem Özdemir sendet der Brexit eine zentrale Botschaft: „Einer geht, aber 27 andere bleiben. Und um die müssen wir uns jetzt gemeinsam kümmern.“ Er erneuerte die Forderung seiner Partei nach einen neuen „Grünen Deal“: Mehr Transparenz, mehr Bürgernähe, mehr Investitionen und Strukturreformen in Europa. Die Lebensverhältnisse in der EU müssten so sein, dass alle wüssten: „Europa lohnt sich, es ist gut für die Bürger.“ (joh/30.03.2017)