Experten: Steuerlicher Gemeinnützigkeitskatalog ist unvollständig
Gemeinnützige Organisationen spielen für das bürgerschaftliche Engagement eine wichtige Rolle. Die derzeitige Form des Gemeinnützigkeitsrechts stößt jedoch bereits seit längerer Zeit bei den Betroffenen auf Kritik. Der Weiterentwicklung dieses Rechtsbereichs, vor allem des Steuerrechts, widmete sich der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement in einer öffentlichen Sitzung am Mittwoch, 22. März 2017.
Liste förderungswürdiger Zwecke unvollständig
Vor allem bilde die Abgabenordnung mit ihrem aktuellen Katalog von 25 förderungswürdigen Zwecken von Wissenschaft und Bildung bis hin zu Kultur und Sport längst nicht alle Felder bürgerschaftlichen Engagements ab, die wünschenswert wären, waren sich die Experten einig.
Ergänzt werden müssten beispielsweise Ziele wie nachbarschaftliches Engagement, Einsatz für Menschenrechte oder Klimaschutz, so Stefan Diefenbach-Trommer von der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ und Dr. Ansgar Klein vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement. Damit lasse man sich allerdings auf einen entsprechend dem gesellschaftlichen Wandel laufend zu ergänzenden Katalog ein, mit allem damit verbundenen bürokratischen Aufwand für Vereine und Verwaltung, gab Dr. Rolf Möhlenbrock vom Bundesfinanzministerium zu bedenken. „Die gesellschaftliche Dynamik erlaubt keine abschließende Liste“, sagte Klein.
„Bürgerschaftliches Engagement ist immer politisch“
Die Runde beschäftigte zudem, wie stark sich Vereine, die den Status der Gemeinnützigkeit für sich beanspruchen, politisch engagieren dürfen. Auch in diesem Punkt war man sich einig: „Bürgerschaftliches Engagement ist immer politisch“, so Möhlenbrock, der sich bemühte, eine klare Grenze zur allgemein politischen Betätigung und der Rolle der politischen Parteien zu ziehen.
Klein, der die Perspektive der zivilgesellschaftlichen Praxis einbrachte, plädierte für eine pragmatische Entwicklung, die die Dimension des Politischen im zivilgesellschaftlichen Raum und im Rahmen der Gemeinnützigkeit grundsätzlich anerkennt. Auch Diefenbach-Trommer unterstrich die wichtige Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen für das demokratische Gemeinwesen und warnte, dass die Komplexität des Steuerrechts eine Motivationsbremse für bürgerschaftliches Engagement darstelle. Die Anforderungen des Steuerrechts an die Buchhaltung, Spendenverwaltung und Rechnungslegung von Vereinen, Stiftungen oder gemeinnützigen GmbHs seien angesichts der Regelungsdichte, der Gesetzesänderungen und laufenden Rechtsprechung äußerst hoch.
Finanzministerium will gemeinnützige Organisationen stärken
Möhlenbrock unterstrich, dass es ihm ein Anliegen sei, die Handlungsfähigkeit gemeinnütziger Organisationen von Seiten der Finanzverwaltung zu verbessern und so gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen. „Das Steuerrecht verschließt sich einer Weiterentwicklung nicht.“ Der Arbeitsbereich der Gemeinnützigkeit genieße bei ihm hohe Priorität. Er stellte sich auch vor die etwa 1.000 Finanzämter und ihre Beamten in Deutschland, die über jede einzelne Anmeldung entscheiden und regelmäßig überprüfen, ob ein Verein weiterhin eine gemeinnützige Tätigkeit verfolgt.
Man dürfe bei der Weiterentwicklung des Gemeinnützigkeitssteuerrechts allerdings nicht die europarechtliche Dimension nicht aus dem Auge verlieren. Neuerungen im nationalen Kontext müssten immer berücksichtigen, dass die Kommission das Beihilferecht nicht verletzt sehe und etwa eine Wettbewerbsstörung diagnostiziere. Das EU-Recht verlange, dass kein Teil des Marktgeschehens steuerfrei gestellt werde.
Die Debatte um die Neugestaltung des Gemeinnützigkeitsrechtes solle in der nächsten Wahlperiode weitergeführt werden, sagte der Vorsitzende des Unterausschusses, Willi Brase (SPD).
Liste der geladenen Sachverständigen
- Stefan Diefenbach-Trommer, Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“
- Dr. Ansgar Klein, Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement
- Dr. Rolf Möhlenbrock, Bundesministerium der Finanzen