Ausstellung „Unfreiwilliges Erinnern. Zur Bedeutung der Wannsee-Konferenz in Geschichte und Gegenwart“
Eine Ausstellung der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz im Deutschen Bundestag
13. Januar bis 28. Januar 2022
Fünfzehn hochrangige Vertreter des NS-Regimes treffen sich am 20. Januar 1942 im Gästehaus der SS am Großen Wannsee, um miteinander die Planung, Organisation und Durchführung der „Endlösung der europäischen Judenfrage“ zu besprechen. Fünfzig Jahre dauert es, bis 1992 an diesem historischen Ort eine Gedenk- und Bildungsstätte eröffnet wird.
„Du kannst dich bei den Deutschen tot dokumentieren“, schreibt Joseph Wulf, Historiker und Überlebender von Auschwitz, nachdem sich Anfang der 70er Jahre die von ihm unermüdlich verfolgte Idee zerschlägt, am Großen Wannsee ein internationales Dokumentationszentrum zu errichten. In der Villa befand sich zu diesem Zeitpunkt ein Schullandheim. Robert Kempner, stellvertretender US-Chefankläger der Prozesse gegen Vertreter der NS-Reichsministerien 1947-49, merkt 1967 kritisch an:
„ Und hier, wo jeder Stein eine ermordete jüdische Familie symbolisiert, sollen Berliner Kinder zur Erholung bleiben? Mir scheint es eine psychologisch unmögliche Zumutung zu sein, Kinder in Heydrich-Eichmanns Konferenzzimmern essen oder schlafen zu lassen.“
Reinhard Heydrich, als Leiter des Reichssicherheitshauptamtes einer der wichtigsten SS-Funktionäre, lädt zu der anderthalbstündigen Besprechung Vertreter der Polizei und der SS, der NSDAP, der Besatzungsbehörden und verschiedener Ministerien. Sein Mitarbeiter Adolf Eichmann verfasst das Protokoll. Es zeigt wie kein anderes Dokument, dass der systematische Mord an Millionen Menschen ein nüchtern geplantes Verbrechen ist, bürokratisch organisiert unter Einsatz des gesamten Verwaltungsapparates.
In der Nachkriegszeit wird die Bedeutung der Konferenz und des Ortes, wie die belastende NS-Vergangenheit überhaupt, wenn möglich ignoriert. Für Überlebende sowie Zeuginnen und Zeugen der NS-Verbrechen ist diese Haltung unmöglich. Historikerinnen und Historiker wie Rachel Auerbach und Joseph Wulf sammeln und veröffentlichen NS-Dokumente und begründen damit die historische Forschung zur Shoah.
So wie die später als Wannsee-Konferenz bekannt gewordene Besprechung sinnbildlich für die Beteiligung der gesamten staatlichen Verwaltung an einem beispiellosen Verbrechen steht, so spiegelt sich in der Auseinandersetzung um einen Dokumentations- und Gedenkort am Wannsee die verhaltene bis ablehnende Einstellung gegenüber den Überlebenden und ihren Erfahrungen mit der Shoah. Die Auseinandersetzung zeigt, dass es schon früh Initiativen gab, die sich anhaltend um das Erinnern bemühten und es schließlich erfolgreich erstritten.
Die Villa am Wannsee verkörpert unterschiedliche Perspektiven auf die Vergangenheit. Bis heute ist die Auseinandersetzung um Nationalsozialismus und Shoah nicht abgeschlossen. Achtzig Jahre nach der Besprechung widmet sich diese Ausstellung dem Ort und seiner Geschichte; präsentiert wird sie im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages begleitend zum 27. Januar 2022, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.
Eröffnung der Ausstellung
Aufgrund der weiterhin geltenden pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen wurde die Ausstellung am 12. Januar 2022 in virtueller Form eröffnet.
Das zu diesem Zweck aufgenommene Eröffnungsvideo gewährt Einblicke in die Ausstellung und zeigt Ausschnitte aus der Eröffnungsansprache von Bundestagspräsidentin Frau Bärbel Bas sowie dem Grußwort der Direktorin der GHWK, Deborah Hartmann. Die aufgezeichneten Redebeiträge sind zudem in voller Länge hier auf der Internetseite (siehe oben rechts) abrufbar.