Klimaschutz

Experten begrüßen Solarpaket I und hoffen auf Solarpaket II

Zeit: Montag, 22. April 2024, 15 Uhr bis 17 Uhr
Ort: Berlin, Reichstagsgebäude, Sitzungssaal PRT 3 S 001

Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie befasste sich am Montag, 22. April 2024, in einer zweiten öffentlichen Anhörung mit dem „Erneuerbare-Energien-Gesetz und weiteren energiewirtschaftsrechtlichen Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung (20/8657). Ziel des sogenannten Solarpakets I ist es, dazu beizutragen, dass Deutschland bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral wird. Dafür soll der Stromsektor bereits bis 2035 weitgehend ohne die Emission von Treibhausgasen auskommen. Das Solarpaket I soll am Freitag, 26. April, vom Bundestag beschlossen werden. Dies ist nach Ansicht von Energiewirtschaftsverbänden dringend geboten, um Fristen für den weiteren Ausbau der Windkraft einzuhalten.

Mehrheitlich begrüßten die Sachverständigen das Paket, äußerten aber auch die Hoffnung, in einem „Solarpaket II“ weitere Anpassungen vornehmen zu können.

„Vielen Biogasanlagen droht die Stilllegung“

Guido Ehrhardt vom Fachverband Biogas stellte eingangs fest, der von den Regierungsfraktionen SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP vorgelegte Änderungsantrag bringe „zahlreiche Änderungen, auf die wir lange gewartet haben“. Trotz aller Verbesserungen für die Biomasse dürfe das Solarpaket aber nur ein erster Schritt sein, denn: Das Biomasse-Ausschreibungsvolumen sei so gering, „dass die Stilllegung Tausender Anlagen und der Verlust von 34 TWh erneuerbarer regelbarer Stromerzeugung und 23 TWh erneuerbarer Wärmeerzeugung die Folge ist“. Das Volumen müsse stark erhöht werden.

Sandra Rostek vom Hauptstadtbüro Bioenergie stimmte ihrem Vorredner „vollumfänglich zu“ und betonte noch einmal: Nahezu alle erreichten Verbesserungen würden in ihrer Wirkung zurückbleiben, wenn die drängendsten Probleme der Branche weiterhin nicht adressiert würden: Für den Bestand von knapp 10.000 Biogasanlagen würde dies bedeuten, dass die bereits eingesetzte Rückbauwelle ungebremst weitergeht. Hunderte Biogasanlagen seien bereits stillgelegt worden, Tausende weitere würden in den kommenden Jahren folgen.

Enttäuschung über fehlenden Resilienzbonus

Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft hob hervor, dass mit dem Solarpaket die Energiewende nun endlich auch in den Städten bei den Mieterinnen und Mietern und Wohnungseigentümern und -eigentümerinnen ankomme. Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung werde dafür einen kraftvollen Impuls leisten. Im Gewerbedachsegment würden die Ausschreibungsmengen und die Vergütungssätze angehoben.

Körnig machte aber auch kein Hehl daraus, dass sein Verband mit Enttäuschung zur Kenntnis nehme, dass die „Resilienzboni“ sich im Reformpaket nicht wiederfänden. Im harten Standortwettbewerb mit Asien und den USA um die Solarfabriken der Zukunft sei damit „vielleicht die letzte Chance für eine Renaissance der Solarindustrie in Deutschland und für mehr Sicherheit bei der Versorgung mit solartechnischen Schlüsselkomponenten verspielt worden“.

Lob für Umsetzung von Anregungen

Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht nahm eine rechtliche Bewertung vor und monierte beispielsweise vermeidbare Ungewichte und fehlende Vereinheitlichungen.

Positiv hob er heraus, dass die Anregungen aus der ersten Anhörung vom 15. November 2023 weitgehend aufgegriffen worden seien. Das habe zur Konsistenz der Rechtsordnung beigetragen.

Manches nicht ins Paket übernommen

Über 20 Gigawatt Zubau an Photovoltaik (PV) pro Jahr bedeute, dass das Ausbautempo im Vergleich zu 2022 mindestens verdreifacht werden müsse, sagte Asma Rharmaoui-Claquin vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft Damit das gelinge, müssten die Rahmenbedingungen stimmen, um schnell mehr PV-Anlagen in allen Segmenten zu errichten und diese effizient in das Energiesystem zu integrieren.

Dabei blieben weiterhin Punkte offen, die in der PV-Strategie aufgeführt waren und nicht in den Gesetzesentwurf eingeflossen seien, sagte Rharmaoui-Claquin und nannte als Beispiel die mögliche Zuordnung von PV-Anlagen zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen (in Grundsteuer A, analog zu Windenergieanlagen an Land).

Mangelnde Wirtschaftlichkeit für Vermieter

Wolfgang Saam vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) wünscht sich ebenfalls so schnell wie möglich ein „Solarpaket II“. Vielen PV-Projekten fehle es bisher an einer attraktiven Wirtschaftlichkeit für Immobilienunternehmen und Vermieter. Daher begrüße er die Anhebung der Förderung für mittelgroße Anlagen.

Zudem empfehle der ZIA eine Überarbeitung des Schwellenwerts von 100 kWp bei der Direktvermarktungspflicht. Damit der Ausbau der PV weiter gestärkt werde, müsse der Schwellenwert gerade bei hohem Eigenverbrauch oder bei Mieterstrommodellen deutlich flexibler gestaltet werden.

„Urbane Räume mehr nutzen“

Felix Schmidt vom World Wide Fund For Nature (WWF) erklärte, der WWF sei der Ansicht, dass die Potenziale der urbanen Räume noch viel stärker genutzt werden müssten. PV auf Dächern und versiegelten Flächen solle zum bundesweiten Standard werden.

Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung formuliert, dass die Nutzung von Solarenergie bei gewerblichen Neubauten künftig verpflichtend und bei privaten Neubauten die Regel werden solle. Die Maßnahmen im „Solarpaket I“ seien diesbezüglich nicht weitreichend genug.

Zeitabhängige Netzentgelte empfohlen

Einen gewollt anderen Akzent wählte Philipp Schröder von der 1KOMMA5° GmbH. Er befasste sich weniger mit Produktions- als mit Verteilungsfragen. Seine Forderungen bezogen sich auf Probleme etwa der Steuerung des Stromverbrauchs und die Ausrichtung der erneuerbaren Energien nach marktwirtschaftlichen Preissignalen neben einem flexiblen und digitalen Strommarkt.

Für den Erfolg der Energiewende sei es erforderlich, nicht nur ein marktdienliches, sondern auch ein regionales, netzdienliches Verhalten zu ermöglichen, sagte Schröder. Dann würden intelligente, vernetzte Systeme noch schneller amortisiert. Hierzu brauche es nicht nur regionale, sondern auch zeitabhängige Netzentgelte, die den aktuellen Auslastungszustand des Stromnetzes in der Region widerspiegeln – ohne Steuerungseingriffe zur Abriegelung.

Kommunen beklagen übermäßige Belastungen

Auch Bernhard Strohmayer vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft sieht „Folgeaufgaben“, etwa bei Freiflächenanlagen, wo die Anerkennung der biodiversitätsfördernden Pflege in Solarparks als landwirtschaftliche Flächennutzung zu klären wäre. Das im Paket enthaltene Recht zur Verlegung von Leitungen werde in der Praxis kaum nützen, da nur Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand adressiert würden. Auch sei eine praxistaugliche Regelung für landwirtschaftliche Grundstücke nötig.

Christine Wilcken von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände erklärte in ihrer schriftlichen Stellungnahme, die Spitzenverbände lehnten den Änderungsantrag ab, „denn er trifft nun in zentralen Bereichen einseitig belastende Regelungen zulasten der Kommunen“. Besonders kritisch sei, dass die Ausweitung des Anwendungsbereichs der finanziellen Beteiligung für Kommunen zurückgenommen werde und dadurch die kommunale Teilhabe keine Verbesserung erfahre. Die Energiewende als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, wird aber durch die Beteiligung der Kommunen und die Akzeptanz vor Ort getragen. (mis/22.04.2024)

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