Expertin: Kinderrechte in Asylverfahren besonders schützen
Asylanträge von Kinder priorisieren, mehr Qualitätskontrollen bei den Entscheidern und ein stärkeres Bewusstsein für die Fluchtursachen – diese und weitere Aspekte forderten Experten im öffentlichen Gespräch der Kinderkommission (Kiko) am Mittwoch, 14. Dezember 2016, ein. Die Sitzung unter der Leitung von Norbert Müller (Die Linke), in Vertretung für Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/ Die Grünen), beschäftigte sich unter dem Schwerpunkt „Junge Geflüchtete“ mit dem Thema Kinderrechte im Asylverfahren.
Spezifische Fluchtursachen bei Kindern
„Kinderrechte müssen besonders geschützt werden, weil es spezifische Fluchtgründe und auch Bedürfnisse hinsichtlich des Asylverfahrens gibt“, sagte Uta Rieger, Mitarbeiterin in der Zweigstelle Nürnberg des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR). Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen beobachtete die Wahrung und nationale Umsetzung der Rechte von Flüchtlingen vor dem Hintergrund der Genfer Flüchtlingskonvention.
Kinderspezifische Fluchtgründe können dabei nach der UN-Kinderrechtskonvention unter anderem das Recht auf Gewährleistung der persönlichen Entwicklung, Schutz vor Vernachlässigung, Rekrutierung, Zwangsverheiratung oder gefährlicher Arbeit sein. Menschenrechtsverletzungen müssten bei Kindern teilweise schwerer gewertet werden als bei Erwachsenen, so Rieger. Dem Asylverfahren für begleitete wie auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge komme daher umso mehr Aufmerksamkeit zu. Dies werde grundlegend vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) anerkannt, erfordere aber in der Praxis eine besondere Sensibilität.
Kindgerechte Anhörungen
Als zentral im gesamten Prozess bewertete Uta Rieger die Rolle der Vormünder. Jedem Jugendlichen stehe nach der EU-Verfahrensrichtlinie so schnell wie möglich ein Vertreter zu. Aufgrund der steigenden Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge sei es in der Praxis jedoch zu Verzögerungen gekommen. „Viele Vormünder haben keine Erfahrung im Asyl- und Aufenthaltsrecht“, sagte Rieger. Der UNHCR fordere deshalb bundesweit einheitliche Standards und Weiterbildungen. „Jeder Jugendliche sollte zudem Anspruch auf einen Rechtsvertreter haben“. Dies befürwortete auch Claudia Oelrich von fluchtpunkt, einer kirchlichen Hilfestelle für Flüchtlinge in Hamburg. Auch wenn es viele geschulte und bemühte Vormünder gebe, mangele es an ausreichendem Wissen für die Antragsstellung. „Bei den zahlreichen Gesetzesänderungen wäre der Anspruch auf einen rechtlichen Vormund gut.“
Die Psychologin verwies zudem auf eine Nachqualifizierung der Mitarbeiter im Hinblick auf kindgerechte Interviews und Befragungen. Zudem sollten Asylanträge prioritär behandelt werden, damit Kinder und Jugendliche schneller eine Perspektive bekämen. „Jugendliche haben in der Phase der Asylantragsstellung nicht dieselben Rechte wie Asylsuchende“, sagte Uta Rieger. Hinzu komme eine lange Verfahrensdauer im Asylverfahren, die Ursache von zu wenigen benötigten Sonderbeauftragten und fehlender Priorisierung sei. Dies habe auch zur Folge, dass „bestimmte Rechte wie der Familiennachzug später nicht in Anspruch genommen werden können.“ Beide Expertinnen sprachen sich zudem dafür aus, das Bewusstsein für Fluchtursachen bei begleiteten wie unbegleiteten Kindern zu schärfen.
Jugendhilfebedarf statt biologisches Alter
Claudia Oelrich berichtete aus der Praxis mit jungen Flüchtlingen. Besonders die Einschätzung des Alters sei bei dieser Gruppe ein wichtiger Aspekt der bestimme, was für sie in Deutschland in der Zukunft möglich sei. Seit es in Hamburg freigestellt sei, wie die qualifizierte Bewertung zur Feststellung des Alters durchgeführt werde, würden alle Jugendlichen durchschnittlich älter geschätzt.
Dies habe wiederum Einfluss auf die Vormundbestellung, den Schulbesuch oder die Stellung des Asylantrages. „Unser Wunsch ist ein einheitliches Verfahren, das den Jugendhilfebedarf ermittelt und nicht das biologische Alter – um den Jugendlichen bestmöglich zu helfen“, sagte Oelrich. So könne man einen Verlust von Lebenszeit vermeiden und Integrationsmaßnahmen sinnvoller und gezielter einsetzen. (lau/15.12.2016)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Claudia Oelrich, fluchtpunkt - Kirchliche Hilfestelle für Flüchtlinge
- Uta Rieger, Zweigstelle des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), Nürnberg