580 Millionen Euro mehr für den Entwicklungsetat
Auf knapp acht Milliarden Euro soll laut dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung (18/9200, Einzelplan 23) der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im kommenden Jahr steigen. Aus Sicht von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller (CSU) ist dies ein Beleg dafür, „dass wir auf einem guten Weg sind, auch wenn das 0,7-Prozent-Ziel noch nicht erreicht ist“, wie er bei den Etatberatungen am Mittwoch, 7. September 2016, sagte. Lob für den „Rekordhaushalt“ gab es auch von Sabine Weiss (CDU/CSU) und Stefan Rebmann (SPD), die gleichwohl Nachbesserungen im Verlauf der Haushaltsberatungen anmahnten.
Aus Sicht der Opposition ist der Aufwuchs von rund 580 Millionen Euro im Vergleich zu 2016 deutlich zu wenig angesichts der immensen Herausforderungen an die Entwicklungspolitik. Dies werde vor allem dadurch deutlich, wenn man dem entgegenstelle, dass „in den vergangenen zwölf Monaten beschlossen worden ist, in den Verteidigungsbereich 3,5 Milliarden Euro mehr einfließen zu lassen“, sagte Michael Leutert (Die Linke). Anja Hajduk (Bündnis 90/Die Grünen) forderte „eine ganz andere Antwort von der EU und auch von Deutschland“ um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen.
Minister: Probleme der Zukunft sind Fluchtursachen
Minister Müller verwies auf Studien, wonach bis 2050 mit einer Verdopplung der Bevölkerungszahlen in Afrika zu rechnen sei. Dies bringe gewaltige Herausforderungen mit sich. „Es stellen sich die Fragen: Wie sichern wir die Ernährung? Wie lösen wir das Energiethema? Wie lösen wir das Gerechtigkeitsproblem?“ Das alles seien Fluchtursachen, so Müller. Wenn weltweit zehn Prozent der Menschen 90 Prozent des Vermögens besitzen und zugleich 20 Prozent der Weltbevölkerung 80 Prozent der Ressourcen verbrauchen sei das die Basis für Konflikte, Spannungen, Kriege – und infolgedessen für die Flucht von Millionen von Menschen.
Der Entwicklungsminister machte aber zugleich deutlich, dass die Herausforderungen aus seiner Sicht lösbar sind. Der Weg dahin sei durch die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung (SDGs), den Klimavertrag von Paris und andere Abkommen beschrieben. Deren Umsetzung sei gleichwohl schwierig.
Linke: Mehr Entscheidungen gegen Rüstungsexporte
Um das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen – die Industrieländer haben sich verpflichtet, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren – würden fünf Milliarden Euro zusätzlich benötigt, sagte Michael Leutert.
„Mit den 3,5 Milliarden Euro, die in den Verteidigungsbereich gehen, wären wir schon einen großen Schritt vorangekommen, hätten wir sie hier reingesteckt“, sagte der Linke-Abgeordnete. Das wäre ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von Fluchtursachen gewesen. „Das ist die wichtigste Aufgabe, vor der wir in den nächsten Jahren stehen werden“, betonte Leutert. Um dabei erfolgreich zu sein, brauche es „mehr Entscheidungen gegen Rüstungsexporte“ sowie einen fairen statt einen freien Welthandel.
SPD fordert langfristig abgesicherte Finanzierung
Kritik an der im Haushaltsentwurf geplanten Fortschreibung der Sonderinitiativen übte Stefan Rebmann. „Entwicklungszusammenarbeit ist die beste Fluchtursachenbekämpfung“, so der SPD-Abgeordnete. Dafür brauche es langfristig abgesicherte Finanzierungen und keine jährlichen Vergaben aus den Sonderinitiativen, die den Durchführungsorganisationen eben keine ausreichende Sicherheit geben würden.
Ganz oben auf seiner Liste der nötigen Nacharbeiten stehe der zivile Friedensdienst, so Rebmann weiter. Hier müsse es in den Beratungen gelingen, eine spürbare Mittelerhöhung festzuschreiben. Auch für die Deutsch-Welle-Akademie wäre ein bescheidener Aufwuchs statt einer Kürzung richtig. „Wenn wir Entwicklungspolitik ernst nehmen, brauchen wir eine langfristig abgesicherte Finanzierung“, lautete Rebmanns Einschätzung.
Grüne: Wir brauchen eine Aufwuchsdynamik
Anja Hajduk (Bündnis 90/die Grünen) schloss sich der Kritik ihres Vorredners in Bezug auf die Sonderinitiativen an. Zwar habe Minister Müller mit der Fluchtursachenbekämpfung, der Armutsproblematik und der schwierigen Situation in Afrika wichtige Themen benannt, räumte die Grünen-Abgeordnete ein. Es könne aber doch nicht sein, dass wirksame langfristige Programme gekürzt würden, um neue Sonderinitiativen mit hohem Verwaltungsaufwand aufzulegen.
Auch das geplante Haushaltsplus von 580 Millionen Euro ist aus Sicht Hajduks nicht ausreichend. „Wir brauchen eine Aufwuchsdynamik“, sagte sie. Der Vorschlag ihrer Fraktion laute angesichts der vorhandenen Überschüsse: zusätzliche 1,2 Milliarden Euro für die Entwicklungszusammenarbeit und 800 Millionen Euro für den Klimaschutz. „Nur wenn wir zwei Milliarden Euro jährlich draufpacken, halten wir 2020 das 0,7-Prozent-Versprechen ein“, sagte sie.
CDU/CSU: Deutschland steht zu seiner Verantwortung
Die Grünen versuchten „gute Dinge ausschließlich schlechtzureden“, befand Sabine Weiss. Ihrer Ansicht nach hat die Bundesregierung einen sehr guten Haushaltsentwurf für das Entwicklungsministerium vorgelegt. „Der Rekordhaushalt beweist: Deutschland steht zu seiner internationalen Verantwortung“, sagte die Unionsabgeordnete. „Die Politik der Regierung Merkel hebt uns ab von den düsteren Hasspredigten der Rechtspopulisten, die auf Abschottung setzen und alles Fremde ablehnen.“
Gleichwohl sei im Entwurf nicht alles eitel Sonnenschein. „Besorgt bin ich über den Rückgang der Verpflichtungsermächtigungen um 700 Millionen Euro für die finanzielle und technische Zusammenarbeit“, sagte sie. Hier müsse etwas daraufgelegt werden, wolle man auch im Interesse des sozialen Friedens in Deutschland die Fluchtursachen wirksam bekämpfen. (hau/07.09.2016)