Experten: Bedingungen der sozialpädagogischen Berufe verbessern
Neue Ausbildungskonzepte, bessere Arbeitsbedingungen und bundesweit einheitliche Standards im Bereich der Sozial- und Erziehungsdienste forderten Experten in einem Fachgespräch der Kinderkommission (Kiko) am Mittwoch, 19. Oktober 2016, unter der Leitung von Norbert Müller (Die Linke). Einigkeit herrschte unter den Sachverständigen, dass auch Vertreter der Sozialen Arbeit in die Beratungen über die geplante Reform des achten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII/Kinder- und Jugendhilfe) eingebunden werden sollten.
Auswirkungen der Sparhaushalte
Michael Leinenbach, Bundesvorsitzender des Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH), fasste die aktuelle Situation der Berufsgruppen im sozialen und erzieherischen Bereich zusammen: „Stellen werden eingespart, es gibt hohe Krankenstände und Kollegen müssen Stellen übernehmen – es kommt zur Überforderung.“ Zwar habe es vor Kurzem Tarifverhandlungen gegeben, doch die Würdigung sei nur zum Teil bei den Arbeitnehmern angekommen.
Leinenbach verwies zudem auf Entwicklungen zahlreicher öffentlicher Träger, wie beispielsweise der Jugendämter, eigene Ausbildungen anzustreben. Diese seien inhaltliche deutlich enger gefasst als ein Studium der Sozialen Arbeit oder ähnliche Ausbildungsgänge. Besonders die öffentliche Diskussion zur Reform der Kinder- und Jugendhilfe im SGB VIII habe zu einer Erwartungshaltung in Bezug auf umfassende Veränderungen geführt - aber aufgrund fehlender Transparenz auch Verunsicherung verursacht.
Individuelle Unterstützung gewährleisten
„Die Personal- und Sparpolitik der letzten Jahre macht sich bemerkbar“, resümierte auch Hannes Wolf, Vorsitzender im Berliner Landesverband des Deutschen Berufsverbands für Soziale Arbeit e.V. Von 830 Stellen in Berlin seien aktuell 15 Prozent unbesetzt, 10 Prozent entfielen wegen Krankheit – es fehle an Fachkräften, um diese Stellen zu füllen. „Eine Aufwertung des Berufsfeldes ist dringend notwendig, um Fachkräfte zu gewinnen“, so Wolf.
Pro Fachkraft fielen aktuell 80-120 zu bearbeitende Fälle an und auch in der ambulanten Hilfe ständen immer weniger Stunden zur Verfügung, um Familien zu begleiten. Neben dem Einsatz für eine Begrenzung der Fallzahlen pro Mitarbeiter durch die Kiko regte auch er daher eine Einbindung von Experten aus dem Bereich der Sozialen Arbeit in die Beratung um die Überarbeitung des SGB VIII an.
„Interessante Arbeitsbedingungen schaffen“
Ein Umsetzungs-Dilemma zwischen den Vorstellungen und den tatsächlichen Arbeitsbedingungen vermeiden, dafür plädierte auch Norbert Hocke, Mitglied des Hauptvorstandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Wir müssen schauen, wie wir für den Beruf interessante Arbeitsbedingungen schaffen“, sagte er. Teilzeitbeschäftigung und befristete Verträge würden ein Problem darstellen. Ebenso müssten Konzepte für Werbung und Ausbildung der Mitarbeiter geschaffen werden – vor allem um Menschen, die im Zuge der Flüchtlingskrise nach Deutschland gekommen seien, auf diesem Arbeitsfeld einzubinden.
Bodo Köhmstedt von der Unfallkasse Rheinland-Pfalz wies zudem auf die äußeren Arbeitsbedingungen hin. „Der Arbeitsalltag von Erziehern ist von zahlreichen Belastungen geprägt – physisch und psychisch.“ Dies gehe von selbst aufgebautem Druck bis hin zu fehlendem erwachsenengerechten Mobiliar in den Einrichtungen. „Fast 90 Prozent der Beschäftigten sind davon überzeugt, dass ihre Arbeit sinnvoll ist“, sagte Norbert Hocke. „Das sollten die Leute auch spüren“. Einheitliche Standards zwischen Bund und Ländern könnten dabei ein wichtiger Schritt sein, so die Experten. (lau/20.10.2016)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Norbert Hocke, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
- Bodo Köhmstedt, Unfallkasse Rheinland-Pfalz
- Michael Leinenbach, Bundesvorstand Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V.
- Hannes Wolf, Vorsitzender Berliner Landesverbandes des Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V.