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3. Untersuchungsausschuss

Einblicke in die rechte Szene Zwickaus gewonnen

Foto eines blauen Straßenschildes mit der Aufschrift Frühlingsstraße

In der Frühlingsstraße in Zwickau stand das Wohnhaus und letzte Versteck der drei NSU-Terroristen. (© dpa)

Kaum neue Erkenntnisse, aber dafür Einblicke in die rechte Szene Zwickaus konnten die Mitglieder des 3. Untersuchungsausschusses (NSU II) in der öffentlichen Zeugenvernehmung am Donnerstag, 23. Juni 2016, gewinnen. Der Bauleiter Arne Andreas Ernst bestätigte dem Gremium, dass er auf einem Foto, das ihm vor einigen Monaten Journalisten vorlegten, das NSU-Mitglied Uwe Mundlos erkannt haben will. Nach seiner Erinnerung habe er den Mann in den Jahren 2000 bis 2002 als Vorarbeiter auf Baustellen des Neonazis und damaligen V-Manns Rolf Marschner getroffen.

„Mundlos an Bart und Augenbrauen erkannt“

Ernst sagte gegenüber dem Ausschuss, er habe Mundlos auf dem Foto an seinem markanten Bart und seinen Augenbrauen erkannt. Auf Nachfrage des Ausschussvorsitzenden Clemens Binninger (CDU/CSU) konnte Ernst keine weiteren Zeugen nennen, die seine Erinnerung bestätigen würden. Ein Vertreter der Bundesanwaltschaft hatte in der vorherigen Sitzung des Ausschusses Zweifel daran geäußert, dass die Vorlage des Bildes durch die Journalisten nach polizeilich korrekten Maßstäben erfolgt ist.

Die Aussage von Ernst, die Anfang April von der Tageszeitung „Die Welt“ publiziert wurde, hatte zu neuen Spekulationen geführt, dass der Verfassungsschutz doch Näheres über das seit 1998 untergetauchte NSU-Trio und dessen Straftaten wusste. Entgegen seiner früheren Aussage sagte Ernst jetzt vor dem Ausschuss, er sei sich nicht mehr sicher, ob er auch Beate Zschäpe in einem Szene-Laden Marschners in Zwickau gesehen habe.  

„Den großen Macker markiert“

An die Namen von weiteren Arbeitern auf den Baustellen, wo Marschners Firma tätig war, konnte sich Ernst ebenfalls nicht erinnern. Generell habe man sich dort nur mit „Hey“ angesprochen und niemandem beim Namen genannt. Es sei ihm bewusst gewesen, dass Marschner in seinen Zwickauer Firmen sehr viele rechtsradikale Skinheads beschäftigt habe.

Ernst sagte weiter, er könne sich bis heute „nicht den Luxus leisten, Arbeiter nach ihrer politischen Gesinnung zu beurteilen“. Den Neonazi und ehemaligen V-Mann Marschner bezeichnete Ernst als jemanden, der in Gesellschaft stets „den großen Macker“ markiert habe. Bei Treffen unter vier Augen habe er jedoch angefangen zu weinen und gesagt: „Gib mir doch noch 10.000 Euro.“

„Zschäpe hat nicht in einem Laden Marschners gearbeitet“

Ein anderes Bild von Marschner zeichnete vor dem Ausschuss dessen ehemalige Mitarbeiterin Katrin Borowski, die von ihrem Auftreten her den Eindruck erweckte, selbst der rechten Szene nahezustehen. Marschner sei ein „ganz lieber Kerl“ gewesen, der „immer da war, wenn man ihn brauchte“, beschrieb sie ihren früheren Chef, der sich 2007 überstürzt in die Schweiz abgesetzt hat.

Als ihr die Obfrau der Linksfraktion, Petra Pau, einen extrem ausländer- und frauenfeindlichen Liedtext der Gruppe „Westsachsengesocks“ vorhielt, in der Marschner als Sänger fungierte, sagte Borowski, das müsse man nicht weiter ernst nehmen. „Da denkt der sich nichts dabei“, beschrieb sie Marschners Haltung zu dem Songtext. Borowski schloss aus, dass Beate Zschäpe in einem Laden Marschners gearbeitet habe. Zu dem NSU-Trio hätten weder sie noch Marschner in Zwickau Kontakt gehabt.

Irritationen um Handys des V-Manns Corelli

Neue Presseberichte, dass die Handys des 2014 verstorbenen V-Manns „Corelli“ von den Sicherheitsbehörden noch immer nicht vollständig ausgewertet wurden, haben zuvor im Ausschuss für Irritationen gesorgt. Der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger bezeichnete es als „leichtfertig“, dass sich das Bundesamt für Verfassungsschutz vom früheren V-Mann-Führer des Neonazis mit der Behauptung „abspeisen ließ“, der Inhalt seines Panzerschranks habe nichts mit „Corelli“ zu tun. In dem Schrank waren erst nach Jahren Handys und Sim-Karten von „Corelli“ gefunden worden.

Binninger wies aber auch darauf hin, dass mittlerweile von der Bundesregierung und dem Parlamentarischen Kontrollgremium für die Nachrichtendienste (PKGr) alle notwendigen Untersuchungen in Auftrag gegeben worden seien, um die Hintergründe des Falls aufzuklären. Insbesondere müsse untersucht werden, ob der langjährige Neonazi und V-Mann Thomas Richter alias „Corelli“ doch Kontakte zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ gehabt habe.

Montag untersucht Vorgänge um Handys und Sim-Karten 

Man müsse zudem über die geeigneten Maßnahmen reden, damit sich Vorgänge wie im Fall „Corelli“ beim Verfassungsschutz nicht wiederholen. Abwarten wolle der Ausschuss auch, zu welchen Ergebnissen die neu aufgenommenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Paderborn zum überraschenden Tod „Corellis“ führen werden. Er war im April 2014 tot in seiner Wohnung gefunden worden, bevor er zu einer CD aussagen sollte, die er 2006 dem Verfassungsschutz übergeben hatte und die den Schriftzug „NSDAP/NSU“ trug.

Nach einem umfangreichen Gutachten des früheren Grünen-Abgeordneten Jerzy Montag im Auftrag des PKGr gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Todesfall auf Fremdverschulden zurückzuführen ist. Auch für nähere Kontakte „Corellis“ zum NSU fand Montag keine Belege. Im Auftrag des PKGr untersucht er jetzt bis zur Sommerpause die Vorgänge um die Handys und Sim-Karten, die erst vor kurzem „Corelli“ zugeordnet werden konnten.

Zschäpe in Marschners Textilgeschäft gesehen 

In der Sitzung des Ausschusses bestätigte der Zeuge Ralph Münch seine frühere Aussage bei der Polizei, dass er sich „zu 90 Prozent“ sicher sei, in der Zeit von 2005 bis 2007 Beate Zschäpe mehrfach im Zwickauer Textilgeschäft des Neonazis und früheren V-Manns Ralf Marschner gesehen zu haben. Ob sich das NSU-Mitglied dort als Aushilfe, Kundin oder Bekannte Marschners aufgehalten habe, wisse er aber nicht. Münch betrieb den Szene-Laden gemeinsam mit Marschner, den er nach eigener Aussage in einer Kneipe kennengelernt und der sich 2007 überstürzt in die Schweiz abgesetzt hat.

Münch berichtete dem Ausschuss, dass sein früherer Geschäftspartner damals „mit viel Geld verschwunden“ sei und ihn dadurch in den finanziellen Ruin getrieben habe. Erste Zweifel an der Seriosität Marschners seien ihm schon gekommen, als man 2005 mit 25.000 Euro ein gemeinsames Geschäftskonto habe eröffnen wollen, was aber von fünf Banken abgelehnt worden sei. Auf die Frage, ob er Marschner als Nazi bezeichnen würde, antwortete Münch mit einem knappen „Ja“. (rik/23.06.2016)

Liste der geladenen Zeugen

  • Ralph Münch
  • Arne Andreas Ernst
  • Isabella Kästner
  • Katrin Borowski
  • Sebastian Rauh