Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer erörtert
Das Schicksal der Tausenden Flüchtlinge, die in oft nicht wirklich seetauglichen Schiffen den Weg über das Mittelmeer wagen, um ihren Traum von einem besseren Leben in Europa zu verwirklichen, lässt niemanden kalt. Auch und gerade nicht die Abgeordneten des Bundestages. Wie aber künftig ein Massensterben auf hoher See verhindert werden soll, wurde bei der Debatte zu mehreren Oppositionsanträgen (Die Linke: 18/4838,18/8701; Bündnis 90/Die Grünen: 18/8244, 18/8875), die allesamt abgelehnt wurden (18/8918, 18/8905), am Freitag, 24. Juni 2016, unterschiedlich beurteilt.
„Mehr Möglichkeiten der legalen Einwanderung schaffen“
Aus Sicht der Oppositionsfraktionen müssen mehr Möglichkeiten der legalen Einwanderung nach Europa geschaffen werden. Die Familienzusammenführung müsse gestärkt und nicht abgebaut werden, forderte Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grünen). Transportunternehmen dürften nicht länger sanktioniert werden, wenn sie Flüchtlinge ohne gültige Visa nach Europa bringen, verlangte Ulla Jelpke (Die Linke).
Die Unionsfraktion setzt hingegen eher auf eine Bekämpfung der Schleuser, wie Barbara Woltmann (CDU/CSU) sagte. Deren Tun sei menschenverachtend, urteilte sie. Prof. Dr. Lars Castellucci (SPD) warnte davor, sich mit toten Kindern im Mittelmeer abzufinden. „Es darf nicht passieren, dass wir abstumpfen.“
Grüne: Für eine solidarische Verteilung in der EU streiten
Das Resettlement-Programm müsse ausgebaut und ein wirkliches Seenotrettungsprogramm aufgelegt werden, sagte Luise Amtsberg. Außerdem müssten europäische Erstaufnahmeeinrichtungen geschaffen werden, „keine Hotspots“. Dort sollten die Menschen nach ihren Zielstaatsvorstellungen gefragt werden und über ihre familiären Bindungen in andere europäische Länder berichten können, sagte die Grünen-Abgeordnete. Diesen Wünschen sollte versucht werden, Rechnung zu tragen.
„Wir müssen aber auf der anderen Seite auch für eine solidarische Verteilung innerhalb der EU streiten“, fügte sie hinzu. Kritik übte Amtsberg an dem Abkommen mit der Türkei. Das sei mitnichten eine Lösung, sondern schaffe nur neue Probleme.
CDU/CSU: Abkommen mit der Türkei zeigt Wirkung
Das sah Barbara Woltmann anders. „Das Abkommen mit der Türkei zeigt Wirkung“, sagte die Unionsabgeordnete. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex habe bestätigt, dass der Zuzug über das östliche Mittelmeer stark abgenommen habe. Priorität muss ihrer Ansicht nach die Bekämpfung der Schlepper- und Schleuserbanden haben, deren Gewinnmargen weltweit bei etwa sechs Milliarden Euro lägen. Dabei handle es sich um „organisierte Kriminalität mit mafiösen Strukturen“.
Woltmann räumte ein, dass man in der Frage, wie das Sterben von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer beendet werden soll, unterschiedlicher Ansicht sein kann. Mit Blick auf Maßnahmen von EU und Nato von einem Krieg gegen Flüchtlinge zu sprechen, wie es die Linksfraktion tue, sei aber „hochnotpeinlich“.
Linke: Bundesregierung ist mitschuldig
Ulla Jelpke blieb gleichwohl bei ihrer Auffassung. Wenn man mit militärischen Mitteln verhindern möchte, dass sich Flüchtlinge von der libyschen Küste aus auf den Weg nach Europa machen, wie es Außenminister Frank-Walter Steinmeier gesagt habe, sei das „Krieg und nichts anderes“, betonte die Linke-Abgeordnete. Den Koalitionspolitikern warf sie vor, angesichts der Toten im Mittelmeer Krokodilstränen zu weinen. „Ich sage hier in aller Deutlichkeit: Die Bundesregierung ist mitschuldig daran, weil sie sich weigert, sichere und legale Fluchtwege zu schaffen.“
Richtig wäre es doch, wenn Flüchtlinge mit dem Flugzeug kommen könnten, befand Jelpke. Dem stünden aber „drakonische Strafen“ für Fluggesellschaften entgegen, die sie zahlen müssten, wenn sie Schutzsuchende ohne gültige Visa befördern. Würde dies geändert werden, könnten Schleuser arbeitslos gemacht werden und es ließe sich verhindern, „dass es noch mehr Tote auf dem Mittelmeer gibt“.
SPD: Wir brauchen bessere Einwanderungsregeln
Ein Europa, das ein Massensterben an seinen Grenzen zulässt, ist sinnlos, sagte Lars Castellucci. Es sei nicht so, dass dagegen keine Maßnahmen ergriffen werden. Es gebe eine Militärmission, die auch den Auftrag der Seenotrettung habe. Frontex habe mehr Ressourcen erhalten und ebenfalls den Auftrag der Seenotrettung.
Außerdem gebe es das Abkommen mit der Türkei, „das in der Umsetzung immer noch eine Katastrophe ist“, aber dennoch einen Beitrag leisten könne, „den Schleppern das Handwerk zu legen“. Aber: „Es reicht nicht“, urteilte der SPD-Abgeordnete. Benötigt werde zum einen eine bessere Koordination der Rettungsmaßnahmen. „Vor allem aber brauchen wir bessere Einwanderungsregeln in Deutschland, aber auch in Europa“, forderte Castellucci. (hau/24.06.2016)