+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Europapolitik

Fischer: Whistleblower sind unverzichtbar

Axel E. Fischer (CDU/CSU)

Axel E. Fischer (CDU/CSU) (© DBT/Urban)

„Für demokratische Gesellschaften sind redliche Whistleblower mit ihren Informationen über Skandale und problematische Entwicklungen in Wirtschaft und Politik unverzichtbar“, betont Axel E. Fischer. Der CDU-Abgeordnete aus Karlsruhe plädiert für einen besseren Schutz derjenigen, die in Unternehmen und Behörden auf Missstände hinweisen (sogenannte Hinweisgeber oder Whistleblower), besonders vor „Vergeltungsmaßnahmen ihrer Arbeitgeber“. Über eine entsprechende Resolution debattiert die Parlamentarische Versammlung des Europarats bei ihrer Sommersession von Montag, 22. Juni, bis Freitag, 26. Juni 2015. Fischer leitet die Bundesdelegation in Straßburg. Das Interview im Wortlaut:


Herr Fischer, die Parlamentarische Versammlung will über eine Resolution des Rechtsausschusses abstimmen, der die 47 Europaratsnationen auffordert, Gesetze zu einem besseren Schutz von Whistleblowern zu erlassen. Ist dies notwendig?

Für demokratische Gesellschaften sind redliche Whistleblower mit ihren Informationen über Skandale und problematische Entwicklungen in Wirtschaft und Politik unverzichtbar. Ohne die mutigen Hinweisgeber in Behörden und Unternehmen wären wir in vielen Fällen erst mit Verspätung auf Rechtsbrüche und Missstände aufmerksam geworden. Nur mit Hilfe der Whistleblower können die Bürger an Insiderwissen über Gefahren für Staat und Gesellschaft gelangen, ich denke etwa an den NSA-Abhörskandal. Die Kontrolle der Geheimdienste obliegt der Justiz und parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, aber ohne Medienöffentlichkeit und Hinweisgeber geht es nicht. Viele Staaten wissen um den Nutzen eines ehrenhaften Whistleblowings und haben Schutzgesetze verabschiedet. Die Europaratsabgeordneten reihen sich in diesen Trend ein.

Wie sieht ein effektiver Schutz von Hinweisgebern aus?

Einerseits müssen die Chancen für Whistleblower verbessert werden, in Unternehmen und Behörden über unabhängige interne Kontrollgremien Missstände zu melden. Andererseits soll der Schutz der Hinweisgeber vor Vergeltungsmaßnahmen ihrer Arbeitgeber erhöht werden, indem klargestellt wird, wann im Fall einer unzureichenden Reaktion interner Beschwerdeinstanzen die Unterrichtung der Öffentlichkeit über Fehlentwicklungen vertretbar ist. In eine Leitlinie des Ministerkomitees des Europarats zum Schutz von Whistleblowern sind Vorschläge eingeflossen, die wir schon früher gemacht haben. Wir gehen davon aus, dass auch unsere neuen Forderungen von den Regierungen angemessen berücksichtigt werden.

Die Europaratsländer sollen Hinweisgebern, die in ihrer Heimat strafrechtlich bedroht sind, Asyl gewähren. Die Koalition und besonders die Union lehnen es indes ab, Edward Snowden in Deutschland Asyl einzuräumen. Führt die Straßburger Resolution zu einer Kursänderung?

Der Schlüssel liegt in den USA, von dort muss die Lösung kommen. Die US-Öffentlichkeit will Näheres über Snowdens Enthüllungen erfahren. Der Kongress, dem die Regierung viele Informationen Snowdens vorenthalten hatte, denkt bereits um. Unsere Versammlung fordert die USA auf, Snowden die Rückkehr ohne Angst vor Strafverfolgung zu erlauben. Nur so ist eine Aufarbeitung seiner Enthüllungen möglich.

In Straßburg soll über eine Verlängerung der gegen Moskau wegen des russisch-ukrainischen Konflikts verhängten Sanktionen entschieden werden, deren Kern der Stimmrechtsentzug für die Duma-Delegierten ist. Zudem wird den russischen Abgeordneten der Entzug der Akkreditierung und damit der Ausschluss aus dem Parlament angedroht, wenn der Kreml bis Januar 2016 nicht einlenkt. Erfolgreich sind die Sanktionen aber offenbar nicht.

Unsere Reaktion auf die rechtswidrige Annexion der Krim war ausgewogen, schließlich ist der Sanktionsbeschluss mit einem Dialogangebot verbunden. Leider schlug Moskau diese Gesprächsofferte aus und brach die Kontakte mit der Versammlung bis Jahresende ab. Zudem weigert sich der Kreml, mit der deutschen Berichterstatterin Marieluise Beck zu kooperieren, die untersuchen soll, welche Gefahren dem Rechtsstaat in Russland drohen.

Es könnten Forderungen laut werden, schon jetzt die Akkreditierung der Duma-Delegierten zu annullieren. Tritt Moskau ganz aus dem Europarat aus, wenn dies beschlossen werden sollte?

Sollte der Kreml dem Staatenbund als Ganzem den Rücken zukehren wollen, so fände er auch einen anderen Vorwand, etwa die vielen Verurteilungen durch den Menschenrechtsgerichtshof. Auch ist Russland im Ministerkomitee zusehends isoliert. Der Austritt aus dem Europarat wäre eine Bankrotterklärung von Staatschef Wladimir Putin, der damit seinem Land ein auf den universellen Menschenrechten basierendes Gesellschaftsmodell verweigern würde. Das werden die Bürger nicht hinnehmen.

Das EU-Parlament verweigert neuerdings russischen Diplomaten den Zutritt, und jetzt bringen die Europaratsabgeordneten den Ausschluss der Duma-Delegation ins Spiel. Finden unter der Hand Absprachen statt?

Ich würde es anders ausdrücken: Überall herrscht die Überzeugung, auf das Verhalten Moskaus reagieren zu müssen. Jede Institution tut dies mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Unsere Versammlung hat auf die Verstöße gegen die Regeln des Europarats mit Sanktionen gegen die Duma geantwortet. Das Parlament der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hingegen verzichtet wegen der geopolitischen Rolle dieser Organisation auf Strafmaßnahmen. 

(kos/18.06.2015)