Bundestag stimmt Steuerabkommen mit Schweiz zu
Gegen den erbitterten Widerstand der drei Oppositionsfraktionen hat der Bundestag am Donnerstag, 25. Oktober 2012, dem Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz zugestimmt. In einer namentlichen Abstimmung stimmten 312 Abgeordnete für das von der Bundesregierung als Gesetzentwurf vorgelegte Abkommen mit der Schweiz über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt in der Fassung vom 5. April 2012 (17/10059, 17/11093, 18/11096). 256 Abgeordnete stimmten dagegen, ein Abgeordneter enthielt sich.
SPD: Mehr Nachteile als Vorteile für Steuerzahler
Der Finanzexperte der SPD-Fraktion, Joachim Poß, warf Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) vor, er mache sich „zum Komplizen einer fragwürdigen Weißgeldstrategie der Schweiz und der Schweizer Banken“. Dieses Abkommen, nach dessen erster Paraphierung in der Schweiz die Champagnerkorken geknallt hätten, müsse aus Gründen der Steuergerechtigkeit abgelehnt werden. „Es bringt für den deutschen Rechtsstaat und die ehrlichen deutschen Steuerzahler mehr Nachteile als Vorteile.“
Das Abkommen behindere den Kampf gegen Steueroasen, und unversteuerte Gelder könnten auch in Zukunft unentdeckt ihn die Schweiz fließen. Dort könnten Steuerhinterzieher das Geld in Schließfächern und über Stiftungen in Sicherheit auch in Zukunft der Besteuerung entziehen. Martin Gerster (SPD) sagte, die Konfliktlinien würden gar nicht zwischen Deutschland und der Schweiz verlaufen, sondern zwischen dem ehrlichen Bürger einerseits und Steuerhinterziehern andererseits.
Linke: Geschenk für Steuerbetrüger
„Das ist ein Ablasshandel“, kritisierte Dr. Barbara Höll (Die Linke) das Abkommen. „Ihr Vorschlag ist ein Geschenk für Steuerbetrüger, für die Schweizer Finanzindustrie und eine Einladung für organisierte Steuerkriminalität“, sagte Höll, die einen automatischen Informationsaustausch mit der Schweiz verlangte. Das sei ein effektives Mittel, Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Mit diesem Abkommen werde aber auch der Kampf um diesen Informationsaustausch erschwert: „Das ist ein großer Skandal.“ Wenn Deutschland klein beigebe, habe kein anderes Land in der EU mehr eine Chance, mit der Schweiz einen automatischen Informationsaustausch zu vereinbaren.
Grüne: Abkommen geht in die falsche Richtung
Ähnlich argumentierte Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen): „Dieses Abkommen geht sowohl, was den Umgang mit der Vergangenheit betrifft, als auch was den Weg in die Zukunft betrifft, in die falsche Richtung.“ Für die Vergangenheit ermögliche es eine Amnestie ohne Aufdeckung: Damit werde ein „Mantel des Schweigens“ über Steuerhinterziehung und auch damit verbundene Straftaten gelegt. Und mit der Abgeltungsteuer werde für die Zukunft „etwas festgelegt, was schon in Deutschland ungerecht ist“. Es sei doch ungerecht, Kapitalerträge insbesondere von Menschen mit sehr hohem Einkommen mit einem niedrigeren Satz zu besteuern als Arbeitserträge.
Schäuble: Warnung vor einem Scheitern im Bundesrat
Dagegen verteidigten die Redner der Koalition das Abkommen. Finanzminister Schäuble meinte, natürlich könne man verschiedener Meinung über das System der Abgeltungsteuer sein. Mit dem Abkommen werde sichergestellt, „dass Kapitalanlagen von deutschen Steuerpflichtigen in der Schweiz genauso steuerlich behandelt werden, als wenn sie in Deutschland angelegt sind. Anderes kann man nicht machen.“
Anderslautende Behauptungen seien unsinnig. Mit der Steuererhebung würden die Schweizer Banken nichts anderes machen als deutsche Banken. Schäuble warnte die Opposition davor, das Abkommen im Bundesrat scheitern zu lassen. Dann werde man auch in Zukunft auf Zufallsfunde angewiesen sein.
CDU/CSU: CD-Ankäufe können kein Zukunftsmodell sein
Olav Gutting (CDU/CSU) wies darauf hin, dass man es nicht mit einem im luftleeren Raum entstandenen Abkommen zu tun habe, sondern es sei von zwei souveränen Staaten ausgehandelt worden. Da gebe es Kompromisse. „Es ist eben nicht so, dass wir uns das in der Regierungskoalition ausgedacht haben.“
Die Besteuerung werde künftig in Deutschland und der Schweiz gleichmäßig mit der auch in Deutschland üblichen anonymen Quellenbesteuerung durchgeführt. „Ich kann nicht erkennen, dass das, was in Deutschland rechtmäßig ist, in der Schweiz unrechtmäßig sein soll“, sagte Gutting. Ankäufe von CDs könnten kein Zukunftsmodell sein.
FDP: Eine Lösung für die Zukunft
Dr. Volker Wissing (FDP) lobte das Abkommen, weil es die Altfälle löse und eine Lösung für die Zukunft schaffe. Die von der SPD genannte Alternative eines rückwirkenden Informationsaustauschs verstoße gegen die Verfassung. Gesetze dürften nicht für die Vergangenheit rückwirkend geändert werden. Wissing verurteilte auch das Aufkaufen von Daten-CDs: „Für einen Rechtsstaat ist es unwürdig, den eigenen Steueranspruch nur durchsetzen zu können, indem man mit Kriminellen in anderen Staaten kooperiert.“
Das Abkommen sieht vor, dass Kapitalerträge deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz in Zukunft wie in Deutschland besteuert werden. Dafür sollen die Schweizer Zahlstellen eine der deutschen Abgeltungsteuer (derzeit 25 Prozent) und dem deutschen Solidaritätszuschlag (5,5 Prozent der Abgeltungsteuer) entsprechende Quellensteuer erheben. Es werde darüber hinaus sichergestellt, dass unversteuerte Kapitalanlagen deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz in Zukunft „einem nicht kalkulierbaren Entdeckungsrisiko“ unterliegen.
Nachversteuerung erfolgt pauschal und anonym
Erbschaften werden von dem Abkommen ebenfalls erfasst. Auf nach dem Inkrafttreten des Gesetzes anfallende Erbschaften soll eine Steuer von 50 Prozent erhoben werden. Auch sei für die Vergangenheit ein Verfahren zur Nachversteuerung bisher unentdeckter unversteuerter Vermögenswerte in der Schweiz „auf Basis realistischer Annahmen in einem pauschalierenden massentauglichen Verfahren“ vereinbart worden.
Für die Nachversteuerung wird das am 31. Dezember 2010 auf schweizerischen Konten oder Depots vorhandene Kapital zugrundegelegt. Die Nachversteuerung wird von schweizerischen Behörden vorgenommen. Sie erfolgt pauschal und anonym durch eine Einmalzahlung. Zwei Entschließungsanträge der SPD-Fraktion (17/11152) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/11153) wurden mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt. (hle/25.10.2012)