Parlament hebt Verdienstgrenzen für Minijobs an
Minijobber dürfen künftig mehr verdienen. Das hat das Bundestagsplenum am Donnerstag, 25. Oktober 2012, entschieden, indem es einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung (17/10773) verabschiedet hat. Damit wird die Arbeitsentgeltgrenze bei Minijobs zum 1. Januar 2013 von 400 auf 450 Euro angehoben. Ebenfalls angehoben wird die Verdienstgrenze für das monatliche Gleitzonenentgelt bei sogenannten Midijobs auf 850 Euro.
Die bisherige Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Möglichkeit der vollen Versicherungspflicht für geringfügig entlohnte Beschäftigte wird zugleich in eine Rentenversicherungspflicht mit Befreiungsmöglichkeit umgewandelt.
FDP: Minijobs sind Teil des erfolgreichen Arbeitsmarkts
In der Plenardebatte warb der Abgeordnete Johannes Vogel (FDP) um Zustimmung: „Minijobs sind ein Teil des erfolgreichen deutschen Arbeitsmarkts, der von vielen Menschen gebraucht wird.“ Er gebe Menschen in „ganz unterschiedlichen Lebenssituationen“ die Möglichkeit, sich etwas dazu zu verdienen. Als Beispiel führte er einen Feuerwehrmann an, der sich am Wochenende im Catering etwas dazu verdient.
Durch die Erhöhung der Lohnobergrenzen für die Minijobber werde nun die Möglichkeit geschaffen, die Inflation auszugleichen. Außerdem, betonte Vogel, wolle ein Großteil der Minijobber nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, das hätten Umfragen ergeben.
SPD: Für Frauen sind Minijobs eine Sackgasse
Annette Kramme (SPD) widersprach der Argumentation und nahm insbesondere zu den möglichen Nachteilen für Frauen in geringfügiger Beschäftigung Stellung. Für sie seien Minijobs „eine biografische Sackgasse“. Der Stundenlohn sei wesentlich geringer als bei einer regulären sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit, es gebe „Diskriminierung bei bezahltem Urlaub und Mutterschutz.“
Außerdem hätten viele Frauen nach der Babypause „gar keine andere Chance, als einen Minijob zu bekommen“. Diese Faktoren würde das neue Gesetz nicht berücksichtigen, sagte Kramme weiter. Es sei lediglich eine Ausweitung der Minijobs „und damit eine Verfestigung dieser katastrophalen Beschäftigung“.
CDU/CSU: Damit tun wir vielen Menschen einen Gefallen
Der Koalitionspolitiker Karl Schiewerling (CDU/CSU) betonte wie sein Koalitionskollege Johannes Vogel den Inflationsausgleich, der ein Ausgleich zu den in den letzten Jahren gestiegenen Reallöhnen sei.
Darüber hinaus lobte Schiewerling die Neuerung, dass die Minijobber von Anfang an rentenversicherungspflichtig sein werden, anstatt dies wie bisher ausdrücklich erklären zu müssen: „Ich halte das für einen sehr wichtigen Schritt in der Sozialpolitik und ich glaube, dass wir damit vielen Menschen in diesem Land einen Gefallen tun“, erklärte der CDU-Abgeordnete. „Und ich hoffe sehr, dass viele Menschen die Chancen, die damit verbunden sind, erkennen und nutzen.“
Grüne: Lebenslange ökonomische Abhängigkeit
Brigitte Pothmer (Bündnis 90/Die Grünen) lehnte wie alle Redner der Oppositionsfraktionen den Gesetzentwurf ab: Die Ausweitung der Minijobs sei falsch und habe „als Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung versagt“. Die geringfügige Beschäftigung sorge darüber hinaus bei Frauen für „lebenslange ökonomische Abhängigkeit“, entweder von ihren Ehemännern oder von staatlichen Transferleistungen, sagte Pothmer weiter.
Auch aus arbeitsmarktpolitischer Sicht sei die Ausweitung der Minijobs „ein kapitaler Fehler“, denn es handele sich schlichtweg um eine Ausweitung des Niedriglohnsektors. Mit dem neuen Gesetz werde „die Spaltung auf dem Arbeitsmarkt“ weiter vorangetrieben. Außerdem sei sie „kontraproduktiv bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels“. Außerdem würden Minijobs Frauen „am Arbeitsmarkt klein halten“, ihr Potenzial verkümmere.
Linke: Minijobs sind organisiertes Lohndumping
Diana Golze (Die Linke) erklärte, die Gesetzesinitiative zur „falschen Medizin“: nicht die Gehälter der Minijobber würden steigen, sondern die Zahl der Minijobber. Das sei eine Fehlentwicklung. „Minijobs sind organisiertes Lohndumping, denn sie werden fast immer unterhalb der Niedriglohnschwelle entlohnt“, sagte Golze weiter. Mehr als 80 Prozent der geringfügig Beschäftigen seien davon betroffen, sagte Golze und bezog sich dabei auf Angaben des Statistischen Bundesamtes.
Zudem seien bereits 20 Prozent aller Arbeitnehmer Minijobber. „Das sollte doch großer Anlass zur Sorge sein über den Verfall der regulären Strukturen am Arbeitsmarkt“, argumentierte sie. „Hier hat sich ein subventionierter Parallelarbeitsmarkt gebildet, der dringend abgeschafft werden muss.“
Namentliche Abstimmung
Der Gesetzentwurf wurde in zweiter Lesung angenommen. In dritter Lesung fand auf Wunsch der SPD-Fraktion eine namentliche Abstimmung statt: 583 Stimmen wurden abgegeben; 315 davon waren für, 268 gegen den Entwurf. Enthaltungen gab es keine. Damit folgten die Abgeordneten mehrheitlich der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (17/11174).
Dagegen wurde ein Antrag der Linksfraktion (17/7386) bei Enthaltung von SPD und Grünen abgelehnt, demzufolge abhängige Beschäftigung ab dem ersten Euro Entgelt der Sozialversicherungspflicht unterliegen und ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden sollte. (ver/25.10.2012)