75. Sitzung - Öffentliche Anhörung zu dem Antrag der Fraktion der FDP „Smart Germany – Games – Treiber für Innovation und Kreativität“
Zeit:
Mittwoch, 19. Mai 2021,
15.30
bis 17 Uhr
Ort: Berlin, Jakob-Kaiser-Haus, Sitzungssaal 1.228
Vertreter der Computerspielbranche und der Wissenschaft wünschen sich eine stärkere Förderung von sogenannten Computerspielen als Kulturgut. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien unter Vorsitz von Katrin Budde (SPD) am Mittwoch, 19. Mai 2021, unterstützten sie prinzipiell einen Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Smart Germany – Games – Treiber für Innovation und Kreativität“ (19/14059), die sich für eine solche Förderung durch den Bund ausspricht.
„Förderung auf Diversität und Barrierefreiheit konzentrieren“
Prof. Dr. Judith Ackermann, Forschungsprofessorin für Digitale und vernetzte Medien in der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Potsdam, bezeichnete den FDP-Antrag als „unterstützenswert“. Allerdings betone der Antrag sehr stark den wirtschaftlichen Aspekt der Computerspielbranche. Computerspiele müssten als gleichberechtigtes Medium neben anderen zur Verhandlung künstlerischer, unterhaltender und ernsthafter Themen betrachtet werden. Eine Förderung durch den Bund sollte sich auf die Bereiche Diversität und Barrierefreiheit konzentrieren.
In diesem Sinne argumentierte auch Prof. Dr. Stefan Aufenanger, Seniorprofessor für Erziehungswissenschaft und Medienpädagogik an der Universität Mainz. Er plädierte zudem dafür, dass bei der Entwicklung von Computerspielen verstärkt Kinder und Senioren in den Blick zu nehmen, da sich die Branche noch sehr stark auf Jugendliche als Zielgruppe konzentriere. Er verwies darauf, dass sogenannte „serious games“, also pädagogisch ausgerichtete Computerspiele Lernende motivieren und zu einer engagierten Form der Auseinandersetzung mit dem zu vermittelten Wissensstoff anregen können. Dies müsse auch verstärkt in die Lehrerausbildung einfließen.
„Wichtiger Beitrag der Spiele in der Erinnerungskultur“
Auch Çiğdem Uzunoğlu, Geschäftsführerin der Stiftung Digitale Spielekultur, argumentierte, dass Computerspielen bei der Vermittlung gesellschaftlicher und kultureller Themen eine Schlüsselrolle zukomme. Angesichts des Verschwindens der letzten Zeitzeugen könnten Spiele auch in der Erinnerungskultur einen wichtigen und neuen Beitrag leisten, die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit wachzuhalten.
Felix Falk vom Verband der deutschen Games-Branche verwies auf die große gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Relevanz von Computerspielen. Insgesamt verzeichne die Branche einen Boom, allerdings stagniere der Umsatzanteil der deutschen Games-Entwicklungen bei unter fünf Prozent. Deutschland hinke im Vergleich zu Ländern wie Kanada, Großbritannien oder Frankreich, die schon lange umfangreiche und erfolgreiche Fördersysteme für die Computerspielbranche aufgebaut hätten, hinterher.
Fachkräftemangel in der Spielebranche
Linda Kruse, Mitbegründerin des Computerspiel-Studios „The good Evil“, wies auf den Fachkräftemangel in der Branche hin. Deren Mitarbeiter seien meist gefragte Spezialisten, die Spitzentechnologie und Kreativität verbinden.
Sie würden auch von anderen Wirtschaftszweigen wie etwa der Automobilindustrie abgeworben. Dem Mangel an Fachkräften müsse durch eine gezielte Ausbildung, aber auch durch Zuwanderung begegnet werden.
Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/14059) die Bundesregierung auf, eine nachhaltige Förderung von Spielen für Computer, Konsolen, Tablets und Handys auf Bundesebene einzurichten. Sie setzt sich unter anderem dafür ein, dass die bestehende Förderung von Filmproduktionen geöffnet und dafür 110 Millionen Euro im Bundeshaushalt jährlich zur Verfügung gestellt werden. Zudem sollen der Deutsche Computerspielpreis zu einer Spitzenauszeichnung mit „internationalem Leuchtturmcharakter“ ausgebaut, die zwingende Beteiligung der Gameswirtschaft an der Finanzierung der Preisgelder aufgehoben und der sogenannte „eSport“ als Sportart anerkannt werden.
Nach dem Willen der FDP-Fraktion soll der digitale Breitbandausbau vorangetrieben werden, um Games-Entwickler und Spieler mit Gigabit-Netzen zu versorgen, und es soll ein europaweit einheitlicher digitaler Binnenmarkt errichtet werden. Deutschland sei eine „Gamingnation“, argumentieren die Antragsteller. Der Umsatz der deutschen Games-Branche sei weiter angestiegen, im Jahr 2018 seien 4,4 Milliarden Euro mit Spielen und Spielekonsolen erwirtschaftet worden.
Die Liberalen sprechen sich in ihrem Antrag dagegen aus, die Gamingszene unter den Generalverdacht zu stellen, Nährboden für extremistisches Gedankengut zu sein. Vielmehr müsse der Jugendschutz und der Jugendmedienschutz besser miteinander verzahnt und eine Regulierung gefunden werden, die sich nicht am Medium, sondern am zu beurteilenden Inhalt orientiert. Zudem müsse die Vermittlung von Medienkompetenz in allen Altersklassen und Bildungseinrichtungen verbessert werden. (aw/19.05.2021)