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Ausschüsse

Öffentliche Anhörung zum Erneuerbare-Energien-Gesetz

Zeit: Mittwoch, 18. November 2020, 9 Uhr bis 11 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900

Viel Kritik neben etwas Lob haben Sachverständige an der geplanten Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes geübt. Mehrere sahen sie als unzureichend an, um die Klimaschutzziele Deutschlands und der EU zu erreichen, einer stellte diese Ziele aber auch grundsätzlich infrage. Die Experten waren zu einer Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie unter Leitung von Klaus Ernst (Die Linke) am Mittwoch, 18. November 2020, geladen. Dabei ging es neben dem Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und weiterer energierechtlicher Vorschriften (19/23482, 19/24234) auch um einen Gesetzentwurf der AfD-Fraktion (19/23714) und einen Antrag der Linken (19/23933).

Gesetzentwürfe der Regierung und der AfD

Die Bundesregierung hat eine durchgreifende Novelle des EEG vorgelegt, die das EEG von 2017 ersetzen und zum 1. Januar 2021 in Kraft treten soll. Darin hält die Bundesregierung am Ziel fest, dass es in Deutschland 2050 nur noch treibhausgasneutralen Strom geben soll. Das EEG will zudem die Weichen für das 65-Prozent-Ziel 2030 stellen. Mit verschiedenen Maßnahmen sollen zugleich die Förderkosten für erneuerbare Energien gesenkt werden.

Der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion sieht dagegen vor, dass es ab 2021 keine Förderung nach dem EEG mehr gibt. Der Antrag der Linksfraktion fordert eine klimaneutrale Stromerzeugung bereits 2035, ein 80-Prozent-Ziel 2030 und eine dauerhafte Senkung der EEG-Umlage.

„Gesetz in der Komplexitätsfalle“

Mehrere Sachverständige kritisierten die Komplexität schon das bestehende EEG, das selbst von Fachleuten kaum mehr zu überblicken sei. Die Neufassung mache es eher noch schlimmer. Von einer „Kompexitätsfalle“, in die der Gesetzgeber geraten sei, sprach Dr. Sebastian Bolay vom Deutschen Industrie-und Handelskammertag (DIHK). Dies mache erneuerbare Energien teurer als nötig und bremse ihren notwendigen Ausbau.

Als Beispiel nannte er den Bau von Fotovoltaik-Anlagen auf Dächern. Die Bagatellgrenze, oberhalb derer eine Ausschreibung vorgeschrieben ist, werde im Gesetzentwurf gesenkt. Dies werde Viele vom Bau abhalten oder dafür sorgen, dass die Anlage kleiner dimensioniert wird als möglich, um unter der Grenze zu bleiben. Zudem würden gemischte Geschäftsmodelle, die Eigenversorgung und Stromverkauf kombinieren, mit der Novelle noch weiter erschwert.

„Solarstromerzeugung wird ausgebremst“

In dieselbe Kerbe hieb Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft. Auf Anfrage seines Verbandes habe der Handelsverband Deutschland, dessen Mitglieder rund 400.000 Betriebsstätten hätten, mitgeteilt: „Unter den neuen Umständen werden wir größtenteils die Hände davon lassen.“

Neben der Ausschreibungsregelung seien auch die neuen Regelungen für den Eigenverbrauch ein Grund dafür. Mit ihnen würde die Nutzung von auf dem eigenen Dach erzeugtem Solarstrom teurer. Der bisherige Wachstumstreiber, nämlich die Solarstromerzeugung auf dem Dach, werde damit ausgebremst.

„Ersatz von Windkraftanlagen erleichtern“

Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen plädierte dafür, das Repowering zu erleichtern, also den Ersatz einer bestehenden Windkraftanlage durch eine neue, leistungsfähigere. Bisher ist dafür eine aufwendige Neugenehmigung erforderlich. Stattdessen solle künftig eine Änderungsgenehmigung ausreichend sein. Dies würde Ausbauhindernisse beseitigen.

Liebing lobte die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, dass Kommunen eine Abgabe von den Betreibern verlangen können, wenn sie auf ihrem Gebiet Windkraftanlagen genehmigen. Dies könne die Akzeptanz solcher Anlagen in der Bevölkerung erhöhen.

„Windenergieabgabe verpflichtend machen“

Allerdings warnte Dr. Patrick Graichen, Direktor der Denkfabrik Agora Energiewende, vor einer Gefahr in der vorgesehenen Regelung. Kommunalpolitiker könnten beim Aushandeln einer solchen Vergütung in den strafrechtlichen Verdacht der Vorteilsnahme geraten. Er plädierte deshalb für eine Formulierung, die diese Gefahr ausschließt. Am besten sei, eine Windenergieabgabe verpflichtend zu machen.

Wie auch mehrere andere Sachverständige plädierte Graichen für wesentlich höhere Ausbauziele der erneuerbaren Stromerzeugung als im Gesetzentwurf. Die Klimawende laufe zum großen Teil über die Elektrifizierung, etwa im Straßenverkehr. Deshalb werde man 2030 mehr Strom brauchen. Durch die angestrebten höheren Klimaziele der EU werde zudem ein beschleunigter Ausbau noch dringlicher.

„Große Nachfrage nach Grünstrom“

Peter Reitz von der europäischen Strombörse European Energy Exchange AG verwies darauf, dass es eine große Nachfrage nach Grünstrom, also klimaneutral erzeugtem Strom, in Deutschland gebe. Unternehmen, die aus grundsätzlichen oder Image-Erwägungen klimaneutral produzieren wollten, kauften sich heute beispielsweise Zertifikate für norwegische Wasserkraft, weil das Angebot in Deutschland nicht ausreiche. Ein Grund sei das Doppelvermarktungsverbot im EEG, das auch in der Novelle beibehalten werde.

Der Markt für Herkunftsnachweise müsse aber gestärkt werden, ebenso wie die Möglichkeit langfristiger Lieferverträge. Schon seien viele Erzeuger erneuerbarer Energie am Markt konkurrenzfähig, sie würden aber behindert, monierte Reitz. Die Ansätze für mehr Marktintegration im EEG begrüße er, sie gingen aber nicht weit genug.

„Entwurf bleibt weit hinter notwendigen Änderungen zurück“

Sandra Rostek vom Hauptstadtbüro Bioenergie, das die Erzeuger von Strom und Wärme aus Biomasse repräsentiert, begrüßte zwar, dass die Bundesregierung die Systemrelevanz der Biomasse erkenne. Ihr Entwurf bleibe aber weit hinter den notwendigen Änderungen zurück. So könne Bioenergie den ihr im Klimaschutzprogramm 2030 zugedachten Beitrag nicht leisten.

Strom aus Biomasse sei „gesicherte, steuerbare und speicherbare Energie“ und daher besonders geeignet, Schwankungen bei Wind- und Sonnenstrom auszugleichen. Die in der Novelle vorgesehenen Bedingungen für Ausschreibungen bedrohten aber ihren Ausbau. Vorschriften zur Bemessungsleistung behinderten zudem die Nutzung der Güllevergärung, die aber besonders klimafreundlich sei, da mit ihr die Methanemission auf Feldern vermieden werde.

„Mehrere Regelungen unvereinbar mit EU-Richtlinie“

Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht bemängelte insbesondere die Unvereinbarkeit mehrerer Regelungen im Gesetzentwurf mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der Europäischen Union, die am 30. Juni 2021 wirksam werde. So schaffe diese Richtlinie ein grundsätzliches Recht auf Eigenversorgung, während sie in der Novelle mit zahlreichen Klauseln versehen sei.

Auch bei den Ausschreibungsmengen habe die EU ganz andere Ziele. Für Investoren sei aber Planungssicherheit zentral. Deshalb plädierte Müller für eine umfassende Angleichung des Gesetzentwurfs an das europäische Recht.

„Fotovoltaik hat Potenzial“

Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft verwies darauf, dass alle Fachverbände von einem wesentlich höhere Strombedarf in der Zukunft ausgingen als die Bundesregierung. Potenzial sieht sie vor allem in der Fotovoltaik, die in der Bevölkerung anders als Windkraftwerke viel Zustimmung finde.

Unter anderem kritisierte sie, dass bereits ab einer Leistung von einem Kilowatt teure, intelligente Messanlagen vorgeschrieben werden sollen. Sie plädierte dafür, die ohnehin im Messtellen-Betriebsgesetz vorgesehene Grenze von sieben Kilowatt in das EEG zu übernehmen. Zudem forderte sie, Stromüberschüsse, die zur Erzeugung von grünem Wasserstoff eingesetzt werden, von der EEG-Umlage zu befreien.

„Gemeinden finanziell besser beteiligen“

Die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die in der Anhörung durch Timm Fuchs vertreten war, forderte eine bessere finanzielle Beteiligung der Gemeinden an der Windstromerzeugung an Land.

Zudem bemängelte sie viel zu enge Regelungen für die Eigennutzung von Solarstrom. Diese werde beispielsweise durch die Pflicht zur Abführung einer anteiligen EEG-Umlage und durch zu enge räumliche Begrenzung, was als Eigennutzung gilt, erschwert.

„Erneuerbare Energien ineffizient und teuer“

Eine gänzlich andere Position als die anderen Sachverständigen vertrat Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Erneuerbare Energien seien ineffizient und teuer, ihr Ausbau schade damit dem Standort Deutschland und sei zudem für das Weltklima irrelevant, da Länder wie China und Indien gleichzeitig immer mehr Kohle verfeuerten.

Lüdecke forderte eine völlige Abschaffung des EEG. Anlagen, die wettbewerbsfähig seien, würden sich auch ohne Förderung durchsetzen. Ansonsten plädierte Lüdecke für den Weiterbetrieb moderner Kohlekraftwerke mit hochwertigen Filteranlagen sowie die Erforschung und Erprobung neuer Techniken der Kernenergie, die keinen nuklearen Abfall mehr erzeugten. Lüdecke unterstützte als einziger Sachverständiger den Gesetzentwurf der AfD, die anderen äußerten sich in der Anhörung nicht dazu.

Bundesrat zeigt sich enttäuscht

Der Bundesrat zeigt sich in seiner Stellungnahme (19/24234) enttäuscht von der Novelle. Man hätte noch deutlicher die Weichen für die notwendige stärkere Marktintegration und eine gerechtere Finanzierung der erneuerbaren Energie stellen können, erklärt das Gremium. Außerdem hätte „mit einer Abkehr von der inzwischen überkomplexen Umlagefinanzierung des EEG“ ein signifikanter Beitrag zur Entbürokratisierung geleistet werden können. „Bedauernswerterweise beschränkt sich der Gesetzentwurf auf eine Vielzahl von Einzelregelungen, die zwar in Teilen – im Hinblick auf das bestehende System – begrüßt werden können, findet dabei aber leider keine hinreichenden Antworten auf die grundsätzliche Frage, wie das Förderregime hin zu mehr Verteilungsgerechtigkeit, Marktintegration und Systemverantwortung für erneuerbare Energien weiterentwickelt werden kann“, bilanziert der Bundesrat.

Er schlägt zahlreiche Änderungen vor, unter anderem Verbesserungen bezüglich des Mieterstroms. So solle das Modell auf Quartiere ausgeweitet werden können und auch für Gewerbe anwendbar sein.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Die Bundesregierung erklärt in ihrer Gegenäußerung, das Engagement des Bundesrats für einen „beschleunigten und kraftvollen Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland“ zu begrüßen. Der Gesetzentwurf zum „EEG 2021“ verweise indes darauf, dass die Bundesregierung gegebenenfalls die Ausbauziele für die einzelnen Technologien anpassen wird. Viele konkrete Empfehlungen des Bundesrats lehnt die Bundesregierung gleichwohl ab. „An vielen Stellen schlagen die Länder höhere Vergütungen für erneuerbare Energien vor, die aus Sicht der Bundesregierung nicht erforderlich sind, um den gewünschten Zubau zu erreichen“, heißt es beispielsweise dazu. Letztlich käme es aus Sicht der Bundesregierung zu einer höheren Belastung des Bundeshaushalts oder mittelfristig zu einer höheren EEG-Belastung der Stromverbraucher.

Zu den Mieterstrom-Vorschlägen erklärt die Bundesregierung, sie denke nicht über eine Erweiterung auf die Quartiersebene nach.

Antrag der Linken

Die Linksfraktion fordert eine Anhebung der Ökostrom-Ausbauziele. In ihrem Antrag (19/23933) plädieren die Abgeordneten für eine Komplettumstellung der Stromerzeugung in Deutschland auf Ökostrom bis zum Jahre 2035. Das Gesamtausbauziel bis 2030 müsse auf einen Anteil von mindestens 80 Prozent erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch angehoben, die Ziele an installierter Anlagenleistung müssten entsprechend angepasst werden. Die Ziele sollen in einem „Erneuerbare-Energien-Gesetz 2021“ (EEG 2021) festgehalten werden, so die Abgeordneten weiter.

Gleichzeitig schlagen sie vor, die EEG-Umlage auf dauerhaft zwei Cent pro Kilowattstunde abzusenken. Dies könne erreicht werden, indem ein Teil der Entgelt-Zahlungen an die Ökostrombetreiber nicht mehr aus dem EEG-Konto erfolgt, sondern aus dem Bundeshaushalt. Außerdem würden die „EEG-Industrieprivilegien“ auf ein für die Wettbewerbsfähigkeit notwendiges Maß abgesenkt; auch sie würden aus dem Bundeshaushalt finanziert. (pst/pez/18.11.2020)

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