Trans- und Intersexualität „entdramatisieren“
Junge oder Mädchen? Inter- oder transsexuelle Kinder haben ein Recht auf selbstbestimmte Geschlechtsidentität und sollen selbst über ihren Körper entscheiden können - so die einhellige Meinung der Experten und Mitglieder in der öffentlichen Sitzung der Kinderkommission (Kiko) unter Vorsitz von Susann Rüthrich (SPD) am Mittwoch, 18. März 2015. Im Alltag seien die Kinder und Jugendlichen jedoch oft mit besonderen Herausforderungen und Problemen konfrontiert.
„Eltern durch Aufklärung und Akzeptanz stärken“
Trans- und Intersexualität müsse in Deutschland „entdramatisiert“ werden, monierte Mari Günther von der „Inter* und Trans* Beratung QUEER LEBEN“. Die Angst vor gesellschaftlicher Ächtung und Unwissenheit der Eltern führten manchmal zu einer vorschnellen Entscheidung, medizinische Eingriffe wie Kastration zu erlauben.
Chirurgen und Eltern entschieden im Säuglingsalter über das Geschlecht des Kindes und infolgedessen über seine Zukunft, erklärte der Kinder- und Jugendarzt Dr. Jörg Woweries. „Kinder können sich ihre Eltern nicht aussuchen, umgekehrt sollte das genauso sein“, ergänzte Günther. Die Eltern müssten durch kompetente Aufklärung und Akzeptanz in der Gesellschaft gestärkt werden.
Medizinische Eingriffe bergen hohe Risiken
Die Risiken seien bei den irreversiblen, kosmetischen Eingriffen eklatant hoch. 60 bis 70 Prozent der Betroffenen, machte Woweries den Kommissionsmitgliedern deutlich, klagten über dauerhafte Schmerzen während des Geschlechtsverkehrs.
Empfehlungen an die Ärzte, keine medizinischen Eingriffe bei intersexuellen Kindern vorzunehmen, zeigten oft keine Wirkung, so Woweries: „Wenn die Eltern es wollen, machen wir es auch.“ Er forderte Sanktionen gegen praktizierende Ärzte und gesetzlich vorgeschriebene Aufklärung der betroffenen Eltern und Kinder durch eine unabhängige Beratung sachkundiger Psychologen.
Eltern brauchen kompetente Unterstützung
Neben den gesetzlichen Grundlagen fehle es den Eltern häufig an kompetenter Unterstützung und Akzeptanz, erklärte Mari Günther. Dies könne schon durch eine nichtpathologische Sprache der Ärzte nach der Geburt gewährleistet werden. Anstatt „ihr Kind hat...“, müsse der Arzt den Eltern zu ihrem gesunden Baby gratulieren. Die „simple Angst vor dem Unausprechlichen“ könne den Eltern dadurch genommen werden.
Für die trans- und intersexuellen Kinder wäre die Unterstützung eine Art Akzeptanz und Anerkennung in ihrem „So sein“, ergänzte Kati Wiedner von Trans-Kinder-Netz, einem eingetragenen Verein aus Berlin. Im Alltag seien viele Trans-Kinder mit Anzweiflungen konfrontiert, ob sie in dem jungen Alter schon transsexuell sein können. Richter, die eine Vornamens- oder Personenstandsänderung verweigern, seien keine Seltenheit, so Wiedner. Sie forderte die Abschaffung des Transsexuellengesetzes und vermehrte Aufklärung über Trans-Kinder. (abb/18.03.2015)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Mari Günther, Inter* und Trans* Beratung QUEER LEBEN, Berlin
- Kati Wiedner, Trans-Kinder-Netz e.V., Berlin
- Dr. Jörg Woweries, Kinder- und Jugendarzt