Wehretat soll um 1,16 Milliarden Euro steigen
Deutschlands Verteidigungsausgaben sollen im kommenden Jahr auf 46,81 Milliarden Euro steigen. Dies sieht der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2021 (19/22600, Einzelplan 14) vor, über den der Bundestag am Mittwoch, 30. September 2020, in erste Lesung beriet. Die Vorlage soll nach den bis Freitag, 2. Oktober 2020, andauernden Beratungen sämtlicher Einzelpläne des Bundes an den Haushaltsausschuss überwiesen werden.
Damit stünden Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) 1,16 Milliarden Euro mehr zur Verfügung als im laufenden Jahr. Die größten Zuwächse bei den Ausgaben sollen im Bereich der militärischen Beschaffungen und bei der Unterbringung der Soldaten liegen. Bei der Opposition stieß der Etatentwurf auf höchst unterschiedliche Reaktionen. Während AfD und FDP höhere Verteidigungsausgaben forderten, hält die Linke den Etat für deutlich zu groß. Die Grünen monierten, dass die derzeitige Planungen des Verteidigungsministeriums an die Haushaltslage angepasst werden müssten.
Ministerin begrüßt Etatsteigerung
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer begrüßte den geplanten Aufwuchs im Etatentwurf ausdrücklich. Sie verwies darauf, dass die Corona-Krise auch die Beschaffungspolitik für neue Herausforderungen stelle. Die Rüstungsindustrie brauche in diesen Zeiten ein klares Bekenntnis zu den Beschaffungsvorhaben und auch einen schnellere Umsetzung, um liquide zu bleiben. Ausdrücklich nannte die Ministerin die Beschaffung einer bewaffneten Drohne für die Bundeswehr. Diese sei „unverzichtbar“, sagte Kramp-Karrenbauer. Sie hoffe deshalb, dass der Koalitionspartner SPD in der kommenden Woche zu einer abschließenden Entscheidung in dieser Frage komme.
Zugleich räumte sie ein, dass ursprüngliche Beschaffungsvorhaben aufgrund der derzeitigen Haushaltslage vorerst nicht realisiert werden könnten. Sie spielte damit unter anderem auf die Entscheidung an, die Beschaffung eines neuen schweren Transporthubschraubers vorerst zu stoppen. Die Ministerin verwies darauf, dass die Beschaffung von Großgerät nicht immer zulasten kleineren Beschaffungsvorhaben gehen könne. So warte die Bundeswehr jetzt bereits seit 20 Jahren auf die Beschaffung eines Werkzeugkoffers für Pioniere.
AfD: Bundeswehr ist chronisch unterfinanziert
Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen, warf der Regierung „Versagen“ in der Verteidigungspolitik vor. Die Bundeswehr könne dem im Grundgesetz formulierten Auftrag nicht mehr nachkommen. Der Bund stelle Streitkräfte zur Verteidigung auf, heiße es in Artikel 87a des Grundgesetzes. Doch dieser Verfassungsauftrag sei zu „hohlen Phrase“ geworden. Die Bundeswehr sei seit Jahren chronisch unterfinanziert, die entstandenen Schäden seien mit einem Haushalt von rund 46 Milliarden Euro nicht zu reparieren, monierte Lucassen.
Die Ministerin verzichte bereits darauf, sich auf die von ihrer Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) ausgerufenen „Trendwenden“ zu berufen, da diese allesamt gescheitert seien. Der Bundeswehr fehlten noch immer 15.000 Soldaten, eine ganze Division. Das gemeinsame Rüstungsprojekt mit Frankreich für ein neues gemeinsames Kampfflugzeug werde zu einem weiteren „Milliardengrab“, da keine Einigkeit zwischen beiden Ländern über das Anforderungsprofil bestehe.
FDP vermisst Aussage zum Nato-Ziel
Karsten Klein (FDP) monierte, dass die Verteidigungsministerin in ihrer Rede keine Aussage zum Nato-Ziel, zukünftig zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben, gemacht habe. Die Bürger hätten aber ein Recht darauf zu erfahren, wo die Ministerin in dieser Frage stehe. Im kommenden Jahr werde das 1,5-Prozent-Ziel der Bundesregierung nur aufgrund des coronabedingten Schrumpfens des BIP erreicht. Auch die mittelfristige Finanzplanung der Regierung zeige, dass der Verteidigungshaushalt in den kommenden Jahren stagniere.
Die wachsenden Personalausgaben würden deshalb dazu führen, dass immer weniger Geld für Beschaffungen und Rüstungsvorhaben zur Verfügung stünden. Die Beschaffung eines neuen schweren Transporthubschraubers sei bereits gestrichen und auch hinter anderen Vorhaben stünden Fragezeichen, sagte Klein.
Linke: Verteidigungsausgaben sind zu hoch
Der Linken-Haushaltspolitiker Michael Leutert kritisierte die nach Meinung seiner Fraktion zu hohen Verteidigungsausgaben im Vergleich zu den Ausgaben für Bildung. Pro Kopf müsse jeder Deutsche rund 560 Euro pro Jahr für Verteidigung ausgeben. Dies entspreche zwar einerseits ungefähr den Kosten für eine Risikolebensversicherung. Doch es sei fraglich, was diese Risikolebensversicherung alles abdecke.
Über die Landesverteidigung bestehe im Bundestag Einigkeit. Aber die Bündnisverteidigung in der Nato müsse derzeit kritisch hinterfragt werden. Ein Bündnis müsse sich aber auf gleiche Ziele und Werte berufen. Mit Blick auf die angespannten Beziehungen zwischen den Nato-Partner Türkei und Griechenland könne dies allerdings in Zweifel gezogen werden, argumentierte Leutert.
Grüne: Sammelsurium von Wunschprojekten
Dr. Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) wies darauf hin, dass die durch die Corona-Pandemie veränderte Haushaltslage sich durchaus auch im Wehretat niederschlage. Dieser wachse im kommenden Jahr nicht mehr überproportional im Verhältnis zum Gesamthaushalt. Diese werde wohl auch in der näheren Zukunft so sein. Allerdings würden dadurch auch die ursprünglichen Planungen für die Bundeswehr und ihr Fähigkeitsprofil, wie sie im Weißbuch der Bundeswehr 2016 angelegt wurden, obsolet. Darauf müsse die Regierung reagieren.
Stattdessen finde sich im Etatentwurf bei den Beschaffungen ein „Sammelsurium von Wunschprojekten“, für die Mittel fiktiv eingestellt würden und gleichzeitig aber mit einem Sperrvermerk versehen seien. Dies sei ein „Lotteriespiel“ zulasten der Soldaten der Bundeswehr.
SPD: Beschaffungsvorhaben entbürokratisieren
Andreas Schwarz (SPD) wies darauf hin, dass Deutschland im kommenden Jahr 1,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes für Verteidigung ausgebe. Dieses Geld müsse aber auch bei den Soldaten ankommen. Die Bundeswehr habe Schwierigkeiten bei den drei großen „Bs“: Beschaffung, Betrieb und Bauen.
Die Realisierung von Beschaffungsvorhaben dauere zu lange, viele Fahrzeuge seien nicht einsatzbereit und auch die Unterbringung der Soldaten in sanierungsbedürftigen Kasernen sei „unwürdig“. Schwarz plädierte dafür, die Beschaffungsvorhaben zu entbürokratisieren. Es müsse mehr „von der Stange gekauft“ werden, sprich auf marktreife Waffensysteme zurückgegriffen werden.
CDU/CSU: Ein Zeichen für eine „starke Truppe“
Lob für den Etatentwurf kam hingegen vom verteidigungspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Henning Otte. Der Haushalt sei ein Zeichen für eine „starke Truppe“. Zugleich nehme der Etatentwurf eine klare Priorisierung bei den Beschaffungsvorhaben vor. Otte forderte, dass die zukünftigen Beschaffungsvorhaben auch in der mittelfristigen Finanzplanung abgebildet werden.
Zu diesen Vorhaben gehöre auch der schwere Transporthubschrauber, das Mehrzweckkampfschiff 180 und der Schützenpanzer Puma. Deutschland müsse seinen Verpflichtungen in der Nato nachkommen eine moderne und einsatzbereite Armee unterhalten.
Mehr als 19 Milliarden Euro für Personalausgaben
Auf Personalausgaben entfallen im Etatentwurf 19,44 Milliarden Euro (2020: 19,25 Milliarden Euro), auf militärische Beschaffungen 7,72 Milliarden Euro (2020: 7,41 Milliarden Euro). 350 Millionen Euro sind für die Beschaffung des Großraumtransportflugzeugs A 400 M vorgesehen (2020: 400 Millionen Euro), 442 Millionen Euro für die Beschaffung des Schützenpanzers Puma (2020: 580 Millionen Euro), 998,23 Millionen Euro für die Beschaffung des Waffensystems Eurofighter (2020: 350 Millionen Euro) und 379 Millionen Euro für die Beschaffung des Mehrzweckkampfschiffs 180 (2020: 396,43 Millionen Euro).
Für die Materialerhaltung in der Bundeswehr sieht der Etatentwurf 4,1 Milliarden Euro vor (2020: 4,12 Milliarden Euro), davon allein 2,45 Milliarden Euro für die Erhaltung von Flugzeugen, Flugkörpern, Flugrettungs-, Sicherheits- und sonstigem flugtechnischen Gerät (2020: 2,33 Milliarden Euro).
Internationale Verpflichtungen: 1,76 Milliarden Euro
Für die Unterbringung der Soldatinnen und Soldaten soll Ministerin Kramp-Karrenbauer 5,88 Milliarden Euro ausgeben können (2020: 5,41 Milliarden Euro), darunter 2,64 Milliarden Euro für Mieter und Pachten (2020: 2,62 Milliarden Euro) und 1,41 Milliarden Euro für Baumaßnahmen (2020: 1,18 Milliarden Euro).
Die internationalen Verpflichtungen der Bundeswehr, unter anderem für die Nato und für Auslandseinsätze, schlagen mit 1,76 Milliarden Euro zu Buche (2020: 1,84 Milliarden Euro). (aw/hau/30.09.2020)