Aktuelle Krise soll mit einem starken Sozialstaat gemeistert werden
Ein schlanker Staat, das war jahrelang das Ziel der Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht nur in Deutschland – und eigentlich ist es das immer noch. Sonst gäbe es die Schuldenbremse nicht, die zwar momentan ausgesetzt ist, aber so schnell wie möglich auch wieder greifen soll. Aber nur ein starker Staat, ein starker Sozialstaat vor allem, kann eine Krise wie die aktuelle meistern. Das war der Tenor der Debatte über den Haushaltsplan des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für 2021 (Einzelplan 11, 22600) am Freitag, 2. Oktober 2020.
Minister: Kurzarbeit ist derzeit die schärfste Waffe
Aus Sicht von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist es Aufgabe dieses Staates, „dafür zu sorgen, dass die Krise nicht Millionen von Arbeitsplätzen wegspült“. Der staatliche Zuschuss zum Kurzarbeitergeld sei zwar kein „Allheilmittel, es ist aber im Moment unsere schärfste Waffe“, um Millionen Menschen vor Arbeitslosigkeit zu bewahren, verteidigte der Minister die Verlängerung der Kurzarbeit-Regelungen bis ins nächste Jahr.
Er kündigte darüber hinaus Initiativen für mehr Tarifbindung, eine „Weiterentwicklung“ des Mindestlohns und Regelungen zum Homeoffice an, warnte aber davor, das Arbeitszeitgesetz auszuhebeln.
AfD: Corona-Politik ist kopflos
René Springer (AfD) bezeichnete den Haushalt dagegen als „Krankenakte“. Er warf dieser und den Vorhänger-Regierungen unter anderem vor, durch die Förderung von Niedriglohnjobs die Altersarmut erst zu einem Problem gemacht zu haben. Auch die Grundrente werde dieses nicht lösen, so Springer.
Der Corona-Politik der Bundesregierung warf er Kopflosigkeit vor, die Zehntausende Existenzen vernichtet habe. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz müsse deshalb „sofort gestoppt“ werden, forderte er.
CDU/CSU: Wir sind auf dem richtigen Weg
Peter Weiß (CDU/CSU) betonte: „Deutschland bewältigt die Corona-Krise auch deshalb besser als andere Länder, weil wir einen funktionierenden, leistungsfähigen Sozialstaat haben.“ Die Bundesagentur für Arbeit werde auch in den nächsten Wochen eine besonders stützende Rolle einnehmen, weshalb es richtig sei, die Zuschüsse an die Agentur aufzustocken, so Weiß.
Vor allem Jugendliche bräuchten jetzt eine verstärkte Beratung, „denn Corona darf nicht bedeuten, dass sie um ihre Zukunftsperspektiven gebracht werden“. Die Tatsache, dass die Kurzarbeit wieder sinke, zeige: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“
FDP: Endlich eine Absicherung für Selbstständige
Johannes Vogel (FDP) hob hervor, dass es aber nach wie vor viele Risiken für die konjunkturelle Entwicklung gebe. Um neue Jobs zu schaffen, müssten die Unternehmen weiter entlastet werden, zum Beispiel bei Neueinstellungen. „Mehr Sicherheit gibt es nur durch mehr wirtschaftliche Freiheit“, so die Überzeugung des Liberalen.
Vogel forderte außerdem von den Unionspolitikern, ihren zahlreichen Talkshow-Ankündigungen zur geplanten Absicherung von Selbstständigen endlich Taten folgen zu lassen. „Behandeln Sie sie nicht länger als Erwerbstätige zweiter Klasse“, verlangte er.
Linke: Keine Entlassungen auf Staatskosten
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) kritisierte die bedingungslosen Milliardenhilfen für Konzerne wie die Lufthansa. Nun plane der Konzern aber, 22.000 Beschäftigte zu entlassen. Aber: „Entlassung auf Staatskosten darf es nicht geben!“, empörte sie sich.
Auch warf sie der Regierung vor, die Arbeitslosenstatistik zu schönen, indem viele Gruppen herausgerechnet würden. Lötzsch fragte die Regierung: „Wer soll das alles bezahlen?“ und forderte zur Finanzierung der Krisen-Pakete eine Vermögensabgabe.
Grüne: Nach Lohn gestaffeltes Kurzarbeitergeld
Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen) schlug vor, das Kurzarbeitergeld gestaffelt nach der Höhe der Einkommen auszuzahlen. Wer ein höheres Einkommen habe, dessen Lohnersatzrate solle niedriger ausfallen, bei niedrigen Einkommen solle diese dafür höher sein, so die Grüne.
Sie forderte außerdem einen Corona-Zuschlag in der Grundsicherung und kritisierte die Einsparungen bei den Jobcentern. Diese seien gerade jetzt besonders gefordert, sagte Deligöz.
SPD: Schlanker Staat ist etwas für Traumtänzer
Kerstin Tack (SPD) sagte: „Diese Krise zeigt, die Mär vom schlanken Staat kann nur noch von Traumtänzern aufrechterhalten werden.“
Denn nur ein starker Staat sei handlungsfähig und könne der Bevölkerung mit einem Sozialstaatspaket, wie es die Bundesregierung Anfang des Jahres beschlossen habe, unter die Arme greifen.
Ausgaben von knapp 164 Milliarden Euro
Ausgaben in Höhe von 163,98 Milliarden Euro sieht der im Regierungsentwurf für den Haushalt 2021 (19/22600) enthaltene Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vor. Damit ist der Etat von Minister Heil der mit weitem Abstand größte des Bundeshaushalts.
Die vorgesehenen Ausgaben bewegen sich deutlich oberhalb der Soll-Planungen für 2020, die bei 150,22 Milliarden Euro lagen, aber unterhalb des Wertes von 170,68 Milliarden Euro, der sich aus den beiden Nachtragshaushalten für 2020 ergibt. Der Einzelplan 11 soll am Ende des Sitzungstages an den Haushaltsausschuss überwiesen werden.
23,4 Milliarden Euro für Arbeitslosengeld II
44,53 Milliarden Euro sieht der Entwurf für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose vor (2020: 48,95 Milliarden Euro). 23,4 Milliarden Euro davon entfallen auf das Arbeitslosengeld II (2020: 26,4 Milliarden Euro).
Der ursprüngliche Etatentwurf für 2020 sah 20,9 Milliarden Euro vor. Mit elf Milliarden Euro beteiligt sich der Bund an den Leistungen für Unterkunft und Heizung der Arbeitslosengeld-II-Empfänger (2020: 12,4 Milliarden Euro) – hier waren ursprünglich sieben Milliarden Euro vorgesehen.
Rente ist größter Posten
Den größten Posten im Etat von Minister Heil stellen aber die Ausgaben für „Rentenversicherung und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ dar, die sich auf 114,58 Milliarden Euro summieren (2020: 109,9 Milliarden Euro).
106,14 Milliarden Euro davon sollen an die Rentenversicherung gehen (2020: 101,85 Milliarden Euro). (che/hau/02.10.2020)