Streit um Forderungen nach einem erweiterten Mieterschutz
Über einen von den Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen geforderten zusätzlichen Schutz für Mieter und Mieterinnen hat der Bundestag am Freitag, 26. November 2020, debattiert. In zwei bereits weit vor der Corona-Pandemie gestellten Anträgen (19/10283, 19/10284) spricht sich die Linksfraktion für einen verbesserten Kündigungsschutz und den Ausschluss von Kündigungen wegen Eigenbedarfs für Mieter und Mieterinnen, die das 70. Lebensjahr vollendet haben, aus. Einem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zufolge (19/24634) soll der Bundestag die Bundesregierung auffordern, angesichts der Corona-Pandemie erneut für einen befristeten Zeitraum vermieterseitige Kündigungen auszuschließen.
Linke: Vorgetäuschten Eigenbedarf nicht länger akzeptieren
Die Redner und Rednerinnen der antragstellenden Fraktionen verwiesen in der Debatte auf die Dramatik der Lage auf dem Wohnungsmarkt, die durch die Corona-Pandemie noch einmal verschärft werde und forderten unter anderem ein neues Kündigungsmoratorium. Caren Lay (Die Linke) erklärte, niemand dürfe wegen der Pandemie seine Wohnung verlieren. Es sei unverantwortlich, dass die Unionsfraktion dieses Thema seit Monaten aussitze. Dabei gehe es auch um Grundsätzliches wie die Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter.
Ein vorgetäuschter Eigenbedarf dürfe nicht länger akzeptiert werden, und dieser „ausufernde Missstand“ müsse endlich angegangen werden. Die Gerichte seien dabei nicht besonders hilfreich. Aber auch sonst sei der Kündigungsschutz mangelhaft, zum Beispiel dürften alte Menschen nicht ihre Wohnungen verlieren. Das Mietrecht müsse endlich nachgebessert werden.
Grüne: Sozialen Charakter des Mietrechts erneuern
Für Bündnis 90/Die Grünen warb Christian Kühn bei den Abgeordneten für weitere Maßnahmen zugunsten der Mieter. Die Koalition solle ihr Versprechen erneuern, dass kein Mieter seine Wohnung wegen der Pandemie verlieren darf. Denn die Gefahr sei jetzt höher als im März, da sich die Lücke zwischen sinkenden Einkommen und annähernd stabilen Mieten vergrößere. Kühn forderte eine Erneuerung des sozialen Charakters des Mietrechts.
Das Geschäftsmodell der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen mit anschließender Kündigung der Mieter müsse beendet und der Eigenbedarf auf tatsächliche Gründe zurückgeführt werden. Auch die Gewerbemieten dürften nicht aus dem Blick verloren werden.
SPD: Mietrecht muss verbessert werden
Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen bewerteten die Anträge unterschiedlich. Johannes Fechner (SPD) erklärte, Hilfe für die Mieter sei ebenso wichtig wie die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Das Mietrecht müsse verbessert werde, und mit diesem Ziel habe die SPD bereits viel auf den Weg gebracht, sagte Fechner unter Verweis auf die Mietpreisbremse und weitere Maßnahmen.
Der Mietpreisbremse müsse jetzt auch bundesweit Geltung verschafft werden, denn sie wirke – genauso wie der Berliner Mietendeckel, der, wenn er vom Bundesverfassungsgericht gekippt werde, im Bund eingeführt werden sollte. Es wäre mehr nötig gewesen, sagte Fechner, und die SPD hätte gerne mehr gemacht. Dies sei aber an der Union gescheitert.
CDU/CSU: Eigentumsfeindliche Forderungen der Linken
Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) warf der Linken-Abgeordneten Lay Realitätsferne vor. Deutschland habe ein außerordentlich soziales Mietrecht, das das beste in ganz Europa sei. Er warf der Linken vor, mit ihrer Politik zu verhindern, dass mehr Wohnungen gebaut werden. Zu der Kritik an Eigenbedarfskündigungen sagte Luczak, die Gerichte urteilten hier nach einer Interessenabwägung sehr streng. Wer vorgetäuschten Eigenbedarf anmelde, sei schadensersatzpflichtig.
Es dürfe aber keine pauschale Festschreibung geben. Laut Bundesverfassungsgericht hätten die Mieter eine starke Position, es müssten aber auch die Rechte der Eigentümer beachtet werden. Die Forderungen der Linken seien „eigentumsfeindlich“.
AfD: Gesetzliche Regelung wäre unklug
Jens Maier (AfD) sagte, die Anträge der Linken seien inzwischen überholt. Die Idee des Schutzes vor einer Kündigung wegen Eigenbedarfs für Menschen ab 70 sei ethisch nachvollziehbar, es wäre aber unklug, dies gesetzlich zu regeln. Wer denn dann noch Wohnungen an Menschen mit 65 Jahren vermieten würde, fragte Maier.
Die Folge werde sein, dass man die Menschen vor Erreichen des 70. Lebensjahrs aus ihrer Wohnung setzt. Maier verwies auch auf die Rechtsprechung, die Kündigungen von Mietern erschwere. Diese Regelungen reichten aus.
FDP: Antrag der Linken „einseitig und unterkomplex“
Auch die FDP-Fraktion lehnt ein Verbot der Eigenbedarfskündigung für Mieter ab 70 ab. Man dürfe die Über-70-Jährigen nicht alle über einen Kamm scheren, sagte die FDP-Abgeordnete Katharina Willkomm. Für die Linken gebe es auf der einen Seite nur Raffkes als Vermieter und auf der anderen nur arme Leute in Mietskasernen. Diese Weltansicht sei so „einseitig und unterkomplex“ wie der Antrag.
Willkomm verwies auf den Paragrafen 574 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der den Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung regelt. Soziale Belange würde hier berücksichtigt und die Gerichte müssten abwägen. Der zweite Antrag der Linken enthalte zusätzliche Forderungen gleicher Qualität. Er sorge für eine Erstarrung des Wohnungsmarktes und eine Beschneidung der Eigentumsrechte.
Erster Antrag der Linken
Die Vorlagen wurden anschließend zur Beratung in den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Die Linke fordert in ihrem ersten Antrag (19/10283) die umgehende Vorlage eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung, der eine Kündigung wegen Eigenbedarfs für Mieter, die das 70. Lebensjahr vollendet haben, bei vertragsgemäßen Gebrauch wirksam ausschließt. In der Begründung heißt es, ältere Menschen seien von Mietenexplosion und Wohnungslosigkeit besonders betroffen. Aufgrund der oft niedrigen Rente, die mit dem Mietenanstieg nicht Schritt halte, hätten viele ältere Mieterinnen und Mieter kaum die Chance, ihre Mieten zu bezahlen. Eine neue, bezahlbare Wohnung zu finden, sei in vielen Städten nahezu aussichtslos.
Im fortgeschrittenen Alter noch umziehen zu müssen sei eine besondere soziale Härte, vor der Mieterinnen und Mieter besser geschützt werden müssen. Der häufigste Kündigungsgrund sei ein Eigenbedarf seitens des Vermieters, heißt es weiter in dem Antrag. Schon jetzt gelte die Kündigung für ältere, oft langjährige und fest in ihren Nachbarschaften verwurzelte Mieterinnen und Mietern als erhebliche soziale Härte, die im Einzelfall eine Aufhebung der Kündigung erlaube. Um den Betroffenen den oft langfristigen, aufreibenden und mit persönlichen Risiken verbundenen Klageweg zu ersparen, müsse der Gesetzgeber hier für Klarheit sorgen.
Zweiter Antrag der Linken
De zweite Antrag der Linken (19/10284) sieht vor, dass der Bundestag die Bundesregierung auffordert, einen Gesetzentwurf für einen verbesserten Kündigungsschutz für Mieter vorzulegen. Unter anderem soll der Schutz so verbessert werden, dass die Ausgleichung eines Mietrückstandes neben der fristlosen auch die fristgemäße Kündigung unwirksam werden lässt. Eine Kündigung aufgrund eines Mietrückstands von weniger als zwei Monatsmieten soll ausgeschlossen sein, und eine Kündigung aufgrund von Mietrückständen, die auf die Mietminderung wegen eines Mangels der Wohnung zurückzuführen sind, soll nur bei vorsätzlichem Missbrauch des Instruments der Mietminderung möglich sein.
Zur Begründung heißt es unter anderem, Mieter würden unzureichend vor der Kündigung des Wohnraummietvertrags und einem Verlust ihrer Wohnung geschützt. Viele Gerichtsentscheidungen hätten den Kündigungsschutz zusätzlich ausgehebelt.
Antrag der Grünen
Der neue Antrag der Grünen (19/24634) für mehr Mieterschutz in Zeiten der Pandemie und eine bessere Unterstützung von Verbrauchern als Darlehensnehmer sieht vor, erneut für einen befristeten Zeitraum die Möglichkeit der vermieterseitigen Kündigung bei mieterseitigem Covid-19-bedingten Zahlungsausfall auszuschließen und zugleich sicherzustellen, dass keine oder nur geringe Verzugszinsen für in diesem Zeitraum coronabedingt ausfallende Miete entstehen. Zwangsräumungen von Mieterinnen und Mietern von zu Wohnzwecken genutzten Räumen sollen ebenfalls zeitlich befristet ausgesetzt werden.
Für Verbraucherdarlehensverträge soll erneut – zeitlich befristet wie die anderen Maßnahmen zunächst bis zum 30. April 2021 – gesetzlich geregelt werden, dass Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen als gestundet gelten, soweit Darlehensnehmerinnen und Darlehensnehmer aufgrund der Covid-19-Pandemie Einnahmeausfälle haben, die dazu führen, dass ihnen die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. (mwo/26.11.2020)