Fraktionen bewerten den Haushaltsentwurf für 2021 kontrovers
Die Haushaltsexpertinnen und -experten der Fraktionen haben sich am Dienstag, 29. September 2020, im Rahmen der Allgemeinen Finanzdebatte einen offenen Schlagabtausch über den Haushaltsentwurf 2021, die Finanzplanung des Bundes sowie grundlegende haushaltspolitische Weichenstellungen geliefert.
AfD: Sofort aus Corona-Lockdown-Maßnahmen aussteigen
Für die AfD-Fraktion warf Peter Boehringer der Bundesregierung und Koalition vor, einen verfassungsrechtlich problematischen Haushalt vorgelegt zu haben. Boehringer stellte infrage, dass die Corona-Pandemie eine gesundheitliche Notlage sei, die die geplante Neuverschuldung rechtfertige. „Wir haben es nicht mit Ebola oder der Pest zu tun“, sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses mit Verweis auf aus seiner Sicht geringe Zahlen an Schwerkranken und Todesopfern.
Die „staatliche Überreaktion“ und „hysterisches Regierungshandeln“ hätten die Wirtschaftskrise herbeigeführt, diese Notsituation sei daher auch nicht der Kontrolle des Staates entzogen, meinte Boehringer. Er forderte den „sofortigen Ausstieg aus den Corona-Lockdown-Maßnahmen“. Der AfD-Abgeordnete kündigte für seine Fraktion zudem an, im Oktober einen Antrag auf Normenkontrollklage gegen den Bundeshaushalt 2020 einzubringen.
CDU/CSU lehnt Steuererhöhungen für Spitzenverdiener ab
Unionfraktionschef Ralph Brinkhaus bezeichnete die in diesem Jahr geplante Neuverschuldung von 96 Milliarden Euro als notwendig. Ziel sei es, niemanden in dieser Pandemie zurückzulassen. Deutschland könne sich dies aufgrund der Haushaltspolitik – Stichwort „schwarze Null“ – der vergangenen Jahre auch leisten. „Wir haben Lust auf Zukunft, das zeigt sich in diesem Haushalt“, sagte der Fraktionschef. Grundsätzlich seinen Schulden aber ein „süßes Gift“. Im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit sei eine schuldenfinanzierte Politik nicht akzeptabel.
Brinkhaus distanzierte sich mit Blick auf die Finanzplanung ab 2022 von Bundesfinanzminister Scholz und dem Koalitionspartner SPD. Scholz lasse sich von einem Verständnis leiten, nach dem der Staat als Beschützer alles regeln könne. Die Union vertraue hingegen dem Einzelnen, den Familien, den Arbeiternehmerinnen und Arbeiternehmern sowie den Unternehmern und Unternehmerinnen und wolle mit ihnen gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft angehen. Er forderte, die im Koalitionsvertrag vorgesehene Ausgabenkritik anzugehen. Übers Sparen werde viel geredet, es passiere aber leider nicht viel. Steuererhöhungen für Spitzenverdiener lehnte Brinkhaus ab und forderte stattdessen eine „Belastungsmoratorium“.
FDP: Scholz hat Kanzlerkandidatenhaushalt vorgelegt
Otto Fricke warf Brinkhaus vor, eine Oppositionsrede gehalten zu haben, aber letztlich die kritisierte Politik trotzdem mitzutragen. „Es ist Ihr Finanzplan – und dazu müssen Sie auch stehen“, meinte der Liberale. Den Finanzminister kritisierte Fricke gleichfalls dafür, einen „Kanzlerkandidatenhaushalt“ vorgelegt zu haben, der mit vernünftiger und nachhaltiger Finanzpolitik nichts zu tun habe.
Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion kritisierte, dass es keine Kürzungen bei Subventionen und Ausgaben gebe, obwohl eine Notsituation festgestellt werde. Stattdessen würden neue milliardenschwere Subventionen und Sozialleistungen auf den Weg gebracht. „Das ist die Art, wie man Haushaltspolitik nicht machen darf. Wir werden zeigen, wie es besser geht“, kündigte Fricke an.
SPD: Staat zeigt sich als starker Partner in der Krise
Dennis Rohde (SPD) lobte den Entwurf als einen Haushalt, der auf die Zukunft gerichtet sei und eine soziale Handschrift trage. Der Staat zeige sich in der Krise als „starker Partner“. Die Corona-Pandemie sei eine der größten Herausforderungen in der Geschichte der Bundespolitik und stelle die Maximen der bisherigen Haushaltspolitik auf den Kopf. Die Haushaltspolitik der vergangenen Jahre habe indes den Grundstein dafür gelegt, „dass wir heute und morgen weiterhin aus dem Vollen schöpfen können“, sagte Rohde.
Mit dem Haushalt und der Finanzplanung werde Geld in die Hand genommen, um das Land für die nächsten Jahrzehnte fit zu machen, betonte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Die deutsche Wirtschaft könne aber nur erfolgreich sein, wenn der Krise international begegnet werde, mahnte Rohde und verwies unter anderem auf Unterstützungsmaßnahmen der EU. „Machen wir aus einem sehr guten Regierungsentwurf einen noch besseren Haushalt“, forderte der Sozialdemokrat.
Linke: Ein unehrlicher Wahlkampfhaushalt
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) warf der Bundesregierung vor, den Menschen die Antwort auf eine zentrale Frage vorzuenthalten: „Wer soll die Rechnung bezahlen?“ Scholz habe einen „unehrlichen Haushalt“, einen „Wahlkampfhaushalt“ vorgelegt. Es fehlten Aussagen, ob die künftigen Haushalte mit „drastischen Kürzungen“ bei Sozialausgaben oder Steuererhöhungen finanziert werden sollen.
Für die Linksfraktion forderte Lötzsch eine Vermögensteuer für Milliardäre und Millionäre. „Sie schützen den Reichtum der Reichen, das sind unhaltbare Zustände, das muss sich endlich ändern“, meinte die haushaltspolitische Sprecherin der Linkfraktion. Zudem sprach sie sich für eine Streichung der Schuldenbremse aus. Die Schuldenbremse und die Politik der schwarzen Null hätten zu einer „strukturellen Investitionsunfähigkeit“ geführt, kritisierte Lötzsch. „Wir freuen uns auf die Beratungen. Die Linke ist vorbereitet“, schloss die Abgeordnete.
Grüne: Massive Unsicherheit und gefährlicher Spardruck
Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen) stellte für seine Fraktion klar, dass sie die erneute Feststellung einer Notsituation unterstützen werde. Es wäre völlig falsch, in die Krise reinzusparen, sagte Kindler. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion kritisierte ebenfalls die Finanzplanung der Bundesregierung. Der darin festgestellte „finanzpolitische Handlungsbedarf“ sei ein Euphemismus. Von 2022 bis 2024 bestehe eine Deckungslücke von 60 Milliarden Euro. Das sorge für „massive Unsicherheit und gefährlichen Spardruck“.
Bundesfinanzminister Scholz habe in der Krise die Bazooka ausgepackt, nun müsste er dafür Sorge tragen, „dass nicht nach Corona die Abrissbirne kommt“. Die Koalition kippe dieses Problem aber der nächsten Bundesregierung vor die Füße, monierte Kindler. Kritik übte der Haushaltspolitiker zudem an den aus seiner Sicht zu kurzen Tilgungsfristen für die aufgenommenen Schulden. Diese müssten länger laufen und flexibler gehandhabt werden können. Zudem warb Kindler für eine Reform der Schuldenbremse.
Steuereinnahmen: 291,97 Milliarden Euro eingeplant
Grundlage der Aussprache waren der Einzelplan 08 (Bundesministerium der Finanzen), der Einzelplan 20 (Bundesrechnungshof), der Einzelplan 32 (Bundesschuld) und der Einzelplan 60 (Allgemeine Finanzverwaltung) des Haushaltsentwurfs des Bundes für 2021 (19/22600).
Im Einzelplan 08 sind Ausgaben in Höhe von 8,37 Milliarden Euro (2020: 7,92 Milliarden Euro) vorgesehen. Knapp die Hälfte davon sind Personalausgaben (3,73 Milliarden Euro). Der Einzelplan 32 sieht die Summe von 96,2 Milliarden Euro als Nettokreditaufnahme vor. Für 2020 ist als Ergebnis der Nachtragshaushalte eine Kreditaufnahme in Höhe von 217, 77 Milliarden Euro geplant.
Im Einzelplan 60 finden sich die geplanten Steuereinnahmen, die laut der Vorlage im kommenden Jahr bei 291,97 Milliarden Euro (2020: 328,99 Milliarden Euro) liegen. (hau/29.09.2020)