Corona-Konjunkturpaket und Nachtragshaushalt auf den Weg gebracht
Der Entwurf von CDU/CSU und SPD für ein zweites Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (zweites Corona-Steuerhilfegesetz, 19/20058) war am Freitag, 19. Juni 2020, Gegenstand einer ersten Lesung im Bundestag. Er wurde im Anschluss zusammen mit einem Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Arbeitnehmer, Kleinunternehmer, Freiberufler, Landwirte und Solo-Selbstständige aus der Corona-Steuerfalle befreien und gleichzeitig Bürokratie abbauen“ (19/20071) und zwei Anträgen der FDP-Fraktion mit den Titeln „Neustart für Deutschland – Entlasten, investieren und entfesseln (19/20050) und “Steuererklärungsverpflichtung für Kurzarbeit verhindern – Progressionsvorbehalt für 2020 aussetzen„ (19/20051) zur federführenden Beratung an den Finanzausschuss überwiesen.
Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2020
Ebenfalls in erster Lesung beraten wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2020 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2020, 19/20000). Der Entwurf wurde anschließend zur federführenden Beratung an den Haushaltsausschuss überwiesen.
In den federführenden Haushaltsausschuss überwiesen wurden zudem ein Antrag der Koalitionsfraktionen zum Beschluss des Bundestages gemäß Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 und 7 des Grundgesetzes (19/20128) sowie ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen über begleitende Maßnahmen zur Umsetzung des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets (19/20057). Ferner wird ein Antrag der Linken mit dem Titel “Kennzeichnungspflicht für Corona-Staatshilfen„ (19/20034) federführend im Haushaltsausschuss weiterberaten.
Minister: Es geht um das ganz Große
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) warb mit beschwörenden Worten für das zweite Steuerpaket und den zweiten Nachtragshaushalt zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie: “Es geht um das Ganze, um das ganz Große: die Gesundheit, den Wohlstand, die Zuversicht und die Zukunft unseres Landes und um den Zusammenhalt„, sagte Scholz am Freitag, 19. Juni 2020, im Deutschen Bundestag. Deutschland sei erfolgreich, habe die Zahl der Infektionen reduzieren können. Aber zur “neuen Normalität„ gehöre auch, dass das Virus unter uns sei, und das dürfe bis zur Vorlage geeigneter Therapien und Impfstoffe nicht vergessen werden. Scholz verwies auf das erste Stabilitätsprogramm, das man sehr schnell auf den Weg gebracht habe. Jetzt, wo der Lockdown zu Ende gehe, müsse mit einem Konjunkturprogramm für ein Anspringen der Konjunktur gesorgt werden. “Wir werden das tun wie beim letzten Mal: ziemlich früh und sehr groß, damit wir auch wirklich wirksam sind.„
Scholz erwartet von der bis Jahresende befristeten Senkung der Umsatzsteuer einen “ganz starken Konjunkturimpuls„. Die Maßnahme werde dazu beitragen, dass insbesondere langlebige Konsumgüter “jetzt mehr gekauft werden als ohne diese Maßnahme.„ Der Minister verwies auch auf die Maßnahmen für Familien durch den Kinderbonus und auf die Maßnahmen zugunsten von Unternehmen und Kommunen. “Was wir jetzt machen, kostet viel Geld„, erklärte Scholz, der auf die geplante Neuverschuldung von 218,5 Milliarden Euro hinwies und dazu aufrief, “Maß und Mitte„ zu bewahren. Es sei in der Vergangenheit solide gewirtschaftet worden, und das müsse jetzt auch in der Krise getan werden.
Lothar Binding (SPD) verwies darauf, mit dem Programm werde die Nachfrage- und Angebotsseite gestärkt. Es gebe “Impulse für beide Seiten„.
AfD lässt kein gutes Haar am Koalitionsprogramm
Dagegen ließ Albrecht Glaser (AfD) kaum ein gutes Haar an dem Koalitionsprogramm. “Obwohl jedem Kundigen klar ist, dass zur Sicherung von Liquidität und zur Wiedergewinnung von Rentabilität von Unternehmen steuerliche Erleichterungen der Königsweg sind, finden sich dazu nur wenige Maßnahmen im Gesetz„, kritisierte Glaser. Und fast alle hätten nicht Entlastungs-, sondern nur Stundungswirkung.
Die Umsatzsteuersenkung belaste die Unternehmen mit Umstellungskosten in Milliardenhöhe. Und der Kinderbonus entfalle bereits bei mittleren Einkommen. Er kritisierte auch die massiv steigende Staatsverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden, die den nationalen Schuldenstand auf 2,66 Billionen Euro steigen lassen werde.
CDU/CSU befürwortet die Neuverschuldung
Andreas Jung (CDU/CSU) verteidigte die Maßnahmen dagegen mit dem Hinweis, ohne das Konjunkturpaket drohten Millionen Menschen arbeitslos zu werden und Betriebe pleite zu gehen. Aber dann habe man keine Strukturen mehr, auf denen aufgebaut werden könnte.
Jung befürwortete die Neuverschuldung. Die “schwarze Null„ sei keine Ideologie gewesen, sondern ein Grundsatz der Nachhaltigkeit. In guten Zeiten müsse man mit dem Geld auskommen, “aber jetzt habe wir eine absolute Ausnahmesituation„.
FDP: Irrer bürokratischer Aufwand
Kritik kam von Christian Dürr (FDP). Wie Glaser sprach er von einem “irren bürokratischen Aufwand„ besonders für den Mittelstand für die Umsetzung der Mehrwertsteuersenkung. “Es ist zudem mehr als fraglich, ob das Geld bei den Menschen ankommt„, befürchtete Dürr. Als mögliche Gewinner sah er Versandhändler wie Amazon, “aber das ist nicht das, was unser Land jetzt braucht„.
Es wäre seiner Ansicht nach besser gewesen, kleine und mittlere Einkommen bei der Einkommensteuer zu entlasten und den Solidaritätszuschlag rückwirkend zum 1. Januar 2020 abzuschaffen: “Das wäre der Konjunkturimpuls gewesen, den unser Land jetzt braucht.„ Vom Kinderbonus würden hingegen viele Familien nicht profitieren, weil er mit der Steuer verrechnet werde, sagte Dürr.
Linke: Deutschland braucht keine Wunderkerze
“Deutschland braucht ein Paket der Hoffnung, keine Wunderkerze, die schnell abfackelt„, sagte Fabio De Masi (Die Linke), der Investitionen in Zukunft und sozialen Zusammenhalt forderte, “um die Depression und Verzweiflung in diesem Land zu überwinden. Und diesem Anspruch wird das Konjunkturpaket nicht gerecht„. Es sei zwar gut, dass Reiche keinen Kinderbonus erhielten und es keine Prämien für den Kauf von Autos mit Verbrennungsmotoren gebe. Aber viele Kommunen seien schon vor der Corona-Krise am Limit gewesen. Deshalb sei ein Altschuldenfonds notwendig.
Und zur Mehrwertsteuersenkung stellte De Masi die Frage, ob sich jemand einen Kühlschrank kaufe, wenn der Arbeitsplatz in Gefahr sei. Mit den rund 20 Milliarden Euro für die Umsatzsteuersenkung hätte man besser helfen können, etwa den Kinderbonus für fünf Monate auszahlen oder Selbstständigen besser helfen. De Masi befürchtet nach der nächsten Bundestagswahl einen “Kürzungshammer„, da an der Schuldenbremse festgehalten werden solle.
Grüne: Für Familien muss mehr getan werden
Der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Anton Hofreiter, lobte die Hilfen für Kommunen und die Förderung der Forschung. Er zeigte sich auch erfreut, dass keine pauschalen Unternehmenssteuersenkungen oder eine pauschale dauerhafte Abschaffung des “Rest-Solis„ in dem Paket seien. Es sei auch ein großer Erfolg der Klimabewegung, “dass es keine fossile Verbrennerprämie gab„.
Hofreiter sparte aber nicht mit Kritik: “Für die Ärmsten gibt es in dieser Krise nicht einmal einen Aufschlag auf Hartz IV.„ Für Familien müsse mehr getan werden, und die Solo-Selbstständigen habe die Koalition vergessen. Wenn man Milliarden für Konzerne habe, “sollten wir auch Milliarden für die Ärmsten haben, sonst führt das zu einer sozialen Schieflage„.
Zweites Corona-Steuerhilfegesetz
Um die aufgrund der Corona-Pandemie geschwächte Kaufkraft zu stärken und Unternehmen mit gezielten Maßnahmen zu unterstützen, haben CDU/CSU und SPD ein umfangreiches steuerliches Maßnahmenpaket (19/20058) auf den Weg gebracht. Der von CDU/CSU und SPD eingebrachte Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise sieht dazu unter anderem eine befristete Senkung der Umsatzsteuersätze vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 vor. Der Steuersatz soll in diesem Zeitraum von 19 auf 16 Prozent abgesenkt werden, der ermäßigte Steuersatz von sieben auf fünf Prozent.
Außerdem soll für jedes im Jahr 2020 kindergeldberechtigte Kind ein einmaliger Kinderbonus von 300 Euro gewährt werden. Der Kindergeldbonus wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet und bei besserverdienenden Haushalten mit dem Kinderfreibetrag verrechnet. Der Kindergeldbonus soll in zwei Teilen von je 150 Euro im September und Oktober 2020 ausgezahlt werden. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende soll für einen Zeitraum von zwei Jahren von derzeit 1.908 Euro auf 4.008 Euro angehoben werden.
Neuregelungen zugunsten der Wirtschaft
Zu den die Wirtschaft betreffenden steuerliche Maßnahmen gehören die Verschiebung der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer und die Erweiterung der Möglichkeit zum steuerlichen Verlustrücktrag für die Jahre 2020 und 2021 von fünf Millionen Euro beziehungsweise zehn Millionen Euro bei Zusammenveranlagung. Außerdem wollen die Koalitionsfraktionen eine degressive Abschreibung in Höhe von 25 Prozent für Wirtschaftsgüter einführen, die in den Jahren 2020 und 2021 angeschafft oder hergestellt werden.
Bei der Besteuerung der privaten Nutzung von Dienstwagen, die kein Kohlendioxid ausstoßen, wird der Höchstbetrag des Bruttolistenpreises von 40.000 auf 60.000 Euro erhöht. Zu den weiteren Maßnahmen gehört unter anderem die Erhöhung der maximalen Bemessungsgrundlage der steuerlichen Forschungszulage auf vier Millionen Euro im Zeitraum von 2020 bis 2025.
Für das laufende Jahr wird in dem Entwurf mit Steuermindereinnahmen von rund 23,4 Milliarden Euro gerechnet, von denen rund 20,7 Milliarden Euro auf den Bund entfallen sollen. Knapp 13 Milliarden Steuerausfälle entstehen durch die Absenkung der Mehrwertsteuer, der Kinderbonus schlägt mit 5,4 Milliarden Euro zu Buche und der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende mit 415 Millionen Euro. 2021 sollen die Steuermindereinnahmen insgesamt bei rund 12,8 Milliarden Euro liegen, davon rund 6,3 Milliarden Euro für den Bund.
Mehrwertsteuersenkung allein zulasten des Bundes
Durch eine Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern wird der Bundesanteil an der Umsatzsteuer in diesem Jahr um sechs Milliarden Euro zugunsten der Länder gesenkt. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Reduzierung der Mehrwertsteuersätze im Wesentlichen allein zulasten des Bundes auswirkt.
Den Erfüllungsaufwand für Bürger und Wirtschaft kann die Regierung nicht beziffern. Diese Angaben sollen im Laufe der parlamentarischen Beratung konkretisiert werden.
Zweites Nachtragshaushaltsgesetz
Mit dem zweiten Nachtragshaushaltsgesetz (19/20000) sollen die finanziellen Ermächtigungen zur schnellen Umsetzung entsprechender Maßnahmen geschaffen und die aus steuerlichen Entlastungen resultierenden Steuermindereinnahmen nachvollzogen werden. Insgesamt erhöhen sich die Ausgaben des Bundes in diesem Jahr mit dem zweiten Nachtragshaushaltsgesetz auf rund 509,3 Milliarden Euro. Der reguläre Haushalt 2020 umfasste Ausgaben von 362 Milliarden Euro, zu dem die mit dem ersten Nachtragshaushaltsgesetz 2020 (19/18100) am 25. März 2020 beschlossenen zusätzlichen Ausgaben von 122,487 Milliarden Euro hinzukamen.
Um kurzfristig konjunkturelle Impulse zu setzen und Folgen der Krise zu bewältigen, sollen neben steuerlichen Entlastungen vor allem 25 Milliarden Euro für Überbrückungshilfen zur Existenzsicherung kleiner und mittelständischer Unternehmen, drei Milliarden Euro von insgesamt zehn Milliarden Euro für vorgezogene Investitionen, zwei Milliarden Euro für den Ausbau von Ganztagsschulen, Ganztagsbetreuung und Kindertagesbetreuung und weitere 250 Millionen Euro zu Unterstützung regionaler Wirtschaftsstrukturen bereitgestellt werden.
Die Finanzkraft der Länder und Kommunen soll durch Mittel für die Kompensation von Gewerbesteuerausfällen, zur Unterstützung bei der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs und für die höhere Übernahme von Kosten der Unterkunft in der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestärkt. Zur Verbesserung der Liquiditätssituation des durch Beitragsmindereinnahmen und Mehrausgaben stark belasteten Gesundheitsfonds und der sozialen Pflegeversicherung will der Bund kurzfristig ergänzende Bundeszuschüsse in Höhe von 5,3 Milliarden Euro zahlen.
26 Milliarden Euro für Energie- und Klimainvestitionen
Zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen sollen dem Energie- und Klimafonds für entsprechende Maßnahmen rund 26 Milliarden Euro zugewiesen werden. Davon dienen elf Milliarden Euro der Senkung der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Große außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sollen bereits in diesem Jahr mit 500 Millionen Euro unterstützt werden. Die Deutsche Bahn AG soll mit fünf Milliarden Euro gestärkt werden. Für internationale Maßnahmen werden zusätzlich rund 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt.
Bisher aus einer mit dem ersten Nachtragshaushaltsgesetz veranschlagten Globalen Vorsorge finanzierte pandemiebedingte Mehrausgaben sollen nun konkret veranschlagt werden, schreibt die Regierung. Mindereinnahmen resultieren im Wesentlichen aus steuerlichen Entlastungen in Höhe von rund 25 Milliarden Euro durch die allein vom Bund getragene befristete Absenkung der Mehrwertsteuer und eines steuerlich finanzierten Kinderbonus. Hinzu kommen weitere Steuerausfälle in Höhe von rund sieben Milliarden Euro, die aus dem Nachziehen der Ergebnisse des Arbeitskreises Steuerschätzung vom Mai 2020 resultieren. Zum Haushaltsausgleich werden die Einnahmen aus Krediten um rund 62,5 Milliarden Euro auf rund 218,5 Milliarden Euro erhöht.
Begleitgesetz von CDU/CSU und SPD
An den Haushaltsausschuss überwiesen wurde auch ein Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD über begleitende Maßnahmen zur Umsetzung des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets (19/20057). Um die Zweckbestimmung für die Unterstützung des weiteren Ausbaus der Mobilfunkinfrastruktur zu erweitern, ist vorgesehen, das Gesetz zur Errichtung des Sondervermögens “Digitale Infrastruktur„ (Digitalinfrastrukturfondsgesetz) zu ändern. Hierzu werden im Sondervermögen bis 2025 zusätzlich fünf Milliarden Euro, abzüglich der Verwaltungskosten der Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft, bereitgestellt.
Damit die Länder und Gemeinden die Aufgaben beim Ausbau der Kindertagesbetreuung besser bewältigen können, unterstützt sie der Bund im Rahmen des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets durch weitere Finanzhilfen für Investitionen in zusätzliche Betreuungsplätze und deren Ausstattung und stellt dafür in den Jahren 2020 und 2021 eine Milliarde Euro bereit. Die gemeinsame Finanzierung durch Bund und Länder von 90.000 zusätzlichen Plätzen für Kinder von der Geburt bis zum Schuleintritt wird mit der Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder (Artikel 2) und des Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetzes (Artikel 3) umgesetzt, heißt es im Gesetzentwurf.
Die durch die Covid-19-Pandemie hervorgerufenen konjunkturellen Auswirkungen hätten den Strommarkt deutlich beeinträchtigt, schreiben die Fraktionen. Um Belastungen der daraus resultierenden nachteiligen Auswirkungen auf die Stromverbraucher zu vermeiden und um rasch einen konjunkturellen Impuls zu setzen, solle die Möglichkeit geschaffen werden, durch Ausgleichsleistungen die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zurückzuführen.
Antrag von CDU/CSU und SPD
Wie es im Antrag von CDU/CSU und SPD für einen Bundestagsbeschluss gemäß Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 und 7 des Grundgesetzes (19/20128) heißt, seien staatliche Maßnahmen in erheblichem Umfang erforderlich, um die Folgen der Krise schnell zu überwinden und gleichzeitig einen Modernisierungsschub auslösen zu können. Auf Grund des Ausmaßes der Krise bestehe weiterhin eine außergewöhnliche Notsituation im Sinne von Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 des Grundgesetzes. Der zweite Nachtragshaushalt 2020 sehe zur Finanzierung dieser Maßnahmen eine Aufnahme von Krediten vor, die die Regelgrenze des Grundgesetzes um 118,741 Milliarden Euro überschreitet. Die Voraussetzungen für die Überschreitung der Obergrenze lägen gemäß Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 des Grundgesetzes vor, heißt es
Daher solle der Bundestag folgenden Tilgungsplan beschließen: Die im Bundeshaushalt 2020 aufgrund der Ausnahmeregelung gemäß Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 des Grundgesetzes aufgenommenen Kredite zur Finanzierung seiner Ausgaben werden ab dem Bundeshaushalt 2023 sowie in den folgenden 19 Haushaltsjahren in Höhe von jeweils einem Zwanzigstel des Betrages der Kreditaufnahme, der nach Abschluss des Bundeshaushalts 2020 die nach Artikel 115 Absatz 2 Satz 2 und Satz 3 des Grundgesetzes zulässige Verschuldung überstiegen hat, zurückgeführt.
Anträge der Linken und der AfD
Ebenfalls erstmals beraten wurden weitere drei Anträge der Fraktion Die Linke mit den Titeln “Clubs und Festivals über die Corona-Krise retten„ (19/20027), “Kein Konjunkturpaket für die Rüstungsindustrie„ (19/20036) und “Rettungsschirm und Zukunftsoffensive für den öffentlichen Nahverkehr„ (19/20031). Beim erstgenannten Antrag liegt die Federführung für die weitere Beratung beim der Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen, beim zweitgenannten beim Verteidigungsausschuss und beim letztgenannten Antrag wird es der Verkehrsausschuss sein.
Ebenfalls federführend im Verkehrsausschuss beraten wird ein Antrag der AfD mit dem Titel “Deutscher Automobilindustrie zeitnah helfen, Bahnrettung statt Konzernrettung, Berichte des Bundesrechnungshofs auch in der Krise beachten und umsetzen„ (19/20072).
Erster Antrag der AfD
Die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gezahlten Überbrückungshilfen für Kleinunternehmer, Freiberufler, Landwirte und Solo-Selbständige sollen steuerfrei gestellt werden, fordert die AfD-Fraktion in ihrem ersten Antrag (19/20071). Die Corona-Hilfen stellten in steuerlicher Hinsicht Betriebseinnahmen dar, die besteuerbar seien und bei der Gewinnermittlung berücksichtigt werden müssten, heißt es in dem Antrag. Die Steuerpflicht gelte gleichermaßen für die entsprechenden Zuschüsse in den Ländern. Nach Angaben der Fraktion wurden vom Bund zur Unterstützung von Kleinunternehmern und Solo-Selbstständigen 50 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass von diesen Hilfen etwa 12,5 Milliarden über Steuern vom Staat wieder vereinnahmt würden.
Zugleich fordert die AfD-Fraktion die Herausnahme des Kurzarbeitergeldes aus dem sogenannten steuerlichen Progressionsvorbehalt. Wie erläutert wird, ist das Kurzarbeitergeld nach dem Einkommensteuergesetz zwar steuerfrei, jedoch würden die Leistungen in die Ermittlung des Steuersatzes einbezogen, was im Ergebnis regelmäßig zu Nachzahlungen bei der Einkommensteuer führe. Deshalb seien Arbeitnehmer, die im Jahr 2020 insgesamt mehr als 410 Euro an Kurzarbeitergeld erhalten hätten, zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet. Bei den derzeit über zehn Millionen Beschäftigten in Kurzarbeit müssten von den Finanzämtern im kommenden Jahr Millionen von Steuererklärungen zusätzlich bearbeitet werden. Diese unnötige bürokratische Belastung werde entfallen, wenn das Kurzarbeitergeld aus dem Progressionsvorbehalt herausgenommen werde.
Zweiter Antrag der AfD
Für den Kauf neu zugelassener Kraftfahrzeuge soll nach den Vorstellungen der AfD-Fraktion ab 1. Juli 2020 dauerhaft der ermäßigte Umsatzsteuersatz erhoben werden, um private Endkunden zu entlasten und diese zu einer Kaufentscheidung im zweiten Halbjahr 2020 zu bewegen. In ihrem Antrag (19/20072) wird zudem die Abschaffung aller Förderprämien für den Autokauf, “die einem technologieneutralen Vorgehen widersprechen„, insbesondere bei der Förderung von batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugen, gefordert. Außerdem soll sich die Bundesregierung der Vorlage zufolge auf europäischer Ebene für eine Aussetzung der “unerfüllbaren EU-Festlegungen für den Flottenverbrauch„ einsetzen. Gleichzeitig müssten auch die Kohlendioxid-Grenzwerte für Pkw auf realistische 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer festgelegt werden, wird verlangt.
In dem Antrag kritisiert die AfD-Fraktion auch die geplanten Hilfen für die Deutsche Bahn AG (DB AG). Die Bundesregierung wird aufgefordert, “sich dem Gesamtsystem Eisenbahn verpflichtet zu fühlen, nicht jedoch allein einem staatseigenen Konzern, der sich weltweiten wirtschaftlichen Risiken aussetzt„. Die Konstruktion eines “weltumspannenden Logistik-Kombinats„ sei durch Verkauf der Auslandsaktivitäten der DB AG zu beenden, wird verlangt. “Nur die der deutschen Volkswirtschaft dienenden Unternehmensteile dürfen durch deutsches Steuergeld gerettet werden„, schreibt die AfD-Fraktion.
Erster Antrag der FDP
Die FDP fordert in ihrem Antrag zum Neustart für Deutschland (19/20050), auf die geplante befristete Absenkung der Umsatzsteuersätze zu verzichten und stattdessen, den sogenannten Mittelstandsbauch im Einkommensteuertarif vollständig über drei Jahre bis 2023 abzuschaffen, den dritten Tarifeckwert der Einkommensteuer von heute etwa 56.000 Euro auf 70.000 Euro im Jahr 2021 zu verschieben, den Solidaritätszuschlag vollständig und rückwirkend zum 1. Januar 2020 abzuschaffen und eine befristete, einmalige “negative Gewinnsteuer„ mit einer deutlichen Erweiterung der steuerlichen Verlustverrechnung einzuführen.
Darüber hinaus will die Fraktion die Thesaurierungsbestimmungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit verbessern, die Abschreibungsbedingungen zur Förderung von Investitionen vor allem durch eine befristete degressive Abschreibung über maximal drei Jahre für alle beweglichen Wirtschaftsgüter und durch eine befristete degressive Abschreibung für Immobilien und verbesserte Abschreibungsbedingungen für digitale Wirtschaftsgüter zu verbessern.
Zweiter Antrag der FDP
Im Zusammenhang mit der Corona-Krise gezahlte Lohnersatzleistungen sollen nicht dem steuerlichen Progressionsvorbehalt unterliegen. Auch sollen die betroffenen Empfänger von diesen Lohnersatzleistungen von der Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung befreit werden, fordert die FDP-Fraktion in ihrem zweiten Antrag (19/20051). Wie es darin heißt, ist der Bezug von Kurzarbeitergeld wie auch anderer Lohnersatzleistungen steuerfrei. Für Empfänger dieser steuerfreien Lohnersatzleistungen werde allerdings für das übrige Einkommen, das vor oder nach dem Einsatz der Unterstützung bezogen worden sei, ein besonderer Steuersatz angewendet. Dieses Verfahren führe in vielen Fällen zu Steuernachzahlungen. Daher habe der Gesetzgeber für diese Fälle auch eine Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung vorgesehen, auch wenn ansonsten eine Abgabe nicht erforderlich wäre.
Eigentlich sollte der steuerliche Progressionsvorbehalt zu einer leistungsgerechten Besteuerung führen, weil aus Sicht des Gesetzgebers auch steuerfreie Einkünfte die steuerliche Leistungsfähigkeit grundsätzlich erhöhen würden, erläutert die FDP-Fraktion. “Die aktuelle Situation in Deutschland führt zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemlagen, nicht jedoch zu starken Verschiebungen der finanziellen Leistungsfähigkeit„, analysieren die Abgeordneten. Besonders die Vielzahl der Fälle, in denen Menschen steuerfreie Leistung aufgrund der Pandemie-Auswirkungen erhalten würden, spreche für eine “steuerpolitisch großzügige Regelung„.
Erster Antrag der Linken
Die Linke fordert in ihrem ersten Antrag (19/20027) die Bundesregierung auf, ein Corona-Nothilfeprogramm für Clubs und Festivals aufzulegen. Musik-Clubs und -Festivals sollten als Kultureinrichtungen anerkannt werden. Das beinhalte die bau- und steuerrechtliche Gleichstellung mit Programmkinos, Theatern oder Konzerthäusern. Die Fraktion will ferner ein Kündigungsmoratorium für die gesamte Dauer der Corona-Pandemie. Das bis zum Ende Juni 2020 befristete Kündigungsmoratorium solle bis mindestens zum Ende der Pandemie verlängert werden.
Für den Zeitpunkt nach der Pandemie fordert die Fraktion die Einführung eines Gewerbemietrechts, das verhindert, dass Clubs unmittelbar nach der Krise gekündigt werden und das Betroffenen auch nach der Krise eine sichere Perspektive gibt. Eine klare Rechtsgrundlage müsse dafür geschaffen werden, dass die Miete in zumutbarer Höhe bei Corona-bedingten Einnahmeausfällen gesenkt werden muss. Geraten Vermietende aufgrund von Mietsenkungen in wirtschaftliche Notlagen, solle ein einzurichtender Härtefallfonds des Bundes die Mietausfälle ausgleichen. So würden Vermietende an den Krisenkosten beteiligt und leisteten ihren Beitrag zum Erhalt der kulturellen Vielfalt.
Darüber hinaus verlangt die Fraktion passgenaue Zuschüsse für Clubs sowie für kleine und mittlere Festivals. Zusätzlich zu den bestehenden Programmen von Bund und Ländern solle ein “Nothilfefonds Club- und Festivalkultur„ Mittel zur Verfügung stellen, die den Besonderheiten und Bedürfnissen der Club- und Festivalbranche entsprechen. Die Höhe und Dauer der Hilfen müssten Clubs und Festivals eine sichere Perspektive über die gesamte Zeit der Pandemie geben. Die Planung des zukünftigen Programms müsse ermöglicht werden. Bereits bewilligte öffentliche Fördermittel sollten nicht zurückgefordert werden. Die Mittelverwendung will die Fraktion flexibilisieren.
Zweiter Antrag der Linken
Die Linke fordert in ihrem zweiten Antrag (19/20036) eine Änderung des vom Koalitionsausschuss der Bundesregierung beschlossenen Konjunkturpakets. Der Bundestag solle es ablehnen, neue Rüstungsprojekte in Höhe von bis zu zehn Milliarden Euro vorzuziehen, da diese Mittel angesichts der Corona-Krise anderweitig benötigt würden.
Die Linke fordert die Streichung neuer Rüstungsprojekte aus der Liste der jetzt vorzuziehenden geplanten Aufträge und Investitionen. Sie lehnt außerdem das vereinbarte, eine halbe Milliarde Euro teure “Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr„ ab und fordert ebenfalls dessen Streichung aus der Projektliste.
Dritter Antrag der Linken
Unternehmen, die im Rahmen von Corona-Hilfsmaßnahmen staatliche Unterstützung erhalten haben, sollen ab einer Betriebsgröße von 250 Mitarbeitern an geeigneter Stelle auf diese Unterstützung hinweisen müssen, fordert die Linksfraktion in ihrem dritten Antrag (19/20034), der im Haushaltsausschuss beraten wird. Dies solle für Hilfen aus der Bundesagentur für Arbeit, soweit diese aus dem Bundeshaushalt besichert oder finanziert werden, der Kreditanstalt für Wiederaufbau und insbesondere für Hilfen aus dem Bundeshaushalt gelten. Außerdem soll ein der Öffentlichkeit zugängliches Register geschaffen werden, das erkennen lässt, welche Unternehmen welche Corona-Hilfen in Anspruch genommen haben.
Die Fraktion begrüßt Staatshilfen, die die Folgen der Corona-Pandemie abmildern helfen. Die Öffentlichkeit habe aber ein Recht zu erfahren, wohin diese Hilfen gehen.
Vierter Antrag der Linken
Die Linke fordert die Bundesregierung in ihrem vierten Antrag (19/20031), der im Verkehrsausschuss beraten wird, auf, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der vorsieht, ein Förderpaket in Höhe von 100 Millionen Euro aufzulegen für pandemiebedingte Investitionen der Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs. Dazu zählt die Fraktion die Aufrüstung von Klimaanlagen mit Filtereinrichtungen zur Verringerung der Virenverbreitung, Trennscheiben bei Bussen, Umbaumaßnahmen bei Ticketverkaufsstellen und zusätzliche Ticketautomaten.
Die im Konjunkturpaket beschlossene zusätzliche Aufstockung der Regionalisierungsmittel des Bundes zur Finanzierung des Regionalverkehrs als pandemiebedingte Beihilfe für die Jahre 2020 und 2021 will die Fraktion einmalig um jeweils 2,5 Milliarden Euro auf fünf Milliarden Euro ausweiten. Im Jahr 2022 sollen die Mittel um eine Milliarde Euro und in den Folgejahren bis 2030 jährlich um weitere 500 Millionen Euro erhöht werden. (hle/vom/vst/19.06.2020)