Die Stärkung der Wissenschaftskommunikation war am Mittwoch, 27. Mai 2020, Thema eines öffentlichen Fachgesprächs des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung unter Vorsitz von Eberhard Gienger (CDU/CSU). Die Sachverständigen waren sich überwiegend darin einig, dass Wissenschaftskommunikation immer wichtiger werde, sie institutionell auch in der Forschung stärker verankert werden müsse und Wissenschaftsjournalismus stärker finanziert werden solle. Zur Anhörung lagen ein Antrag von CDU/CSU und SPD (19/16044) und der FDP-Fraktion (19/17517) vor.
„Auf unzulässige Vereinfachung verzichten“
Wissenschaftskommunikation sei lange Zeit institutionelle Kommunikation gewesen, vorrangig mit dem Ziel, die eigenen Leistungen darzustellen, zu zeigen, was man im Wettbewerb geschafft habe, machte Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), deutlich: „Das hat sich in den letzten Jahren durchaus geändert“, wissenschaftliche Erkenntnis müssten nun auch nachvollziehbar vermittelt werden.
Zudem unterstrich Alt, dass „Wissenschaftskommunikation nur erfolgreich sein könne, wenn sie auf den entsprechenden Erkenntnissen der Forschung zur Wissenschaftskommunikation aufbaue. Dazu gehöre, dass sie auf unzulässige Vereinfachung komplexer Sachverhalte verzichten muss. Wissenschaft ist kein Glaubensartikel, kein Mythos, kein Ritual, sondern eine rationale Angelegenheit“, sagte Alt.
„Wissenschaft befindet sich in einem Vertrauenshoch“
Auch Dr. Stefan Brandt, Direktor des Futurium („Haus der Zukünfte“), betonte diesen Punk und machte deutlich, dass es darum gehe, Wissenschaft als Haltung zu vermitteln. Guter Wissenschaft gehe es eben nicht nur um „richtig“ oder „falsch“, sondern „um Wahrhaftigkeit in einer durch Neugier angetriebene Suche“.
Brandt unterstrich, dass sich die Wissenschaft derzeit in einem Vertrauenshoch befinde. Ob es sich dabei tatsächlich um eine dauerhaft gestärkte Vertrauensbasis handele, müsse sich aber erst noch erweisen.
„Wichtig ist die Qualität der Kommunikation“
Beatrice Lugger (Nationales Institut für Wissenschaftskommunikation) sagte: „Dass wir so gut kommunizierende Forschende haben, war in Deutschland nicht vorherzusehen, sondern ist ein großes Glück.“ Derzeit erlebe die Gesellschaft, wie Wissenschaft funktioniere und auch, dass es innerhalb der Wissenschaften eine Meinungsvielfalt gebe. Dennoch sei Wissenschaftskommunikation bislang nicht als eigenständiges Thema in der wissenschaftlichen Ausbildung vorgesehen und müsse gefördert werden.
Lugger sagte: „Wichtig für die Förderung der Kommunikation von Forschenden mit Öffentlichkeit und Medien ist dabei nicht primär die Quantität an Kommunikation, sondern deren Qualität.“ Es gehe nicht darum, dass alle Wissenschaftler massenhaft die Medien bespielen, aber sie sollten wissen, wie Kommunikation funktioniert.
„Langfristige Förderung unerlässlich“
Prof. Dr. Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, unterstrich, dass der Dialog zwischen Forschung und Öffentlichkeit auch als fundamentale Leistung der Wissenschaft gefördert werden muss. Für eine grundsätzliche Absicherung der Akteure in der Wissenschaftskommunikation seien Konzepte für die langfristige Förderung unerlässlich.
Dr. Jan-Martin Wiarda, Journalist für Bildung und Wissenschaft, erinnerte daran, dass schon 2015 im Ausschuss für Bildung und Forschung über Wissenschaftskommunikation debattiert worden sei. „Seitdem ist aber wenig passiert.“ Wiarda trat dafür ein, Wissenschaftskommunikation zum verpflichtenden Bestandteil in jedem größeren Forschungsprojekt zu machen.
„Institutionenübergreifender Referenzraum“
Prof. Dr. Gerald Haug, Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, forderte einen „interdisziplinären und institutionenübergreifenden Referenzraum“ zu drängenden gesellschaftlichen und politischen Themen, die wissenschaftlich erforscht werden.
Er müsse sich auf Unabhängigkeit, wissenschaftlicher Exzellenz, Transparenz und Freiheit von Partikularinteressen gründen, herausragende Wissenschaftler müssten beteiligt sein, die in den internationalen wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Beratungsprozess eingebunden sind.
„Ausreichend Ressourcen bereitstellen“
Dr. Steffi Ober vom Naturschutzbund Deutschland betonte, dass Wissenschaftskommunikation sich nicht länger darauf beschränken dürfte, entweder wissenschaftliche Publikationen für das Fachpublikum oder Hochglanzbroschüren für die Allgemeinheit zu präsentieren.
Wissenschaftskommunikation sollte vor allem die Menschen in ihrem Prozess des Fragens und Forschens mitnehmen. Dazu müssten ausreichend Ressourcen bereitgestellt werden.
„Freie Journalisten vor prekären Situationen“
In welchem Dilemma der Wissenschaftsjournalismus aus ihrer Sicht steckt, machte Nicola Kuhrt, Mitglied im Vorstand Wissenschaftspressekonferenz (WPK) und Medizinjournalistin, deutlich. Während dem Wissenschaftsjournalismus auf der einen Seite aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik Systemrelevanz attestiert werde und die Menschen wie nie zuvor auf wissenschaftsjournalistische Beiträge zugreifen würden, würden auf der anderen Seite Verlage Budgets kürzen.
Gerade freie Journalisten würden teilweise vor prekären Situationen stehen. „Beim nächsten Großereignis, bei der wir der systemrelevanten Arbeit der Wissenschaftsjournalisten bedürfen, werden erheblich weniger Kollegen und Kolleginnen da sein, die diese Arbeit noch leisten können“, mahnte Kurth und trat für eine Stiftung zur Förderung des Wissenschaftsjournalismus ein.
„Guter Wissenschaftsjournalismus fungiert als Kläranlage“
Auch Volker Stollorz, Redaktionsleiter und Geschäftsführer des „Science Media Center Germany“, setzte sich für einen guten und starken Wissenschaftsjournalismus ein: „Erst durch eine unabhängige wissenschaftsjournalistische Beobachtung kann die Gesellschaft realistische Erwartungen gegenüber den Wissenschaften ausbilden. Guter Wissenschaftsjournalismus zertifiziert verlässliches Wissen unabhängig von der selbst vermittelten Wissenschaftskommunikation.“
Stollorz betonte, guter Wissenschaftsjournalismus fungiere als „Kläranlage“ für richtige und wichtige Argumente und immunisiere Menschen gegen Desinformation und stärke die Demokratie.
Antrag von CDU/CSU und SPD
CDU/CSU und SPD wollen in ihrem Antrag (19/16044), dass Wissenschaftskommunikation einer breiten Öffentlichkeit die Ergebnisse von Forschung, ihre praktische Anwendung, wissenschaftliche Fragestellungen und Methoden vermittelt und Aufklärung leistet. Die Wissenschaft müsse dabei unterstützt werden, sich einer möglichen Spaltung der Bevölkerung von wissenschaftsaffinen und einer größeren Zahl von wissenschaftsfernen oder wissenschaftsfeindlichen Menschen entgegenzustellen.
Um die Wissenschaftskommunikation zu stärken, solle der Wissenschaftsrat bei der Ausarbeitung von Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Wissenschaftskommunikation an Hochschulen und Forschungseinrichtungen unterstützt werden. Mit den Mitgliedern der Allianz der Wissenschaftsorganisationen sollen Konzepte für gute Wissenschaftskommunikation in Zusammenarbeit mit den Medien und der Wissenschaft entwickelt werden. Auch mit den Akademien der Wissenschaften solle diskutiert werden, wie diese stärker zur Qualität der Kommunikation beitragen können. Dabei sollen neue Formen des Wissenstransfers gefördert, der Stand der Umsetzung von guter Wissenschaftskommunikation wissenschaftlich reflektiert werden.
Grundsätzlich wollen die Fraktionen Institutionen wie das „Haus der kleinen Forscher“ weiter absichern, um auch schon Kinder und Jugendliche an natur- und technikwissenschaftliche Fragestellungen heranzuführen. Auch die Wissenschaftskommunikation in der Erwachsenenbildung soll gefördert werden.
Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/17517), die Wissenschaftskommunikation zu stärken. So soll Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Wissenschaft vermittelt werden, Bürger sollen stärker in die Kommunikation über Wissenschaft und ihre Entwicklungen einbezogen werden. Es sollen mehr als bisher diejenigen Menschen erreicht werden, die sich nicht ständig und unmittelbar mit Wissenschaft beschäftigen. Ein besonderes Augenmerk solle darauf gelegt werden, was die Bürger angesichts der Informationen über wissenschaftliche und technologische Entwicklung bewegt, beunruhigt oder was sie gar an den Botschaften zweifeln lässt.
Nach Ansicht der Fraktion solle Wissenschaftskommunikation nicht wie bislang üblich vor allem auf das Bildungsbürgertum ausgerichtet sein. Sie müsse alle Schichten der Gesellschaft erreichen, was gerade in Zeiten wachsender Wissenschaftsfeindlichkeit eine Herausforderung sei. Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Methoden würden immer häufiger infrage gestellt. Um dem entgegenzutreten, möchte die FDP auch die Forschung über Wissenschaftskommunikation stärken.
Dazu gehöre auch die Frage, in welchen Bereichen der Gesellschaft sich Wissenschaftsskepsis, „Fake News“, Desinformation und Pseudowissenschaften besonders ausbreitet, ob sich mit KI-basierten Lösungen die Informationsflut aus der Wissenskommunikation sinnvoll kanalisieren lässt und welche Initiativen der Wissenschaftskommunikation dazu beitragen können, Glaubwürdigkeit zu schaffen. (rol/27.05.2020)
Liste der Sachverständigen
- Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz
- Prof. Dr. Antje Boetius, Universität Bremen, Direktorin des Wegener Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
- Dr. Stefan Brandt, Direktor Futurium Berlin,
- Prof. (Eidgenössische Technische Hochschule Zürich) Dr. Gerald Haug, Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, Halle (Saale)
- Nicola Kuhrt, Vorstandsmitglied WPK – Die Wissenschaftsjournalisten Wissenschafts-Pressekonferenz e. V., Köln
- Beatrice Lugger, Geschäftsführerin und Direktorin des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (NaWik), Karlsruhe
- Dr. Steffi Ober, Leitung Forschungswende, Zivilgesellschaftliche Plattform Forschungswende, Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW e. V.), Berlin
- Volker Stollorz, Science Media Center Germany gGmbH, Köln
- Dr. Jan-Martin Wiarda, Wissenschafts- und Bildungsjournalist