Streit über Strategien in der Gesundheitspolitik
Nach der von Bund und Ländern beschlossenen Lockerung der Vorschriften in der Corona-Krise fordert die Opposition langfristige Strategien zur Stärkung von Gesundheit und Pflege. Das jetzt vorgelegte zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (19/18967) beinhalte zwar einige begrüßenswerte Regelungen, reiche aber nicht aus, kritisierten Redner der Opposition am Donnerstag, 7. Mai 2020, in der ersten Beratung über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen. Im Anschluss wurde der Entwurf zur weiteren Beratung an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen.
Anträge der Opposition
Ebenfalls im Gesundheitsausschuss überwiesen wurden neun Anträge der Oppositionsfraktionen. Dazu zählen ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Verordnungsermächtigung des Bundesministeriums der Gesundheit einschränken – Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufheben“ (19/18999), drei Anträge der FDP-Fraktion mit den Titeln „Prozesse im Gesundheitswesen durch Digitalisierung modernisieren“ (19/18946), „Vom Reagieren zum Agieren – Pandemievorbereitung schon jetzt beginnen“ (19/18950) und „Eine verlässliche Datenlage zur Ausbreitung von Covid-19 in Deutschland schaffen“ (19/18952), ein Antrag der Linken mit dem Titel „Häusliche Pflege und pflegende Angehörige unterstützen“ (19/18749) sowie vier Anträge von Bündnis 90/Die Grünen mit den Titeln „Pflegende Angehörige unterstützen – Nicht nur in der Corona-Krise“ (19/18957), „Die ambulante medizinisch-therapeutische Versorgung von besonders vulnerablen Gruppen sichern – Die Leistungserbringer unter den Schutzschirm nehmen“ (19/18956), „Wertschätzung für Pflege- und Gesundheitsberufe ausdrücken – Corona-Prämie gerecht ausgestalten“ (19/18940) und „Diskriminierung von homosexuellen und transgeschlechtlichen Menschen bei der Blutspende beenden“ (19/17797).
Für ihre Vorlage auf Drucksache 19/18956 hatten Bündnis 90/Die Grünen Federführung beim Familienausschuss gewünscht. Die Mehrheit des Hauses votierte gegen die Stimmen der Antragsteller für Federführung beim Ausschuss für Gesundheit.
Minister: Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte im Plenum, in der Krise müsse es kontroverse Debatten geben, die aber konstruktiv sein sollten, sie dürften nicht spalten oder polarisieren. Die Pandemie habe gezeigt, wozu das Land in der Krise fähig sei, wenn die Gesellschaft zusammenhalte. Spahn sagte, ein Ziel des Gesetzentwurfs sei die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD). Es werde künftig darum gehen, bei Neuinfektionen eine zügige Nachverfolgung von Kontaktpersonen sowie Meldewege zu organisieren. Dazu werde der ÖGD auch digital besser ausgerüstet. Der ÖGD sei ein wichtiger Pfeiler in der Krise. Die ausgeweiteten Tests seien notwendig, um schnell reagieren zu können bei Infektionsherden, wie sie etwa schon bei Pflegeheimen beobachtet worden seien.
Der Minister betonte, die Mitarbeiter im Gesundheitswesen hätten das Land bisher gut durch die Krise gebracht. Die jetzt angedachten Prämien für die Pflegekräfte seien daher gerechtfertigt. Die finanzielle Anerkennung der Leistung sei ebenso wichtig wie der Applaus.
SPD: Aufmerksamkeit für Familien mit Behinderten
Die SPD-Abgeordnete Bärbel Bas sagte, alle hätten derzeit den Wunsch, schrittweise wieder in eine normale Lebenssituation zurückzukehren. Dazu hätten Bund und Länder weitreichende Entscheidungen getroffen. Bei den Ländern liege nunmehr sehr viel Verantwortung.
Auch Bas wies auf die Bedeutung der zahlreichen Corona-Tests hin, denn nur so könne die Pandemie unter Kontrolle gebracht werden. Über die Finanzierung könne allerdings gestritten werden, denn die Kosten würden allein der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgebürdet. Es sei daher sinnvoll, sich langfristig mit der Finanzierungsfrage zu befassen. Bas forderte außerdem mehr Aufmerksamkeit für Familien mit Behinderten und die ambulante medizinische Rehabilitation.
AfD: Indirekte Nötigung, sich impfen zu lassen
Nach Ansicht der AfD sollte die vom Bundestag zu Beginn der Pandemie getroffene Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wieder aufgehoben werden. Die Voraussetzungen dafür lägen nicht mehr vor, sagte Detlev Spangenberg (AfD). Ohnehin sei die weitreichende Befugnis des Bundesgesundheitsministeriums infolge einer solchen Feststellung zu hinterfragen, zumal eine Legaldefinition fehle, was eine epidemische Lage von nationaler Tragweite eigentlich sei.
Er ging auch kritisch auf den sogenannten Immunitätsausweis ein, der ursprünglich im Gesetzentwurf enthalten war und vorsah, dass genesene Corona-Patienten sich ihre Immunität bescheinigen lassen könnten, sofern der dauerhafte Schutz wissenschaftlich belegt wäre. Spangenberg sprach von einer indirekten Nötigung, sich impfen zu lassen.
FDP: Corona-Krise nicht die letzte Pandemie
Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP) kritisierte, es sei nicht ausgeschlossen, dass der Immunitätsausweis später „aus der Versenkung“ hervorgeholt werde. Er forderte eine detaillierte Vorbereitung auf die mögliche nächste Pandemie, denn die Corona-Krise werde angesichts der Globalisierung und des Klimawandels nicht die letzte sein.
Was die geplante Ausweitung der Corona-Tests betrifft, wandte sich auch Ullmann dagegen, die Kosten allein den Beitragszahlern zu überlassen. Die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes dürfe zudem nicht zulasten des Bundes gehen, dies sei Ländersache.
Linke: Höhere Löhne für Pflegekräfte
Dr. Achim Kessler (Die Linke) forderte ein grundsätzliches Umdenken in der Gesundheitspolitik und vor allem in der Organisation der Krankenhäuser. Selbst in der Krise sei die Bundesregierung nicht bereit, die gravierenden Probleme anzugehen. So führten die Fallpauschalen zu Kostendruck und Pflegenotstand. Es sei blanker Hohn, wenn die Pflegekräfte nun mit einer Prämie abgespeist würden. Statt einer Einmalzahlung seien attraktive Arbeitsbedingungen und höhere Löhne nötig.
Wenn die Kliniken nun in den Normalzustand zurückkehren sollten, sei das wieder mit Zwölf-Stunden-Schichten verbunden, das sei verantwortungslos. Kessler forderte, die Fallpauschalen sofort auszusetzen und zur Selbstkostendeckung zurückzukehren. Nötig sei ferner ein Personalschlüssel nach Bedarf, auch für Fälle der Krise. Die Kliniken müssten zurück in die öffentliche Hand. Die mögliche Einführung eines Immunitätsausweises nannte Kessler „brandgefährlich“. Dies wäre ein starker Anreiz für absichtliche Infektionen. Letztlich führe dies zu Diskriminierung und Stigmatisierung. Es sei gut, dass die Regelung vom Tisch sei.
Grüne warnen vor vielen Toten
Bündnis 90/Die Grünen warnten davor, mit den jüngsten Lockerungen das Ende der Krise herbeizureden. Maria Klein-Schmeink sagte, bisher sei es lediglich gelungen, die Pandemie zu begrenzen. Es müsse jedoch damit gerechnet werden, dass viele Menschen an dem Virus sterben. Sie betonte: „Es wäre fatal, davon auszugehen, dass die Probleme der Pandemie nicht mehr bestehen.“
Mit dem Gesetzentwurf würden wichtige Dinge angeschoben, das reiche aber nicht. So hätten alle Gesundheitsmitarbeiter, die besonderen Risiken ausgesetzt seien, eine Prämie verdient, nicht nur die in der Pflege. Den Streit über die Höhe der Prämie nannte sie „kleinlich“. Auch die Grünen-Abgeordnete warnte davor, die künftigen Reihentests nur von der gesetzlichen Krankenversicherung zahlen zu lassen. Das Testen werde sehr viel Geld kosten und sei eine gesellschaftliche Aufgabe. Der Gesetzentwurf müsse an der Stelle geändert werden.
CDU/CSU wendet sich gegen Linke
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) sagte, es sei noch nicht alles überstanden, „aber es gibt Anlass zur Freude“. Umso ärgerlicher seien populistische Debatten, fügte der CSU-Politiker in Anspielung auf die Linksfraktion hinzu.
Die Linke fordere ein staatliches Krankenhauswesen, kritisiere jedoch das staatliche Krankenhausmodell in Großbritannien. Auch in staatlichen Systemen seien die Mittel knapp.
Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD
Mit dem Gesetz soll unter anderem die vom Corona-Kabinett beschlossene Übernahme der Behandlungskosten für Intensivpatienten aus EU-Ländern durch den Bund sowie der Zehn-Punkte-Plan zum personellen und technischen Ausbau des ÖGD umgesetzt werden.
Für das Infektionsschutzgesetz sieht der Entwurf vor, eine gesetzliche Meldepflicht in Bezug auf Covid-19 und Sars-CoV-2 dauerhaft zu verankern. Das betrifft auch die neuen Meldepflichten zur Genesung und bei negativem Labortest. Covid-19-Tests sollen auf Dauer von den Krankenkassen bezahlt werden, auch Tests des ÖGD. Zudem sollen bereits jetzt Vorbereitungen für die Versorgung mit Influenza-Impfstoff für die Grippesaison 2020/2021 getroffen werden, um das Gesundheitswesen für den Fall einer andauernden Belastung durch die Coronavirus-Pandemie zu entlasten.
Zu den weiteren Inhalten des geplanten Gesetzes gehören Regeln zum Schutz von privat Krankenversicherten vor Nachteilen durch das „Abrutschen“ in den Basistarif der privaten Krankenversicherung aufgrund vorübergehender Hilfsbedürftigkeit.
Antrag der AfD
Die AfD fordert in ihrem Antrag (19/18999), der Bundestag solle feststellen, dass die Voraussetzungen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nicht mehr vorliegen. Sämtliche Einschränkungen der Grund- und Bürgerrechte sollten mit sofortiger Wirkung beendet werden.
Mit dem Ende März in Kraft getretenen Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage sei eine starke Kompetenzverschiebung in Richtung der Exekutive und zahlreichen Grundrechtseinschränkungsmöglichkeiten in Form von Anordnungen und Verordnungen getreten, heißt es zur Begründung. Weil aber mittlerweile mehr Menschen genesen seien als sich neu infizierten und der Ausbruch beherrschbar sei, gebe es keine Grundlage mehr für derart starke Einschränkungen.
Erster Antrag der FDP
Die FDP fordert die Bundesregierung in ihrem ersten Antrag (19/18946) auf, die elektronische Patientenakte einzuführen und um die Möglichkeiten für die Patientinnen und Patienten zu ergänzen, sowohl Arzttermine zu vereinbaren und an sie erinnert zu werden als auch Telekonsultationen mit dem behandelnden Arzt durchzuführen. Die Vernetzungsprozesse zwischen niedergelassenen Haus- und Fachärzten, akutstationären Kliniken, Rettungsdiensten, ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen und Rehabilitationskliniken will die Fraktion beschleunigen und die vollständige Interoperabilität aller Akteure im deutschen Gesundheitssystem durch Hochfahren der digitalen Konnektivität gewährleisten.
Eingeführt werden müsse zudem das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (Demis), damit es künftig keine Fehler bei der Übermittlung der aktuellen Fallzahl von Infizierten geben kann und der Meldeverzug verkürzt wird. Die Fraktion will ferner den Aufbau eines bundesweiten Netzwerks, mit dem hochwertige wissenschaftliche Erkenntnisse der Medizin für alle Leistungserbringer zugänglich gemacht werden. Gleichzeitig müsse ein digitaler Anlaufpunkt zur medizinischen Informationsversorgung geschaffen werden. Dort sollten auch die Patienten nach dem Willen der FDP wissenschaftlich gesicherte Informationen erhalten.
Zweiter Antrag der FDP
Für die Vorbereitung auf die nächste Pandemie sollen regelmäßig Trainings und Simulationen von Pandemieplänen stattfindenden, fordert die FDP in ihrem zweiten Antrag (19/18950). Für die Vorratshaltung von hochwertigen Schutzausrüstungen (Mund- und Nasenschutzmasken, Schutzkittel und Desinfektionsmittel) solle das Bundesgesundheitsministerium bis 1. Januar 2021 ein Konzept, ausarbeiten, ohne dass eine staatliche nationale Reserve zulasten der Steuerzahler aufgebaut wird.
Für eine tiefgreifende Analyse, welche Maßnahmen zusätzlich getroffen werden müssen, müsse eine Expertenkommission eingesetzt werden, heißt es in dem Antrag. Diese Kommission solle spätestens sechs Monate nach Beendigung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite einen ersten Evaluationsbericht mit weiteren Plänen zur Pandemievorbereitung vorlegen.
Dritter Antrag der FDP
Die FDP verlangt in ihrem dritten Antrag (19/18952), regelmäßig repräsentative Viruslast- und Antikörperstudien durchzuführen, die dazu geeignet sind, die Ausbreitung des Covid-19-Virus aufzuzeigen. Auch solle sich die Regierung dafür einsetzen, dass alle Personen obduziert werden, deren Todesursache im Zusammenhang mit dem Covid-19-Virus stehen könnte.
Ferner müsse dafür gesorgt werden, dass die entstehenden Kosten erstattet werden. Die gewonnenen Daten müssten der Öffentlichkeit und der Wissenschaft kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Antrag der Linken
Die Linksfraktion fordert in der Corona-Krise mehr Unterstützung für die häusliche Pflege und pflegende Angehörige. Die häusliche Pflege durch ambulante Pflegedienste, pflegende Angehörige und meist osteuropäische 24-Stunden-Kräfte sei nicht nur unterfinanziert, es fehle auch ein ganzheitliches Netz von Unterstützungsangeboten, heißt es in dem Antrag (19/18749) der Fraktion.
Die Abgeordneten fordern unter anderem ein frei verfügbares Entlastungsbudget zur Finanzierung der häuslichen Pflege und einen Anspruch auf Pflegezeit mit Lohnersatzleistung in Höhe des Elterngeldes für beschäftigte pflegende Angehörige.
Erster Antrag der Grünen
Die Grünen fordern die Bundesregierung in ihrem ersten Antrag (19/18957) unter anderem auf, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen der Infektionsschutz für pflegebedürftige Menschen und Pflegepersonen erhöht wird. Pflegepersonen sollten mit einer ausreichenden Anzahl geeigneter Schutzausrüstung (Masken, Schutzkleidung) und Desinfektionsmitteln ausgestattet werden. Pflegenden Angehörigen sollte der Zugang zu regelmäßigen Tests auf Covid-19 ermöglicht ebenso ermöglicht werden wie dem professionellen Pflegepersonal, schreibt die Fraktion.
Sie will ferner Kommunen beim Aufbau von Unterstützungsstrukturen vor Ort unterstützen. Eine bundesweit einheitliche und barrierefreie Notfall-Hotline, die kommunal betrieben wird und an die sich die Pflegepersonen wenden können, um Hilfe vor Ort zu erhalten, solle eingerichtet werden. Gleiches gelte für ein zentrales, digitales Register und damit die Auffindbarkeit und Erreichbarkeit von Notbetreuungsangeboten, etwa in Kurzzeit- und Tagespflegeeinrichtungen. Die Fraktion tritt zudem für eine Lohnersatzzahlung für pflegende Angehörige für bis zu sechs Wochen ein, wenn bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite keine Betreuungsmöglichkeit, wie in der Tagespflege, verfügbar ist.
Zweiter Antrag der Grünen
In ihrem zweiten Antrag (19/18956) fordern die Grünen von der Bundesregierung, einen Gesetzentwurf einzubringen, durch den unter anderem Leistungserbringer im Pflegebereich finanzielle Unterstützung im Falle von pandemiebedingten Ausfällen beziehungsweise Mehrausgaben gewährt wird.
Auch solle die Regierung darauf hinwirken, dass die bis zum 31. Mai 2020 befristeten Sonderregelungen aufgrund der Covid-19-Pandemie des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 27. März 2020 für die Dauer der epidemischen Lage verlängert werden. Darüber hinaus müsse der gesetzlich geforderte Online-Abgleich der auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeicherten Daten zum bis zum 30. September auszusetzen, um eine unbürokratische Ausstellung von Verordnungen nicht weiter zu behindern.
Dritter Antrag der Grünen
Die Grünen fordern die Bundesregierung in ihrem dritten Antrag (19/18940) auf, dafür zu sorgen, dass Beschäftigte im Gesundheits-, Pflege- und Assistenzbereich, die besonderen Risiken durch die Corona-Pandemie ausgesetzt sind, zur Anerkennung zeitnah eine Corona-Prämie erhalten. Sichergestellt werden müsse auch, dass die Gegenfinanzierung der Corona-Prämie gänzlich aus Steuermitteln gezahlt wird.
Auch solle die Regierung umgehend mit der „doppelten Pflegegarantie“ eine Reform der Pflegeversicherung einleiten, die das Risiko künftiger Kostensteigerungen in der Langzeitpflege „von den wenigen Schultern der Pflegebedürftigen auf die Versichertengemeinschaft fair umverteilt“ und einen Steuerzuschuss für die Pflegeversicherung vorsieht.
Vierter Antrag der Grünen
Die Grünen fordern die Bundesregierung in ihrem vierten Antrag (19/17797) auf, bei der Bundesärztekammer darauf hinzuwirken, dass die Richtlinie Hämotherapie überarbeitet wird, indem die „pauschalen, wissenschaftlich nicht haltbaren und diskriminierenden“ Rückstellungen von Personengruppen von einer Blutspende gestrichen werden und die Neufassung den Anstieg der antiretroviralen Therapie und die Zulassung der HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) berücksichtigt. Die Fraktion verweist auf eine Richtlinie der Bundesärztekammer von 2017, wonach schwule und bisexuelle Männer Blut spenden dürfen, wenn sie ein Jahr lang keinen Sex hatten. Damit seien sie praktisch von einer Blutspende ausgeschlossen, auch wenn sie monogam lebten oder nur Safer-Sex hätten.
Zudem würden „transsexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ als gesonderte Gruppe erwähnt, obwohl sie bereits entweder als „heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ oder „Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben (MSM)“ bereits zurückgestellt würden. Dies suggeriere eine besondere Ansteckungsgefahr, die von transsexuellen Personen ausgehen könne, heißt es in dem Antrag. (pk/hau/07.05.2020)