Die geplanten steuerlichen Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie wie eine Senkung der Umsatzsteuer auf die Abgabe von Speisen in Restaurants von 19 auf sieben Prozent sind am Montag, 25. Mai 2020, in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses von der betroffenen Branche und den Gewerkschaften begrüßt worden. Mehrere Sachverständige sprachen sich in der von der Vorsitzenden Katja Hessel (FDP) geleiteten Anhörung jedoch für zusätzliche steuerliche Maßnahmen zugunsten der Wirtschaft wie eine bessere Berücksichtigung von Verlusten aus. Außerdem wurde wegen der stark zugenommenen Tätigkeiten im Homeoffice eine verbesserte steuerliche Anerkennung der Aufwendungen dafür angeregt.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband erinnerte daran, dass er aus Gründen des fairen Wettbewerbs die Senkung der Umsatzsteuer auf Speisen seit Jahrzehnten gefordert habe. Die Maßnahme sei jetzt wichtiger denn je. Sie helfe den „speisegeprägten“ Betrieben des Gastgewerbes in der schwierigen Zeit bis zur Normalität, die massiven Umsatzausfälle ein wenig zu kompensieren. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Speisen gelte zudem in 17 von 27 EU-Mitgliedstaaten.
Gesetzentwurf der Koalition und der Regierung
Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD (19/19150) sowie ein wortgleicher Entwurf der Bundesregierung zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (19/19379) sehen eine Reduzierung des Umsatzsteuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen von 19 auf sieben Prozent vor. Die Steuersenkung soll vom 1. Juli dieses Jahres bis zum 30. Juni 2021 gültig sein. Die Abgabe von alkoholischen und alkoholfreien Getränken bleibt allerdings von der Steuersenkung ausgenommen.
Geplant ist zudem eine steuerliche Besserstellung für Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld. Entsprechend der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung sollen Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld und zum Saison-Kurzarbeitergeld bis 80 Prozent des Unterschiedsbetrages zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt steuerfrei gestellt werden. Daneben enthält der Entwurf weitere Regelungen zum Umsatzsteuer- und zum Umwandlungssteuergesetz. Gegenstand der Anhörung waren außerdem zwei Anträge der AfD-Fraktion zu steuerlichen Fragen im Zusammenhang mit der Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie (19/18727, 19/19164) und ein Antrag von Bündnis 90/Grünen /19/19134).
„Ermäßigter Steuersatz auch für Getränke“
Das Institut der Wirtschaftsprüfer plädierte angesichts der „schwierigen Abgrenzung“ dafür, die Lieferung von Menüs oder ähnliche Leistungen, die ein Getränk beinhalten, einheitlich unter den ermäßigten Steuersatz fallen zu lassen. Mit Blick auf den Zweck des Gesetzes, den besonders schwer und langanhaltend betroffenen gastronomischen Betrieben zu helfen, wäre es „konsequent und unbürokratisch“, die Abgabe sämtlicher Getränke ebenfalls dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen, erklärte das Institut der Wirtschaftsprüfer.
Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) kann die Umsatzsteuersenkung einen spürbaren Beitrag zur wirtschaftlichen Entlastung eines großen Teils der Gastronomiebetriebe leisten, die unter der erzwungenen, aber zweifellos erforderlichen Schließung besonders gelitten hätten. Der DGB wies aber darauf hin, dass Kleinstbetriebe und Schankwirtschaften wegen der Herausnahme des Getränkeverkaufs aus der Steuersenkung keinerlei Nutzen davon hätten.
„Auf Umsatzsteuersenkung verzichten“
Dagegen verlangte Prof. Dr. Christoph Sprengel von der Universität Mannheim einen Verzicht auf die Umsatzsteuersenkung. Diese sei „denkbar ungeeignet, systematisch fragwürdig, populistisch und ganz und gar nicht zielführend“. Besser seien direkte und kalkulierbare Liquiditätshilfen für alle von der Krise betroffenen Branchen wie Verlustrückträge. Für Prof. Dr. Johanna Hey (Universität zu Köln) bleibt der Gesetzentwurf weit hinter dem zurück, was aktuell erforderlich sei. „Damit das Gesetz seinen Namen verdient, sollten Maßnahmen im Bereich der Verlustverrechnung, namentlich die Ausweitung des Verlustrücktrags, aufgenommen werden“, verlangte die Wissenschaftlerin.
Prof. Dr. Lars P. Feld (Universität Freiburg) bezeichnete die Umsatzsteuerreduzierung als „relativ wirkungslos“. Verlustrückträge hätten eine bessere Wirkung. Ähnlich äußerte sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der sich für schnelle Liquiditätshilfen und eine Stärkung des Eigenkapitals der Betriebe aussprach. Prof. Dr. Frank Hechtner (Universität Kaiserslautern) konstatierte, dass die Regelung kurzfristige einzelne positive wirtschaftliche Effekte leisten könne. Eine direkte branchenbezogene Förderung wäre allerdings deutlich zu bevorzugen, da sich auch zielgenauer wirken könnte. Nach Ansicht des Instituts Finanzen und Steuern werden in den nächsten Monaten weitere Branchen in Schwierigkeiten geraten. Daher müsse der Umgang mit Risiken und Verlusten im Steuerrecht generell geändert werden.
„Bessere Verlustverrechnung für Unternehmen“
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach sich auch für eine bessere Verlustverrechnung für Unternehmen aus sowie für die Möglichkeit, eine Corona-Rücklage einzuführen. Die Forderung besserer Verlustverrechnungsmöglichkeiten wird unter anderem im Antrag der Grünen (19/19164) erhoben. Prof. Dr. Sprengel verlangte in seiner Stellungnahme eine Beseitigung von krisenverschärfenden Elementen im deutschen Unternehmenssteuerrecht. Als Beispiele nannte er die Zinsschranke oder die Hinzurechnung von Finanzierungsentgelten zur Gewerbesteuer.
Auch der Deutsche Steuerberaterverband begrüßte die im Antrag der Grünen geforderte verbesserte Verlustverrechnung „grundsätzlich in hohem Maße“. Zu den Forderungen der Organisation gehören unter anderem Verfahrensänderungen bei der Einfuhrumsatzsteuer sowie die Aufhebung der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge. Änderungen bei der Einfuhrumsatzsteuer verlangte auch die Industrie.
Pauschale Homeoffice-Kosten von 50 Euro monatlich
Der Deutsche Gewerkschaftsbund sprach sich für eine unbürokratische Anerkennung des Homeoffice als Werbungskosten aus. Die derzeit geltenden Regelungen für häusliche Arbeitszimmer seien nicht sachgerecht, weil vergleichsweise wenige Beschäftigte die Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers steuerlich geltend machen könnten. Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine empfahl, dass Arbeitgeber für jeden Monat der Tätigkeit von zu Hause aus einen pauschalen Kostensatz in Höhe von 50 Euro steuerfrei auszahlen könnten. Alternativ solle der Arbeitnehmer den Betrag als Werbungskosten geltend machen können.
Die geplante Steuerfreiheit für Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld war ebenfalls ein Thema des Bundesverbands der Lohnsteuerhilfevereine. Steuerfreie Einkommensbestandteile würden bei der Ermittlung der Steuer auf das verbleibende steuerpflichtige Einkommen berücksichtigt (Progressionsvorbehalt). Die Vorschrift vermeide eine doppelte Freistellung des steuerlichen Existenzminimums und sei somit steuersystematisch sachgerecht. Der Progressionsvorbehalt verringere zwar die steuerliche Entlastung, stelle aber eine Lastengleichheit gegenüber dem Bezug anderer steuerfreier Einnahmen her.
„Steuerfreiheit für den Corona-Bonus“
Der Bundesverband der deutschen Industrie wies darauf hin, dass viele Arbeitnehmer für das Jahr 2020 durch die steuerfreien Einkünfte eine Einkommensteuererklärung abzugeben hätten, wozu sie bisher nicht verpflichtet gewesen seien. Dadurch werde ein erheblicher Aufwand sowohl für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch für die Finanzverwaltung entstehen. Prof. Dr. Hey forderte dringend die Schaffung einer gesetzlichen Rechtsgrundlage für die Steuerfreiheit des sogenannten Corona-Bonus von bis zu 1.500 Euro, soweit dieser von einem privaten Arbeitgeber gezahlt werde. Die Steuerfreiheit sei nicht durch die bisherige Rechtslage gedeckt. Auch der Steuerberaterverband befürwortete eine gesetzliche Regelung.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände bezeichnete eine Verlängerung der Übergangsregelungen zu Paragraf 2b des Umsatzsteuergesetzes als dringend erforderlich. Interkommunale Kooperationen in Deutschland wären sonst praktisch nicht mehr wirtschaftlich durchführbar. Dies stelle einen tiefen Eingriff in das Recht auf kommunale Selbstverwaltung dar.
Erster Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem ersten Antrag (19/18727) zahlreiche steuerliche Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise. Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung reiche nicht aus, um die finanziellen Folgen der Krise zu mildern. Daher müsse es Maßnahmen im Bereich der Umsatzsteuer, im Bereich der Gewinnsteuern sowie bei gesetzlichen Fristen und bei der Verzinsung geben. Außerdem fordert die AfD- Fraktion eine sofortige Aufhebung des steuerlichen Solidaritätszuschlags. Dadurch könnten die wirtschaftlichen Folgen für Bürger und Unternehmen aufgrund der Coronavirus-Epidemie ebenfalls gemildert werden.
Im Bereich der Umsatzsteuer sei es erforderlich, den Unternehmen möglichst wenig Liquidität zu entziehen. Bei Umsatzeinbrüchen sollten die Steuervorauszahlungen sofort angepasst werden. Bei der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer geht es für die AfD vor allem um Verlustverrechnungsmöglichkeiten. Gegenwärtig sei der Verlustrücktrag zeitlich und betragsmäßig begrenzt und gelte nicht für alle Gewinnsteuern. Eine Lockerung dieser Begrenzung würde die effektive Steuerlast unmittelbar reduzieren, heißt es.
Zweiter Antrag der AfD
Die AfD fordert die Bundesregierung in ihrem ersten Antrag (19/19164) auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Umsatzsteuer in Deutschland für Speisen in der Gastronomie fair und für alle einheitlich – über den bisher vorgesehenen Zeitraum 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021 hinaus – auf einen Steuersatz von sieben Prozent gesenkt wird, um die Negativfolgen der Corona-Maßnahmen für die deutsche Gastronomie einzudämmen.
Nach fünf Jahren solle evaluiert werden, wie sich diese Maßnahme auch auf die Bürokratiekosten der Unternehmen sowie die Kosten der Verwaltung (besonders durch weniger Umsatzsteuer-Prüfungen in diesem Bereich) auswirkt. Die Evaluierungsergebnisse sollen veröffentlicht werden.
Antrag der Grünen
Um die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Epidemie zu mildern, wollen Bündnis 90/Die Grünen den steuerlichen Verlustrücktrag für Verluste aus dem Jahr 2020 zeitlich befristet ausweiten (19/19134). Dazu sollen die zu erwartenden Verluste in diesem Jahr auf Basis einer qualifizierten Schätzung durch die Unternehmen und Selbstständigen ermittelt werden und bis maximal eine Million Euro auf mehrere Jahre rücktragbar gemacht werden. Dies soll maximal bis ins Jahr 2016 möglich sein.
Zur Begründung schreiben die Abgeordneten, die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Epidemie hätten Unternehmen und Selbstständige schwer getroffen. Nach Monaten wegbrechender Umsätze sei für viele Unternehmen und Selbstständige der Erhalt von Liquidität und die Deckung laufender Kosten eine große Herausforderung. Kurzfristig hätten Kredit- und Darlehensprogramme die Liquidität von Unternehmen gesichert. Diese Kredite müssten jedoch zurückgezahlt werden. Die Unternehmen hätten damit weniger Liquidität zur Verfügung, um zu alter Leistungsfähigkeit zurückzukehren. Die Koalition habe zwar die Möglichkeit geschaffen, für das Jahr 2020 zu erwartende Verluste teilweise mit Vorauszahlungen aus dem Jahr 2019 verrechenbar zu machen. Allerdings bleibe diese Maßnahme hinter dem zurück, was in der aktuellen Krise möglich und nötig sei. (hle/25.05.2020)
Liste der Sachverständigen
- Bundessteuerberaterkammer
- Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
- Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine e. V.
- Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände
- Deutsche Steuer-Gewerkschaft e. V.
- Deutscher Gewerkschaftsbund
- Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V. (Dehoga-Bundesverband)
- Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V.
- Deutscher Steuerberaterverband e. V.
- Prof. Dr. Dr. h. c. Lars P. Feld, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
- Prof. Dr. Frank Hechtner, Technische Universität Kaiserslautern
- Prof. Dr. Johanna Hey, Universität zu Köln
- Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.