Linke will Forderungen ehemaliger Adelshäuser unterbinden
Die Fraktion Die Linke will eine Rückgabe von Kulturgütern an das Haus der Hohenzollern, die während der sowjetischen Besatzungszeit enteignet wurden, beziehungsweise eine Entschädigung verhindern. Über einen entsprechenden Antrag der Fraktion (19/14729) debattierte der Bundestag erstmals am Donnerstag, 16. Januar 2020. In ihrer Vorlage fordert Die Linke die Bundesregierung auf, sich nicht länger an den Verhandlungen zwischen der Erbengemeinschaft der Hohenzollern, dem Bund und den Bundesländern Berlin und Brandenburg zu beteiligen.
Ohne eine gerichtliche Entscheidung dürfe der Bund keine Kulturgüter an die Erbengemeinschaft zurückgeben. Sollten der Erbengemeinschaft durch eine gerichtliche Entscheidung dennoch Kulturgüter zugesprochen werden, so seien diese „im Rahmen der Enteignung beziehungsweise der Vergesellschaftung wieder der Öffentlichkeit zuzuführen“, heißt es im Antrag. Zudem seien gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen, um auch für die Zukunft Rückgabeforderungen von anderen Adelshäusern zu unterbinden.
Linke: Reichtum durch Ausbeutung
Jan Korte (Die Linke) argumentierte, dass eine Entschädigung für die Enteignungen während der sowjetischen Besatzungszeit nach dem Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 nicht infrage komme, wenn derjenige, von dem sich die Ansprüche ableiten, dem nationalsozialistischen System „erheblichen Vorschub geleistet hat“. Es stehe allerdings außer Frage, dass die Hohenzollern, namentlich der damalige Kronprinz Wilhelm von Preußen, genau dies getan habe. Dies sei von Historikern wie beispielsweise Ulrich Herbert hinreichend belegt worden.
Die Rückgabeforderungen des Hauses Hohenzollern zeigten lediglich, dass sie „mental noch nicht in der Republik“ angekommen seien. Abgesehen von den Verstrickungen im Nationalsozialismus beruhe der Reichtum von Adelshäusern wie den Hohenzollern vor allem auf der „Ausbeutung“ der Bevölkerung, führte Korte an.
CDU/CSU kritisiert „populistischen Geist“
Die kulturpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Motschmann, warf der Linken vor, sie wolle eine juristische Auseinandersetzung parteipolitisch entscheiden. Alle Menschen seien vor dem Gesetz gleich, dieser Verfassungsgrundsatz gelte auch für das Haus der Hohenzollern. Deshalb hätten diese eben auch das Recht, sich auf das Ausgleichsleistungsgesetz zu berufen. Zudem sei die Frage, ob Kronprinz Wilhelm wirklich dem Nationalsozialismus Vorschub geleistet habe, historisch nicht abschließend bewertet.
Sie verwies auf eine Studie des Historikers Christopher Clark, der dies verneine. Die Linke führe die Debatte in einem „populistischen Geist“. Motschmann warb für eine Fortsetzung der seit 2014 laufenden Verhandlungen mit der Erbengemeinschaft der Hohenzollern. Dies wäre einem langjährigen Gerichtsprozess mit offenem Ende vorzuziehen. In diesen Verhandlungen müssten sich beide Seiten aufeinander zu bewegen, um die offenen Fragen zu klären.
AfD: In einem Rechtsstaat nicht möglich
Auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Dr. Alexander Gauland hielt den Antragstellern vor, sie wollten einen historischen und juristischen Streit parteipolitisch lösen. Dies sei in einem Rechtsstaat aber nicht möglich. Gauland führte an, dass Kronprinz Wilhelm von Preußen die Nationalsozialisten zwar zunächst unterstützt habe, weil er glaubte, diese würden nach italienischem Vorbild die Rückkehr zur Monarchie innerhalb der Diktatur ermöglichen.
Jedoch habe dem Kronprinzen schlichtweg „die intellektuelle Fähigkeit gefehlt“, dem Nationalsozialismus wirklich Vorschub leisten zu können. Zu diesem Ergebnis sei auch der Historiker Clark gekommen.
FDP rügt „simplifizierten Klassenkampf“
Bei der FDP-Fraktion stieß der Antrag der Linken ebenfalls auf Ablehnung. Deren kulturpolitischer Sprecher Hartmut Ebbing kritisierte, die Linke betreibe „simplifizierten Klassenkampf“. Angesichts der Forderung, eine mögliche juristische Entscheidung zugunsten der Hohenzollern durch Enteignung oder Vergesellschaftung von Kulturgütern wieder rückgängig zu machen, frage man sich, ob die Linksfraktion noch auf dem Boden des Grundgesetzes stehe oder doch von einem „Unrechtsstaat“ träume.
Ebbing wies darauf hin, dass die neuen Bundesländer bislang mit allen anderen ehemaligen Fürstenhäusern zu außergerichtlichen und gütlichen Einigungen über Vermögensfragen gekommen seien. Dies müsse im Fall des Hauses der Hohenzollern auch ermöglicht werden.
SPD: Geschichtspolitische Dimension
Der SPD-Kulturpolitiker Helge Lindh argumentierte, die juristische Frage nach einer Rückgabe von Kulturgütern oder eine Entschädigung der Hohenzollern, könne nicht im Bundestag geklärt werden. Allerdings spreche sehr viel dafür, dass die Hohenzollern den Nationalsozialisten Vorschub geleistet hätten und deshalb eine Entschädigung nicht infrage komme. Er vertraue aber auf eine mögliche juristische Entscheidung in dieser Frage. Allerdings habe die Debatte über das Thema auch eine geschichtspolitische Dimension, über die sehr wohl im Parlament gesprochen werden müsse.
So seien angesehene Wissenschaftler, die sich mit der Thematik befasst haben, von den Hohenzollern mit Unterlassungsbegehren konfrontiert worden. So habe der Leiter des Potsdamer Zentrums für Historische Forschung in einem offenen Brief in der Zeitung „Tagesspiegel“ dies als Einschüchterung der Wissenschaft kritisiert. Dies könne der Bundestag nicht ignorieren, mahnte Lindh.
Grüne: Versuch der Einschüchterung
Auch der kulturpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Erhard Grundl, sieht in diesem Vorgehen des Hauses Hohenzollern den „Versuch der Einschüchterung“. Er forderte die Hohenzollern auf, sich transparent und ergebnisoffen mit ihrer eigenen Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.
Grundl erneuerte die Forderungen seiner Fraktion, die diese bereits im September 2019 in einem eigenen Antrag (19/13545) formuliert hatte. So solle der Bundestag in einem Beschluss festhalten, dass „Wilhelm Prinz von Preußen (vormaliger Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen) dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat“. Diese Erkenntnis müsse auch zur Grundlage für die Verhandlungen mit dem Haus Hohenzollern gemacht werden, sagte Grundl. Das Ergebnis der Verhandlungen müsse zudem in jedem Fall dem Bundestag zur Billigung vorgelegt werden. (aw/hle/sas/16.01.2020)