Fraktionen positionieren sich zu Schuldenbremse und Investitionen
Der Bundestag hat am Donnerstag, 12. Dezember 2019, erstmals über zwei Anträge der Fraktion Die Linke beraten, in denen diese auf mehr öffentliche Investitionen dringt. So fordern die Abgeordneten unter anderem, die Schuldenbremse aus dem Grundgesetz zu streichen (19/14424) und eine „Investitionspflicht“ einzuführen (19/14375). Ein von der Fraktion angekündigter dritter Antrag mit dem Titel „Öffentliche Investitionen für ein zukunftsfähiges Deutschland“ wurde von der Tagesordnung abgesetzt. Beide Anträge wurden zur weiteren Beratung in den federführenden Haushaltsausschuss überwiesen.
Abgelehnt wurde mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen bei Enthaltung der AfD ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Schuldenbremse stärken und keine Lobby-Politik zulasten kommender Generationen“ (19/10616), zu dem der Haushaltsausschuss eine Beschlussempfehlung (19/15159) vorgelegt hatte.
Linke fordert Rückkehr zur goldenen Regel der Haushaltspolitik
Fabio de Masi (Die Linke) sagte zu Beginn der Debatte, nicht nur seine Fraktion, sondern auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) würden Schuldenbremse und schwarze Null kritisieren. „DGB und BDI fordern ein Investitionsprogramm von 457 Milliarden Euro über zehn Jahre, um Deutschland fit für die Zukunft zu machen“, sagte der Linken-Abgeordnete.
Damit würden auch private Investitionen angereizt und Tausende Jobs gesichert. „BDI und Die Linke streiten Seit an Seit für vernünftige Wirtschaftspolitik. Was für verrückte Zeiten“, sagte de Masi. Er forderte die Rückkehr „zu einer goldenen Regel der Haushaltspolitik“, der zufolge Kredite in Höhe der Investitionen zulässig seien.
CDU/CSU: Es gibt ein Umsetzungsproblem bei Investitionen
Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) entgegnete: „Früher haben Linke für Gerechtigkeit und Chancengleichheit gekämpft. Heute für neue Schulden.“ Wolle man aber die Konjunktur beleben, seien Steuersenkungen sinnvoll, „damit die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt“. Rehberg warf den Befürwortern neuer Schulden Geschichtsvergessenheit vor. Die Eurokrise vor zehn Jahren sei eine Folge der Überschuldung gewesen. Die Linksfraktion, so der Unionsabgeordnete, rede zwar von Investitionen, meine aber massive Ausgabensteigerungen.
Im Bundeshaushalt für 2020 seien im Übrigen Investitionen in Höhe von 43 Milliarden Euro geplant, was ein Rekord sei. „Wir haben kein Finanzierungsproblem, sondern ein Umsetzungsproblem bei Investitionen“, sagte er. Zugleich wies Rehberg darauf hin, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz stehe und kritisierte „Aufrufe zum Rechtsbruch“.
AfD: Nichtinvestive Ausgaben streichen
Peter Boehringer (AfD) verwies auf Verschuldungsrisiken, die sich aus den „Eurorettungsvehikeln“ ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) und EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) gäben. Auch die Staatsanleihen der Euro-Südländer, die die Europäische Zentralbank billionenschwer in ihren Büchern habe, stellten eine künftige deutsche Neuverschuldung dar, ebenso wie die ungedeckten Pensionsverpflichtungen des Staates. „Die Summen, um die es hierbei geht, sprengen die Begrenzung der heutigen Schuldenbremse um das Hundertfache“, sagte Boehringer.
Anstatt die Schuldenbremse zu streichen, müssten die „von linker Ideologie getragenen nichtinvestiven Ausgaben“ gestrichen werden, forderte er. Das schaffe Spielraum für echte Investitionen. Derzeit gebe es nämlich einen kaum vorstellbaren Etikettenschwindel. So werde Hungerhilfe im Ausland als klassische Investition verbucht. Auch die Ausgaben für globale Entwicklungshilfe seien als Investitionen fehldeklariert, kritisierte der AfD-Abgeordnete.
SPD gegen Aufhebung der Schuldenbremse
Auch wenn die Opposition versuche, Krisen herbeizureden, sollte man das Grundgesetz besser nicht im Stundentakt ändern, befand Andreas Schwarz (SPD). Der jüngst verabschiedete Haushalt sehe Rekordinvestitionen in Höhe von 43 Milliarden Euro vor, sagte er. Diese seien „verantwortungsvoll und sozial ausgewogen“. Forderungen nach Aufhebung der Schuldenbremse lehnte Schwarz ab. Es sei nicht sinnvoll, sich ohne Not zu verschulden, „wissend, wir bekommen das Geld gar nicht ausgegeben“.
Trotz vorhandenem Geld würden gerade in den Ländern die Investitionen nicht umgesetzt. Einer der Hauptgründe für den Investitionsstau in Deutschland sei nicht die Schuldenbremse, „sondern überforderte Planungsämter bei Bund, Ländern und Gemeinden, ebenso wie zu komplizierte Fördervorschriften und eine völlig ausgelastete Bauwirtschaft“.
FDP: Deutschland benötigt einen Strukturwandel
Für Otto Fricke (FDP) wären die Forderungen der Linken eventuell nachvollziehbar, wenn seit Einführung der Schuldenbreme die Investitionen zurückgegangen wären. Die Investitionen gingen aber nach oben, wenngleich aus Sicht der FDP nicht stark genug. Der Linken, so vermutete Fricke, gehe es aber gar nicht um Zukunftsinvestitionen, sondern um Wahlgeschenke. Das, was Deutschland eigentlich benötige, sei ein Strukturwandel, sagte der FDP-Abgeordnete. Darüber würden jedoch die Linken ebenso wenig wie die Große Koalition reden.
„Nur wenn wir den Strukturwandel hinbekommen, werden wir ausreichende Mittel haben, um den Sozialstaat zu sichern, um in die Zukunft zu gehen und auch um zu investieren“, sagte Fricke. Letzteres sei in zu geringem Umfang passiert. „Wir haben seit 2007 368 Milliarden Euro an Zinsen gespart und seit 2013 240 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen“, rechnete der FDP-Abgeordnete vor. Davon sei fast nichts in zusätzliche Investitionen gegangen, sondern in Konsum und „kurzfristige Beglückung“.
Grüne: Öffentliche Investitionen deutlich steigern
Anja Hajduk (Bündnis 90/Die Grünen) forderte eine deutliche Steigerung bei den öffentlichen Investitionen. Das sei klar belegt, weil es einen Investitionsstau bei den Kommunen von 140 Milliarden Euro gebe. Auch für den benötigten Strukturwandel würden große Investitionen benötigt, sagte Hajduk. Die Grünen-Abgeordnete sprach sich auch für schnellere Planungsverfahren aus. Ihre Fraktion sei bereit, darüber Gespräche mit der Großen Koalition zu führen. Zu lange Planungsverfahren und zu große Umsetzungsschwierigkeiten hemmten Investitionen und auch das Vertrauen in die Umsetzungsfähigkeit von Politik.
Hajduk sagte weiter, es sei falsch, die Abschaffung der Schuldenbremse zu fordern. Es gebe Investitionsspielräume „auch ohne die Schuldenbremse aufzuheben“, befand sie. Reden müsse man aber auch darüber, ob es sich nicht lohnen könne, die Schuldenbremse weiterzuentwickeln „zu einer atmenden Schuldenbremse gemäß den europäischen Regeln“, die den abgesunkenen Gesamtschuldenstand zur Maßgabe mache.
„Schuldenbremse aus dem Grundgesetz streichen“
Die Linke schlägt in ihrem ersten Antrag (19/14424) vor, die sogenannte Schuldenbremse aus dem Grundgesetz zu streichen und durch eine Neuregelung zu ersetzen, die höhere Investitionen ermöglichen soll. In einem Antrag verweist die Fraktion darauf, dass Deutschland einen „im internationalen Maßstab massiven Investitionsstau“ verzeichne und „die öffentliche Infrastruktur auf Verschleiß“ fahre. Gleichzeitig ließen sich durch die aktuellen Konditionen am Markt für deutsche Staatsanleihen Investitionen „historisch günstig finanzieren“. „Vor diesem Hintergrund wird die Schuldenbremse zunehmend als Investitionsbremse kritisiert“, heißt es in dem Antrag weiter.
Die Fraktion fordert von der Bundesregierung einen Gesetzentwurf, mit dem die bisherige Regelung im Artikel 109 Absatz 3 des Grundgesetzes, nach der der Bund und die Länder ihre Haushalte grundsätzliche ohne Neuverschuldung auszugleichen haben, durch eine „Goldene Regel“ ersetzt wird. Nach dieser sollen nach dem Willen der Linken „die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen nicht überschreiten dürfen“.
Antrag zur Einführung einer „Investitionspflicht“
In ihrem zweiten Antrag (19/14375) plädiert die Linksfraktion für die Einführung einer Investitionspflicht. Sie begründet ihren Vorstoß mit Verweis auf den Zustand der öffentlichen Infrastruktur und Berechnungen diverser Institutionen zum Investitionsstau. Von der Bundesregierung fordern die Abgeordneten einen Gesetzentwurf, um den Erhalt der öffentlichen Infrastruktur als Sachkapital in die langfristige Finanzplanung einzubeziehen.
Damit soll den Linken zufolge eine „Verpflichtung des Bundes zum Erhalt des Sachkapitals durch Investitionen mindestens in Höhe des natürlichen Verschleißes (Nettoinvestitionen gleich oder größer als null) in jedem Haushaltsjahr“ einhergehen.
FDP-Antrag abgelehnt
Die FDP setzt sich in ihrem abgelehnten Antrag (19/10616) für ein „Update“ und eine Stärkung der sogenannten Schuldenbremse für Bund und Länder ein. Sie forderte von der Bundesregierung, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Nach dem Willen der Liberalen sollte damit erstens sichergestellt werden, dass die Schuldenbremse nicht durch den Einsatz einer privatrechtlichen Beteiligungsgesellschaft der öffentlichen Hand umgangen werden kann. Zweitens verlangte die Fraktion „einheitliche und öffentlich kontrollierte Maßstäbe und Berechnungsmethoden“ für die Schuldenbremse.
Die Liberalen kritisierten, dass die Länder versuchen würden, über die Festlegung eigener Berechnungsmethoden die Schuldenbremse aufzuweichen. Drittens sollt eine „wirksame Tilgungsverpflichtung auch für ausnahmsweise zulässige Schulden“ eingeführt werden, forderte die Fraktion mit Verweis auf die noch nicht zurückgezahlten Kredite im Zusammenhang mit dem Investitions- und Tilgungsfonds. Viertens verlangten die Abgeordneten, einen Verstoß gegen die Schuldenbremse automatisch zu sanktionieren.
„Schuldenbremse hat der politischen Kultur gutgetan“
Mit dem Antrag sprachen sich die Liberalen gegen Überlegungen aus, die Schuldenbremse, die seit 2016 für den Bund und ab 2020 für die Länder gilt, aufzuweichen. Die im Artikel 109 des Grundgesetzes normierte Regelung gibt vor, dass die Neuverschuldung grundsätzlich nicht über 0,35 Prozent des nominellen Bruttoinlandsprodukts steigen darf. Die Schuldenbremse habe nicht nur den öffentlichen Haushalten, „sondern auch der politischen Kultur unseres Landes gutgetan“, schreiben die Liberalen.
Haushaltsdefizite und öffentlicher Schuldenstand seien deutlich gesunken. Zudem habe die Regel dazu geführt, dass „die Politik dank der Schuldenbremse heute auf die Prinzipien von Generationengerechtigkeit und Bürgersouveränität verpflichtet“ sei. Rufe nach einer Aufweichung oder Abschaffung der Regel kündeten hingegen von einem „Rückfall in kurzfristige Lobby-Politik“. Grundsätzlich sprachen sich die Liberalen zudem gegen zusätzliche konsumtive Ausgaben aus. Stattdessen sollte auf Investitionen gesetzt werden. Statt die Zinsersparnisse durch die Schuldenbremse dafür zu nutzen, „versucht diese Bundesregierung, ihre abnehmende Popularität mit immer neuen Wohlfühl-Programmen zurückzukaufen“, kritisierte die FDP-Fraktion in dem Antrag. (scr/sas/12.12.2019)