Einschätzungen der Fraktionen zu Tafeln und Altersarmut
Dass die Tafeln in Deutschland, die bedürftige Menschen kostenlos mit Lebensmitteln versorgen, Alarm geschlagen haben, sie würden den Ansturm kaum noch bewältigen, nahm die Fraktion Die Linke zum Anlass, eine Aktuelle Stunde zum Thema „Immer mehr Rentnerinnen und Rentner leben von der Tafel – Altersarmut bekämpfen“ zu beantragen. Am Mittwoch, 11. Dezember 2019, debattierte der Bundestag deshalb wieder einmal über dieses Thema, aber eine Annäherung zwischen den Koalitionsfraktionen und der Opposition war keineswegs zu erkennen. Die FDP warf der SPD wiederholt vor, „hartherzig“ zu sein, Die Linke warf der Union eine Blockadehaltung vor und die Grünen attackierten die AfD, sich einerseits zur Verteidigerin der Geringverdiener aufzuschwingen, aber gleichzeitig für eine Lockerung der Tarifbindung zu werben.
Linke kritisiert Anstieg prekärer Arbeit
Susanne Ferschl (Die Linke) bezeichnete es als Ausdruck des Versagens der deutschen Sozialpolitik, dass Tafeln überhaupt nötig seien, und kritisierte den Anstieg prekärer Arbeit in Deutschland.
Jeder fünfte Beschäftigte würde mittlerweile für einen Niedriglohn arbeiten, aber „wer ein Leben lang unter zwölf Euro Stundenlohn gearbeitet hat, der muss im Alter aufs Amt“, sagte Ferschl. Sie forderte die Unionsfraktion auf, ihre Verweigerungshaltung in Sachen Mindestlohn zu beenden.
CDU/CSU kündigt Versicherungspflicht für Selbstständige an
Peter Weiß (CDU/CSU) bezeichnete es als schwierig, aus der Arbeit der Tafeln, die eine nützliche Einrichtung seien, Rückschlüsse auf die Altersarmut zu ziehen. Denn nur drei Prozent der Rentner seien auf Grundsicherung im Alter angewiesen, das zeige, dass die gesetzliche Rentenversicherung leistungsfähig sei.
Die wichtigere Frage sei, wie man die Löcher stopfe, die dadurch entstünden, dass viele nie Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen, wie zum Beispiel viele Selbstständige. Hier wolle die Koalition mit einer Versicherungspflicht bald den nächsten Schritt tun, kündigte Weiß an.
AfD: Renten- und Sozialpolitik hat völlig versagt
Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) sprach vor dem Hintergrund des Appells der Tafeln von einem „völligen Versagen“ in der Renten- und Sozialpolitik der vergangenen Jahre. Der Niedriglohnsektor sei bis heute ein strukturelles Problem, denn „aus niedrigen Löhnen werden später niedrige Renten“, sagte die AfD-Abgeordnete.
Sie kritisierte außerdem die Kürzung des Rentenniveaus und die Belastung der gesetzlichen Rentenversicherung mit beitragsfremden Leistungen, die sich allein in diesem Jahr auf 34 Milliarden Euro belaufen würden. „Das ist Geld, mit dem Altersarmut gemildert werden könnte, wenn es die Rentenversicherung denn hätte“, sagte sie.
SPD setzt auf höhere Löhne und höhere Tarifbindung
Ralf Kapschack (SPD) schlug der AfD-Fraktion vor, erstmal ein eigenes Rentenkonzept zu entwickeln, bevor sie das bestehende kritisiere. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) würden 60 Prozent der Menschen, die Anspruch auf Grundsicherung im Alter hätten, diesen gar nicht einlösen. „Armut beginnt nicht erst mit dem Bezug von Grundsicherung, sie beginnt früher. Wenn man sich keinen Kinobesuch mehr leisten kann, führt das zu einem Gefühl der Ausgrenzung“, sagte er.
Die Koalition habe jedoch in den vergangenen Jahren viel für die Stärkung der Rentenversicherung getan. Der beste Schutz vor Altersarmut seien jedoch höhere Löhne und eine höhere Tarifbindung, so Kapschack.
FDP will Freibetrag für die Anrechnung der Rente
Pascal Kober (FDP) konnten diese Ausführungen nicht milde stimmen, er kritisierte in seiner Rede vor allem die SPD. Es sei völlig unverständlich, warum sich die SPD einer einfachen und gerechten Lösung verweigere, um das Problem der Altersarmut in den Griff zu kriegen. Die Grundrente etwa erst nach 35 Beitragsjahren zu gewähren, sei zutiefst ungerecht, weil alle anderen, die diese Zeiten nicht vorweisen können, leer ausgingen, sagte Kober.
Die FDP strebe dagegen für alle einen Freibetrag von 20 Prozent für die Anrechnung der Rente in der Grundsicherung im Alter an. Doch diesem Vorschlag wie auch höheren Hinzuverdienstgrenzen bei Hartz IV verweigere sich die SPD. Das sei halbherzig, betonte er.
Grüne: Altersarbeit gegen Altersarmut keine Empfehlung
Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) warf der FDP daraufhin vor: „Sie wollen wirklich sehr weit zurück.“ Es könne doch nicht ernsthaft die Empfehlung sein, im Alter weiter zu arbeiten, um Armut zu verhindern. Ein Freibetrag, wie ihn die Liberalen vorschlagen, bedeute, dass die Menschen weiter im System der Grundsicherung bleiben.
Ähnlich verhalte es sich mit dem Modell der Grundrente, auf das sich die Koalition kürzlich geeinigt habe. Die AfD wiederum mache im Wirtschaftsausschuss Stimmung gegen die Tarifbindung, während sie in dieser Debatte vorgebe, für bessere Löhne zu streiten, kritisierte Kurth. (che/11.12.2019)