Kontroverse um AfD-Forderungen zur Syrienpolitik
Der Bundestag hat am Freitag, 15. November 2019, erstmalig über einen Antrag der AfD mit dem Titel „Kriegerische Eskalationen im Nahen Osten vermeiden – Über eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Vorderen Orient Stabilität schaffen“ (19/15064) beraten. Im Anschluss wurde der Antrag zusammen mit drei weiteren Syrien-Anträgen der AfD mit den Titeln „Für eine neue Syrienpolitik – Frieden sichern, Wiederaufbau fördern“ (19/15066), „Sanktionen gegen Arabische Republik Syrien aufheben – Wiederaufbau ermöglichen“ (19/15065) und „Diplomatische Beziehungen zur Arabischen Republik normalisieren – Nachhaltigen Befriedungsprozess initialisieren“ (19/15067) zur Weiterberatung an den federführenden Auswärtigen Ausschuss überwiesen.
AfD: Außenpolitik an den Realitäten orientieren
Nach Ansicht von Frank Pasemann (AfD) steht die fortwährende Ächtung des syrischen Regimes unter Führung des „rechtmäßigen Staatspräsidenten Assad“ einem Versöhnungs- und Wiederaufbauprozess entgegen. Die deutsche Außenpolitik sollte sich an den politischen Realitäten orientieren und die diplomatischen Beziehungen zur syrischen Republik wieder intensivieren. Er verwies darauf, dass sich zurzeit 767.000 syrische Staatsbürger in Deutschland aufhalten würden, „die meisten davon in unseren Sozialsystemen“. Eine neue Syrienpolitik, die es ihnen ermögliche, in ihre Heimat zurückzukehren, sei daher auch „im Interesse Deutschlands“.
Paulus‘ Fraktionskollege Armin Paulus Hampel schlug außerdem eine Friedens- und Stabilitätskonferenz nach Vorbild der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) 1973 in Helsinki vor.
Linke: Sanktionen gegen Syrien beenden
Für ein Ende der Sanktionen gegen Syrien und eine Beteiligung Deutschlands am Wiederaufbau des Landes sprach sich auch die Linksfraktion aus. „Wir brauchen eine 180-Grad-Wende in der Syrienpolitik“, befand Sevim Dağdelen. Es habe nichts mit humanitärer Politik zu tun, den Menschen Lebensmittel und Medikamente zu verweigern.
Außerdem müsse die Bundesregierung aufhören, Waffen an Diktatoren zu schicken und ein umfassendes Waffenembargo gegen den „Verbrecher Assad“ erlassen. Dağdelen betonte, trotz des Waffenstillstands gingen die Kämpfe im Norden und Osten Syriens weiter.
CDU/CSU: Keine normalen Beziehungen mit Assad
Die übrigen Fraktionen warfen der AfD vor, mit ihren Anträgen vor allem auf die Rückführung der syrischen Flüchtlinge in Deutschland zu zielen.
„Ihnen geht es darum, die Flüchtlinge so schnell wie möglich wieder loszuwerden“, urteilte etwa Elisabeth Motschmann (CDU/CSU), die darauf verwies, dass der Bürgerkrieg keinesfalls beendet sei. Mit einem „Verbrecher“ wie Assad könne man keine normalen Beziehungen aufbauen.
Grüne: Schulen und Krankenhäuser werden bombardiert
Ähnlich äußerte sich Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen). Es sei zynisch, dass die AfD nicht erwähne, dass in Idlib nach wie vor systematisch Schulen und Krankenhäuser bombardiert würden, sagte er. In den Anträgen finde sich auch kein Wort über die syrischen Foltergefängnisse.
Rückkehrer würden teilweise für die syrische Armee zwangsrekrutiert, berichtete er, das syrische Regime habe viele Besitztümer der Geflüchteten zwangskonfisziert. Ein Wiederaufbau, stellte Nouripour klar, könne nur beginnen, „wenn es Versöhnung gibt“.
SPD: Keine politische Lösung in Sicht
Auch Aydan Özoğuz (SPD) betonte, es sei weiterhin keine politische Lösung in Sicht, die Sicherheit für alle Syrer ermögliche. Rückkehrern drohten Festnahme, Enteignung und Folter: „Das ist keine Option.“
Deutsche Hilfen für den Wiederaufbau machten nur Sinn, wenn es eine dauerhafte und stabile politische Lösung und eine verlässliche Regierung in Syrien gebe, urteilte sie ähnlich wie Omid Nouripour.
CDU/CSU: AfD will sicheres Syrien vorgaukeln
Jürgen Hardt (CDU/CSU) nahm auf Pressemeldungen Bezug, wonach Abgeordnete der AfD beabsichtigten, Anfang kommender Woche nach Damaskus zu reisen und dort mit Vertretern der syrischen Assad-Regierung, Parlamentariern und Geistlichen zusammenzutreffen.
Damit wolle die Fraktion der Öffentlichkeit offenbar beweisen, wie sicher Syrien ist, mutmaßte Hardt. „Doch wie blind muss man sein, das zu behaupten?“, fragte er.
FDP: Opfer des Krieges schützen und nicht das Regime
Für die FDP sagte Bijan Djir-Sarai, selten sei der Mittlere Osten „ein so gefährliches Pulverfass“ gewesen. Deutschland müsse sich für eine nachhaltige syrische Nachkriegsordnung einsetzen und einen Wiederaufbau unterstützen, „der die Opfer des Krieges schützt und nicht das syrische Regime“.
Mit Blick auf den Einmarsch der Türkei in Nordsyrien betonte er, wer völkerrechtswidrig Kriege führe, „kann nicht unsere Unterstützung erfahren“.
Erster Antrag der AfD
In ihrem ersten Antrag (19/15064) fordert die AfD die Bundesregierung auf, ein angemessenes und realistisches Konzept für eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Vorderen Orient zu formulieren und mit den USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien abzustimmen. Mit den Regierungen von Ägypten, Israel, Saudi-Arabien, Iran und der Türkei solle dieses Konzept abgestimmt und konkretisiert werden.
In die Gespräche zu diesem Konzept seien die Regierungen Syriens, des Iraks, des Libanons, Jordaniens sowie der Golfstaaten und des Omans eingebunden und deren Sichtweise angemessen berücksichtigt werden, und zwar als Voraussetzung dafür, dass die Bundesregierung einen Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zugunsten dieses Konzepts für eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Vorderen Orient herbeiführt.
Zweiter Antrag der AfD
In ihrem zweiten Antrag (19/15066) fordert die AfD von der Regierung, den Einmarsch der Türkei in den Norden Syriens und die Vertreibung der angestammten kurdischen Bevölkerung als völkerrechtswidrig zu klassifizieren. Auch solle sie sich nach dem erklärten Rückzug der USA aus dem betreffenden Gebiet mit Russland über die Umwandlung der bisherigen russisch-türkischen Schutzzone in Nordsyrien in eine Schutzzone der Vereinten Nationen unter russischer Führung ins Benehmen zu setzen und hierzu als deutschen Beitrag eine maßgebliche Beteiligung am Wiederaufbau der Basisinfrastruktur in Syrien durch deutsche Unternehmen anbiete.
Ihren Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen solle die Regierung nutzen und eine Resolution auf der Basis des deutsch-russischen Benehmens ein- und durchzubringen, welche die Einrichtung einer solchen Schutzzone sowie von Flüchtlingslagern der Vereinten Nationen in Nordsyrien, aber auch den Wiederaufbau der Basisinfrastruktur in Syrien beinhaltet.
Dritter Antrag der AfD
In ihrem dritten Antrag (19/15065) wird die Bundesregierung aufgefordert, im Europäischen Rat eine Initiative zur Zurücknahme aller gegen Syrien und dessen Verbündete gerichteten wirtschaftlichen Sanktionen auf europäischer Ebene zu starten.
Auch solle ein Programm zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Syrien zum Wiederaufbau des Landes ausgearbeitet werden, das vor allem die Wiederherstellung der Infrastruktur (Straßen, Brücken, Wasser- und Stromnetze) sowie die Instandsetzung der medizinischen Versorgung der Zivilbevölkerung anstrebt.
Vierter Antrag der AfD
In ihrem vierten Antrag (19/15067) fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, die diplomatischen Beziehungen mit Syrien in einem Maße wieder aufzunehmen, das über rein zwingend erforderliche Kontakte hinausgeht und geeignet ist, diese zu normalisieren. Im Sinne einer Normalisierung der diplomatischen Beziehungen sei dem Ersuchen der syrischen Botschaft in Berlin nachzukommen, das Personal der diplomatischen sowie konsularischen Mission aufstocken zu dürfen.
Ferner will die AfD, dass die Ausweisung des syrischen Botschafters zurückgenommen oder Syrien die Entsendung eines neuen Botschafters erlaubt wird, wenn keine allein mit der Person des Botschafters verbundenen Gründe vorliegen, die eine Nichterteilung rechtfertigen. Ferner solle die deutsche Botschaft in Syrien wieder eröffnet und personell sachgemäß ausgestattet werden. (sas/sto/15.11.2019)