Wie die Wirtschaft für die Zukunft fit gemacht werden kann
Der Bundestag hat am Freitag, 8. November 2019, über Zustand und Perspektiven der deutschen Wirtschaft diskutiert. Anlass lieferten die FDP-Fraktion mit einem Antrag mit dem Titel „Tempo für Deutschland“ (19/14781) und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit einem Antrag mit dem Titel „Wirtschaft zukunftsfähig aufstellen“ (19/14825). Nach einstündiger Debatte überwiesen die Abgeordneten die Anträge zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie.
FDP: Chancen der Digitalisierung nutzen
Die FDP fordert mehr Tempo in der digitalen Wirtschaft, beim digitalen Wandel, bei Entlastungen wie Solidaritätszuschlag und Steuern, in der Energie- und Klimapolitik, beim Bürokratieabbau, für mehr Wettbewerbsfähigkeit, für solide Finanzen und für Innovationen. Der Abgeordnete Michael Theurer rief dazu auf, die Chancen der Digitalisierung für einen Wandel in der Gesellschaft zu nutzen, zum Wohle des Klimawandels genauso wie zur Wirtschaftsentwicklung.
Zugleich warf er der Bundesregierung vor, die derzeitige Lage zu verkennen: Derzeit stehe die Wirtschaft an der Grenze zur Rezession. Seiner Ansicht nach müssen jetzt die Lebenschancen für die Menschen zurückgewonnen werden – dafür brauche es mehr Tempo bei Reformen, mehr Steuer- und Bürokratieentlastung. Die FDP schlägt in ihrem Antrag unter anderem Förderung für Start-ups vor sowie „Freiheitszonen“ für Gründer in Ost und West. Bis das Wachstum auf einem Zwei-Prozent-Pfad angekommen sei, solle es keine neuen Abgaben geben.
Grüne wollen aktive Ordnungs- und Förderpolitik
Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) fand es zunächst respektlos der Wirtschaft gegenüber, dass sich der zuständige Minister Peter Altmaier (CDU) nicht an der Debatte beteiligte. Die Unsicherheit sei hoch, es bräuchte eine Politik, die verlässlich ist und Zukunftsperspektiven bietet, sagte Dröge. Als Beispiel nannte die Abgeordnete ein „Chaos“ bei Klimagesetzgebung, das viel Kritik auch aus der Wirtschaft hervorgerufen habe.
Dröge plädierte für eine aktive Ordnungs- und Förderpolitik sowie eine Innovationsperspektive für Unternehmen. Wenn es nicht gelinge, das Land zu transformieren, sei dies kein Versagen der Wirtschaft, sondern der Politik der Bundesregierung. Die Grünen fordern in ihrem Antrag unter anderem eine Investitionsoffensive in die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft, in digitale Infrastrukturen und Anwendungen sowie nachhaltige Verkehrsinfrastrukturen und Antriebstechniken.
CDU/CSU: Wachstums- und wirtschaftsfreundliche Politik
Vertreter der Regierungskoalition wehrten sich zunächst gegen die Zustandsbeschreibung der Wirtschaft. Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU), sagte, man befinde sich immer noch in der längsten Wachstumsphase seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Eintrübung der Wirtschaft liege an externen Schocks, die Deutschland nur mittelbar beeinflussen könnten.
Lenz führte mehrere Maßnahmen auf, mit denen die Bundesregierung Zukunftsthemen adressiere, beispielsweise den Breitbandausbau, die steuerliche Forschungsförderung sowie Anreize innerhalb des Klimapakets. Wichtig sei, wachstums- und wirtschaftsfreundliche Politik in den Vordergrund zu stellen.
SPD: Konjunkturelle Abkühlung, keine Rezession
Bernd Westphal vom Koalitionspartner SPD sagte, in den Anträgen würden wichtige Themen angesprochen, teilweise seien allerdings auch „alte Kamellen“ dabei. Er sprach von einer „konjunkturellen Abkühlung“, es handele sich nicht um eine Rezession. Es gebe keine wissenschaftliche Grundlage für eine Debatte nach den Wünschen der Opposition, so Westphal.
Die Finanzplanung bis 2023 mit einem vorgesehenen hohen Mittelaufwuchs bilde eine gute Grundlage für die Modernisierung des Staates. Mit Investitionen in Schulen, öffentlichen Nahverkehr und Projekte zum Strukturwandel in den Braunkohlegebieten würden wichtige Konjunkturprogramme bereits laufen. Er erwähnte auch geplante Neuerungen im Wettbewerbsrecht, die eine Vielfalt auf Märkten stützen werde.
AfD: In ländliche Räume investieren
Die anderen Oppositionsfraktionen stellten der Bundesregierung zwar ein schlechtes Zeugnis für die Wirtschaftspolitik aus, folgten Argumentation und Ansinnen von FDP und Grünen jedoch maximal teilweise. Enrico Komning (AfD) sagte, derzeit befinde man sich nicht in einer konjunkturellen Delle, sondern kämpfe mit strukturellen Defiziten. Die Konzeptionslosigkeit bei der Digitalisierung verdeutliche, wie Wirtschaftspolitik nicht funktioniert.
Komning forderte Investitionen gerade in ländliche Räume. Der FDP warf er vor, Anträge zur Steuerentlastung von Seiten seiner Partei abgelehnt zu haben. An die Grünen gerichtet sagte der Abgeordnete, die Fokussierung auf grüne Technologien sei eine Sackgasse.
Linke: Schuldenbremse ist eine Investitionsbremse
Alexander Ulrich (Die Linke) erklärte, den Antrag der FDP brauche keiner. Die Schuldenbremse sei tatsächlich eine Investitionsbremse und müsse dringend gelockert werden. Wer nicht in die Zukunft des Landes investiere, versündige sich an kommenden Generationen, so Ulrich.
Auch er verwies auf Analystenstimmen, nach denen Deutschland längst in der Rezession sei. Die Linke fordert eine Stärkung der Binnennachfrage, einen Mindestlohn in Höhe von mindestens zwölf Euro und mehr Tarifbindung.
Antrag der FDP
Die FDP fordert mehr Tempo in der digitalen Wirtschaft, beim digitalen Wandel, bei Entlastungen (Solidaritätszuschlag, Steuern), in der Energie- und Klimapolitik, beim Bürokratieabbau, für mehr Wettbewerbsfähigkeit, für solide Finanzen und für Innovationen.
Laut FDP ist der Wohlstand in Deutschland selbst verantwortet in Gefahr. Mit einem Industrieananteil von 23 Prozent am Bruttoinlandsprodukt liege das Land weit über dem europäischen Durchschnitt von 15 Prozent. Die Automobilbranche und vor allem die mittelständischen Zulieferer seien besonders betroffen, wenn die Bundesregierung auf der einen Seite den Klima- und Strukturwandel verschlafe, aber gleichzeitig fehlgeleitete Regulierung vornehme. Wenn die technologischen Umbrüche nicht gemeinsam in innovative Mobilitätskonzepte der Zukunft umgesetzt würden, würde der Industriestandort Schaden nehmen, schreibt die Fraktion.
Ohne eine starke Automobilindustrie könnten Arbeitsplätze, Renten und Zukunftschancen für alle in Deutschland nicht gesichert werden. Deshalb sei eine Frontstellung gegen die Industrie in der Umweltpolitik kontraproduktiv, weil nur eine marktwirtschaftlich ökoliberale Innovationsoffensive die Lösung für den Klimawandel bereithalte. Wirtschaftswachstum und Wohlstand für alle könnten durch Innovation und Fortschritt von Umweltverschmutzung, Gefährdung der Biodiversität und Kohlendioxidemissionen entkoppelt werden, heißt es in dem Antrag.
Antrag der Grünen
Die Grünen fordern die Bundesregierung auf, den Investitionsbedarf anzugehen und zugunsten künftiger Generationen eine Investitionsoffensive in die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft, digitale Infrastrukturen und Anwendungen sowie nachhaltige Verkehrsinfrastrukturen und Antriebstechniken zu starten. Für Investitionen in kohlendioxidfreie Industrieprozesse in den Bereichen Stahl, Chemie und Zement sollten bessere Abschreibungsmöglichkeiten geschaffen werden, schreibt die Fraktion. Leuchtturmprojekte kohlendioxidfreier Verfahren und Prozesse seien gezielt zu fördern.
Darüber hinaus wollen die Grünen, dass eine umfassende, ressortübergreifende Holzbaustrategie umgesetzt sowie Hürden für nachwachsende und recycelte Rohstoffe im Bauwesen abgebaut werden. Kleine und mittelständische Unternehmen sollten mit einem steuerlichen Forschungsbonus, einfacheren Abschreibungsregeln, Vereinfachungen bei der Umsatzsteuer und guten Bedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen unterstützt werden, heißt es in dem Antrag. (pez/08.11.2019)