Der Vorstoß der Bundesregierung zur attraktiveren Besoldung von Beamten, Richtern und Soldaten hat bei aller Kritik im Detail überwiegend die Unterstützung von Experten gefunden. Allerdings ging ihnen das Vorhaben nicht weit genug. Dies zeigte sich bei einer Sachverständigen-Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat am Montag, 14. Oktober 2019, unter Leitung von Andrea Lindholz (CDU/CSU). Durchgängige Forderung der Interessenvertreter war es, die Stellenzulagen zu dynamisieren und bei den Ruhestandsbezügen anzurechnen.
Der Gesetzentwurf „zur Modernisierung der Strukturen des Besoldungsrechts und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ (19/13396) sieht vor, das Besoldungs-, das Versorgungs- und das Umzugskostenrecht im Hinblick auf Veränderungen durch den demografischen Wandel und die Digitalisierung weiterzuentwickeln. Zu diesen Veränderungen zählten etwa der Fachkräftemangel, die Zunahme von Auslandseinsätzen von Bundeswehr und Bundespolizei sowie die zunehmende Bedeutung der IT-Sicherheit. In der Sitzung ging es zudem um einen Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Für einen modernen und attraktiven Öffentlichen Dienst“ (19/13519).
Dynamisierung der Stellenzulagen
Jörg Radek von der Gewerkschaft der Polizei würdigte „viele positive Regelungen“ des Gesetzentwurfs, etwa die Erhöhung der Polizeizulage und des Auslandsverwendungszuschlags. Gleichwohl bleibe festzustellen, dass mit kurzfristigen finanziellen Anreizen die Konkurrenzfähigkeit des öffentlichen Dienstes nicht nachhaltig verbessert werden könne. Vielmehr sollten die Rahmenbedingungen geändert werden. Dazu zählte er die für ihn längst überfällige Senkung der Wochenarbeitszeit oder die Übernahme von Betreuungskosten bei Einsätzen.
Namens des Deutschen Beamtenbundes (dbb) begrüßte Friedhelm Schäfer einerseits die angepeilten Maßnahmen, bedauerte andererseits, dass weitergehenden Forderungen des dbb nicht entsprochen wurde. Dazu zählte er eben die Dynamisierung der Stellenzulagen durch Einbeziehung in die jährlichen Besoldungsanpassungen. Ohne Dynamisierung komme es zu einer schleichenden Entwertung der Zulagen. In der Folge sinke die Attraktivität der jeweiligen Dienstposten. Zugleich forderte er die Einführung weiterer Stellenzulagen, beispielsweise für alle IT-Fachkräfte in der Verwaltung und nicht nur bezogen auf bestimmte Behörden.
Stärkung der Konkurrenzfähigkeit
Prof. Dr. Thorsten Ingo Schmidt von der Universität Potsdam zog das Fazit, der Gesetzentwurf enthalte nicht nur zahlreiche Verbesserungen im Detail, sondern stärke auch die Systematik des Besoldungsrechts erheblich. Würden die Vorhaben umgesetzt, dürfte dies nach seiner Ansicht die Nachwuchsgewinnung erleichtern und den öffentlichen Dienst des Bundes finanziell attraktiver gestalten. Weitergehende finanzielle Verbesserung seien aus Sicht der Betroffenen zwar positiv, aber vor dem Hintergrund des Alimentationsprinzips nicht geboten. Er sprach sich als einziger ausdrücklich gegen eine Dynamisierung der Stellenzulagen und gegen ihre Ruhegehaltsfähigkeit aus. Er sehe dann keinen Unterschied zum Grundgehalt mehr.
Henriette Schwarz vom Deutschen Gewerkschaftsbund hob zwar auf einige vorgesehene positive Änderungen im Besoldungsrecht ab. Doch mahnte sie weitergehende Reformen an. Es gehe darum, die Rahmenbedingungen tatsächlich attraktiver zu gestalten. Dazu gehöre die Rücknahme der Erhöhung der Wochenarbeitszeit, die Dynamisierung der Erschwerniszulagen und ein attraktives Laufbahnrecht. Eine nachhaltige Stärkung der Konkurrenzfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Bindung oder Gewinnung von qualifiziertem Personal könne so nicht gelingen. Seit Jahren knirsche es im öffentlichen Dienst, weil schlichtweg Personal fehle.
Kritik an der 41-Stunde-Woche
Nils Kammradt von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verwies darauf, dass die Beibehaltung der 41-Stunden-Woche vor dem Hintergrund einer enormen Arbeitsverdichtung und eines hohen Krankenstandes schädlich und personalpolitisch auch nicht mehr notwendig sei. Er setzte sich für eine bessere Anerkennung von Berufserfahrungen bei Einstellung und Aufstieg und für ein durchlässigeres Laufbahnrecht ein. Seit der Föderalismusreform habe sich das Beamtenrecht von Bund und Ländern schnell auseinanderentwickelt. Vor allem behindere unterschiedliches Laufbahnrecht einen Wechsel zwischen den Ländern und dem Bund.
André Wüstner vom Deutschen Bundeswehrverband unterstrich die Notwendigkeit, die Arbeit bei den Streitkräften nicht zuletzt durch Zulagen attraktiver zu gestalten. Die kleinste Bundeswehr aller Zeiten stehe vor den größten Herausforderungen. Beim Gesetzentwurf machte er Nachsteuerungsbedarf aus. Er forderte, schnellstmöglich Anreize zu schaffen, damit Menschen den Weg zur Bundeswehr fänden. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass die Masse Soldaten auf Zeit seien – mit ungewisser Zukunftsperspektive.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die Regierung will das Besoldungs-, das Versorgungs- und das Umzugskostenrecht im Hinblick auf Veränderungen durch den demografischen Wandel und die Digitalisierung weiterentwickeln. Zu diesen Veränderungen zählten etwa der Fachkräftemangel, die Zunahme von Auslandseinsätzen von Bundeswehr und Bundespolizei und die zunehmende Bedeutung von IT-Sicherheit durch die Digitalisierung von Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft.
Vorgesehen sind eine „strukturelle Verbesserung und Erhöhung von Stellenzulagen“, die Weiterentwicklung finanzieller Anreize für Personalgewinnung und -bindung, eine Anpassung der Auslandsbesoldung „an geänderte Rahmenbedingungen“ sowie eine Pauschalierung der Vergütung für Soldaten mit besonderer zeitlicher Belastung. Zu den weiteren in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen zählen eine Stärkung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes für Anwärter, eine Honorierung besonderer Einsatzbereitschaft und eine Fortentwicklung des Umzugskostenrechts. Ferner sollen unter anderem die rentenrechtlichen Regelungen zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder in das Beamtenversorgungsrecht übertragen werden.
Antrag der FDP
Die FDP fordert in ihrem Antrag eine Reform des Beamtenrechts, bei der das Eintrittsalter in den Ruhestand flexibler gestaltet, der Zugang der Beamten zu flexiblen Arbeitskonzepten verbessert und die Möglichkeiten zum Abbau von Mehrarbeit durch Freizeitausgleich ausgebaut werden sollen.
Auch benötige der öffentliche Dienst eine eigene Laufbahn für IT-Fachkräfte, um künftig für diese Berufsgruppe attraktiv zu sein. Ferner sollten die Einstellungsvoraussetzungen für Fachkräfte im öffentlichen Dienst so umgestaltet werden, „dass das Vorliegen von Studien- oder Berufsabschlüssen keine statischen Voraussetzungen für eine Einstellung sind, sondern dass Bewerberinnen und Bewerber ein Weniger an formeller Ausbildung durch Eigenengagement und Berufserfahrung ausgleichen können“.
Zudem müssten sich Eigeninitiative und Leistung im Laufbahnrecht stärker lohnen. Deshalb müssten die Laufbahnen durchlässiger werden. Darüber hinaus sollten Beamte sich auf Wunsch einfacher für einen begrenzten Zeitraum vom Dienst freistellen lassen können, „um anderen Tätigkeiten nachzugehen oder Erfahrungen zu sammeln“, heißt es in dem Antrag. (fla/sto/14.10.2019)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Nils Kammradt, Bundesbeamtensekretär, ver.di-Bundesverwaltung, Berlin
- Jörg Radek, Gewerkschaft der Polizei, Hilden
- Friedhelm Schäfer, dbb beamtenbund und tarifunion, Berlin
- Prof. Dr. Thorsten Ingo Schmidt, Universität Potsdam
- Henriette Schwarz, Deutscher Gewerkschaftsbund, Berlin
- N.N.
- André Wüstner, Deutscher Bundeswehrverband