Digitalwährung Libra stößt bei Experten auf Skepsis
Bei der von Facebook und einem Unternehmenskonsortium vorangetriebene Digitalwährung Libra sehen Sachverständige noch Klärungs- sowie teils erheblichen Regelungsbedarf. Bei einem Fachgespräch im Ausschuss Digitale Agenda am Mittwoch, 25. September 2019, warnten die geladenen Experten und Institutionenvertreter vor möglichen Folgen der geplanten Kryptowährung und mahnten rechtliche Klarstellungen und eine umfassende Regulierung an. Zudem thematisierten Abgeordnete und die Experten Potenziale der Blockchain-Technologie im Allgemeinen und die Idee eines digitalen Zentralbankgeldes.
Einführung der digitalen Währung Libra angekündigt
Ein Konsortium um unter anderem Facebook, Visa, Mastercard, PayPal und Uber, die Libra Association, hatte Mitte Juni dieses Jahres angekündigt, im kommenden Jahr eine „digitale Währung“ namens Libra einzuführen. Über die Integration in populäre Dienste wie Messenger oder WhatsApp soll es damit Nutzern ermöglicht werden, gängiges Geld gegen Libra-Coins ein- und untereinander auszutauschen. Die Association will damit laut eigenem Bekunden vor allem Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern den Zugang zu Finanzdienstleistungen ermöglichen.
Libra orientiert sich an dem Kypto-Token Bitcoin und baut auf einer Blockchain-Technik auf. Neben deutlichen Unterschieden im technischen Verfahren soll Libra laut Konzept im Gegensatz zum äußerst volatilen Bitcoin im Wert stabil gehalten werden (Stablecoin). Dazu soll jeder digital geschaffene Libra-Coin mit bestimmten Fiat-Währungen beziehungsweise Staatsanleihen gedeckt werden.
„Libra-Pläne ein Wake-up-Call“
Die Ankündigung hatte zu teils scharfen Reaktionen von Zentralbankern und Regierungen geführt. In dem Fachgespräch sagte Benoît Coeuré, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), dass die Libra-Pläne ein „Wake-up-Call“ für Regierungen und Zentralbanken gewesen seien. Das Vorhaben führe zu zahlreichen regulatorischen Herausforderungen, eine international kohärente Regulierung müsse angestrebt werden. Dabei müsse das Prinzip „same business, same risk, same rules“ gelten, sagte Coeuré.
Beim Thema digitales Zentralbankgeld seien noch viele Fragen offen, betonte der EZB-Vertreter. Das gelte für die technische Umsetzung und die Rolle, die die Blockchain-Technologie dabei einnehmen könne, ebenso wie für die Architektur des Systems, ob etwa der wie auch immer geartete digitale Euro nur über das bestehende Bankensystem ausgeben wird oder direkt an die Bürger. Im letzteren Fall müssten die Auswirkungen auf das Geschäftsbanken-System und auf die Finanzstabilität beachtet werden, sagte Coeuré.
„Programmierbares Geld wird wichtige Rolle spielen“
Darauf wies auch Markus Becker-Melching vom Bundesverband deutscher Banken hin. Sollte ein digitaler Euro direkt über die Zentralbanken offeriert werden, könne das den Sinn kurzfristiger Einlagen bei den Geschäftsbanken infrage stellen und damit die Fähigkeit dieser Banken, kurzfristige Kredite zu vergeben, warnte Becker-Melching. Der Verbandsvertreter schloss sich zudem Coeurés Forderung nach gleichartiger Regulierung an: Technologieunternehmen, die Bankdienstleistungen anbieten wollen, sollten auch so reguliert werden.
Grundsätzlich werde „programmierbares Geld“ künftig eine wichtige Rolle spielen, etwa beim Thema „Smart Contracts“ und Industrie 4.0, sagte Becker-Melching. In seiner schriftlichen Stellungnahme führte er aus, dass noch unklar sei, wer Emittent dieser Geldform sein wird. Die deutschen Banken würden sich dazu in der Lage sehen, schrieb der Verbandsvertreter.
„Systemische Gefahr für den Finanzsektor“
Ebenfalls für eine umfassende Regulierung von Libra sprach sich die Finanzmarktwissenschaftlerin Prof. Dr. Michaela Hönig von der Frankfurt University of Applied Sciences aus. Ohne eine solche Regulierung könne eine „systemische Gefahr für den Finanzsektor“ entstehen, warnte Hönig. So könne die Libra Association durch die Eins-zu-eins-Deckung „in kurzer Zeit zu einer der weltweit größten Vermögensverwalter und somit zu einem ‚Too big to fail‘ Akteur werden“.
Sie müsste entsprechend wie „ein vergleichbares Kreditinstitut oder Zahlungsverkehrsdienstleister dieser Größenordnung“ reguliert und aufsichtsrechtlich überwacht werden, führte Hönig in ihrer Stellungnahme aus.
Klarstellung im Bundesbankgesetz befürwortet
Für eine Klarstellung im Bundesbankgesetz sprach sich Ralph Bärligea von der Unternehmensberatung BearingPoint aus. Die strafbewehrte Regelung im Paragrafen 35 des Gesetzes („Unbefugte Ausgabe und Verwendung von Geldzeichen“) beispielsweise müsste hinsichtlich ihrer Bedeutung für Kryptowährungen beziehungsweise Krypto-Token geklärt werden. Andernfalls sei zu befürchten, „dass dies Finanzwesen und Wirtschaft in Deutschland von einer aktiven Beschäftigung mit Kryptowährungen abschreckt“, führte Bärligea in seiner Stellungnahme aus.
Klaus Himmer von der 21 Consulting GmbH (CryptoTax) betonte, dass die Blockchain-Technologie im Finanzbereich zahlreiche Potenziale biete. So ließen sich Vorschriften und Regularien technisch im Sinne eines „Compliance by Design“ integrieren. Himmer thematisiert zudem steuerrechtliche Probleme beim Einsatz von Kryptowährungen.
„Noch viele Optionen offen“
Katharina Gehra (Immutable Insight GmbH) verwies darauf, dass bei der Blockchain-Technologie noch viele Optionen offen seien. Man stünde ganz am Anfang. Damit bestünde auch noch die Möglichkeit zu gestalten, sagte Gehra.
Für ein regulatorische Verhinderung beziehungsweise ein Verbot von Libra sprach sich Dr. Oliver Leistert (Leuphana Universität Lüneburg) aus. Gerade mit Blick auf die Folgen für ärmere Länder müsse dem „Kolonisierungsprojekt aus Silicon Valley“ Einhalte geboten werden, forderte Leistert. Digitalen Währungen attestierte der Wissenschaftler grundsätzlich ein positives Potenzial. Sie könnten ein Hilfsmittel zur Transformation in eine „Postwachstumsgesellschaft“ sein. (scr/25.09.2019)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Benoît Coeuré, Europäische Zentralbank (EZB)
- Markus Becker-Melching, Bundesverband deutscher Banken
- Prof. Dr. Michaela Hönig, Frankfurt University of Applied Sciences
- Klaus Himmer, CEO & CO-Founder 21 Consulting GmbH
- Ralph Bärligea, Senior Business Consultant BearingPoint GmbH
- Dr. Oliver Leistert, Leuphana Universität Lüneburg
- Katharina Gehra, Immutable Insight GmbH