Die AfD möchte bei der Arbeitslosenversicherung die Arbeits- und Lebensleistung der Einzahler stärker würdigen. In einem Antrag (19/13520), der am Freitag, 27. September 2019, erstmals beraten und im Anschluss zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen wurde, fordert sie eine gestaffelte Verlängerung der maximalen Bezugsdauer nach geleisteten Beitragsjahren. Die Reaktionen der übrigen Fraktionen darauf waren in der Debatte harsch.
AfD: Versicherungsprinzip stärken
Der AfD-Abgeordnete Sebastian Münzenmaier sagte in seiner Rede, „den fleißigen Bürgern des Landes“ werde man nicht gerecht, während Menschen „fürstlich alimentiert“ würden, die „das Wort Arbeit nicht einmal buchstabieren können“. Die aktuelle Rechtslage in der Arbeitslosenversicherung sei nicht gerecht, weil es die Lebenslage der Arbeitnehmer nicht berücksichtige.
Man müsse nun das „Versicherungsprinzip stärken“, indem die Bezugsdauer an die Einzahlungsdauer gekoppelt werde. Seine Fraktion habe die Staffelung „bewusst offen“ gelassen, um Kompromissbereitschaft zu zeigen.
CDU/CSU gegen falsche Anreize
Für die CDU/CSU-Fraktion sagte Prof. Dr. Matthias Zimmer, sei „falsch“, den Bezug des Arbeitslosengeldes an die geleisteten Beitragsjahre zu koppeln, weil man so Anreize schaffe, länger in der Arbeitslosigkeit zu bleiben.
Schon jetzt bevorzuge die Arbeitslosenversicherung Menschen, die über 50 Jahre alt seien, dies sei auch „in Ordnung“. Der Antrag belege die „programmatische Insolvenz“ der AfD.
FDP: Antrag in vielen Fragen offen
Der Liberale Johannes Vogel wies darauf hin, dass die AfD in ihrem Antrag auf fünf Seiten die geltende Rechtslage referiere und für ihre eigentliche Forderung nur seinen Satz aufwende – was wie für wen getan werde solle, bleibe komplett offen.
Grundsätzlich sei die von der AfD geforderte Idee im Bundestag schon mehrfach diskutiert worden und alle wissenschaftlich mit der Frage befassten Forschungsinstitute hätten sie abgelehnt.
SPD: Leistungen und Engagement anerkennen
Für eine längere Anspruchszeit bei längerer Einzahlung ist grundsätzlich auch die SPD. Das betonte Dagmar Schmidt, damit solle die Leistung der Menschen anerkannt und ihr Engagement unterstützt werden.
Ihre Fraktion habe dazu den Vorschlag für ein „Arbeitslosengeld Q“ gemacht, dazu müssten aber unabdingbar ein Recht auf Arbeit und ein Recht auf Weiterbildung kommen. Es sei besser, Geld für einen sozialen Arbeitsmarkt auszugeben, so Schmidt.
Linke will leichteren Zugang
Für Die Linke warf Sabine Zimmermann der AfD vor, sie sei nicht die Partei des kleinen Mannes, sondern der „Bonzen und Bosse“. Um die Menschen zu unterstützen, müsse man den Zugang zum Arbeitslosengeld I erleichtern und bessere Standards auf dem Arbeitsmarkt schaffen. Der Antrag der AfD sei „völlig ohne Substanz“ und enthalte falsche Details.
Grüne: AfD verkennt Risikoprinzip
Für Bündnis 90/Die Grünen unterstrich Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, der Antrag zeige die „komplette Inkompetenz“ der AfD in arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Fragen, weil hier unter anderem verkannt werde, dass es sich bei der Arbeitslosenversicherung anders als etwa bei der Rentenversicherung um eine Risikoversicherung handele.
Daher sei der vorliegende Vorschlag „Unsinn“. Um die Arbeitslosenversicherung zu verbessern, müsse man an ganz anderen Punkten ansetzen: etwa am Zugang, sodass nicht so viele Arbeitslose wie bisher direkt in den Hartz-IV-Bezug fallen würden, oder an einer Ausweitung auf Solo-Selbstständige oder prekäre Selbstständige.
„Arbeits- und Lebensleistung stärker würdigen“
Die AfD fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, welcher eine gestaffelte Verlängerung der maximalen Bezugsdauer von Arbeitslosengeld nach geleisteten Beitragsjahren zur Sozialversicherung vorsieht. Dabei müsse aus Gerechtigkeitsempfinden, wie auch aus dem Versicherungsprinzip heraus, berücksichtigt werden, dass derjenige, der länger in die Sozialversicherungen eingezahlt hat, auch Anspruch auf eine längere Bezugsdauer haben müsse, so die Fraktion. Die Arbeits- und Lebensleistung eines Arbeitnehmers müsse insgesamt stärker gewürdigt werden.
Die AfD betont, bei der Arbeitslosenversicherung handele es sich um eine Risikoversicherung und nicht etwa um eine Sozialleistung, ebenso wenig um einen Sparvertrag. Daher könne der Versicherte nicht für sich in Anspruch nehmen, seine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung als Auszahlung im Falle der Arbeitslosigkeit in voller Höhe zu erhalten. Es handele sich aber auch nicht um eine Sozialleistung, welche dem Arbeitslosen von der Solidargemeinschaft zugebilligt wird. Der sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zahle zwangsweise in die Sozialversicherungen ein und erwerbe dadurch zwangsläufig eine soziale Absicherung.
„Maximale Bezugsdauer staffeln“
Den Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerbe der sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Regel nach zwölf Monaten, in bestimmten Fällen nach sechs Monaten, innerhalb der gerade im Zuge des Qualifizierungschancengesetzes geänderten Rahmenfrist von 30 Monaten. Augenscheinlich werde dabei, heißt es in dem Antrag, dass man die Länge der Beitragszahlungen vor Inanspruchnahme der Leistungen (Anwartschaft) als maßgebliche Größe der Bewilligung von Arbeitslosengeld versteht und akzeptiert, ein klassisches Unterscheidungsmerkmal der Versicherung gegenüber der Sozialleistung.
Die AfD will nach eigener Darstellung nicht einsehen, warum die Dauer der Beitragszahlung sowohl für die Dauer des Bezuges im Versicherungsfall als auch für die Höhe der Auszahlungssumme im Versicherungsfall keinerlei Auswirkung haben soll. Besonders, da die zeitliche Komponente in Form der Anwartschaft in der Gesetzessystematik bereits enthalten sei. Dabei scheine es wenig sinnvoll, die Höhe der Auszahlungssumme in Relation zur Dauer der Beitragsleistungen zu stellen, da sich die Höhe der Auszahlungssumme allein nach dem durchschnittlichen Bruttogehalt während der Rahmenfrist richtet. Eine Staffelung der maximalen Bezugsdauer von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in einem proportionalen Verhältnis zu den geleistete Beitragsjahren zur Arbeitslosenversicherung hält die Fraktion für dringend geboten. (suk/27.09.2019)