Der Bundestag hat am Donnerstag, 26. September 2019, zwei Anträge der Fraktionen von FDP und Bündnis 90/Die Grünen zur Förderung von Unternehmensgründungen abgelehnt. Die FDP wollte mit „Freiheitszonen einen Aufschwung Ost unterstützen“ (19/11052); Bündnis 90/Die Grünen schlugen zur Förderung einer „Gründungskultur“ ein ganzes Maßnahmenbündel vor (19/11150). Der Antrag der Liberalen wurde mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, AfD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Der Antrag der Grünen fand ebenfalls gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen keine Mehrheit. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zugrunde (19/13580).
CDU/CSU kritisiert Oppositionsanträge
Während der Debatte räumte Astrid Grotelüschen (CDU/CSU) ein, dass die Zahlen der Gründungswilligen seit 2011 „kontinuierlich sinken“. Den Trend gelte es umzudrehen, sagte sie. Den Eindruck, den die Oppositionsanträge zu erwecken versuchten, die Koalition kenne die Herausforderungen nicht und würde nichts für Gründungen tun, sei aber „schlichtweg falsch“. Grotelüschen sagte: „Wir handeln nach genauer Analyse, sehr differenziert und zielgerichtet.“ Der FDP-Fraktion warf sie vor, Freiheitszonen nur in ostdeutschen Ländern einrichten zu wollen, „obwohl wir von Konjunkturschwäche auch in westdeutschen Bundesländern wissen“.
Zu loben sei daher die Initiative von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der im Frühjahr eine Geschäftsstelle für Reallabore eingerichtet habe. Was die Forderungen der Grünen angeht, so betonte die Unionsabgeordnete, vieles davon sei von der Bundesregierung längst aufgegriffen worden. So würden inzwischen auch Gründerinnen besonders gefördert, da der Anteil der Frauen an allen Gründungen nur bei 39,5 Prozent liege.
AfD wünscht sich andere Prioritäten
Aus Sicht von Enrico Komning (AfD) wird der FDP-Antrag nicht dazu führen, dass die Zahl der Unternehmensgründer wieder zunimmt. „Der von Gender- und Klimaideologie geprägte Antrag der Grünen schon mal gar nicht“, fügte er hinzu. Die AfD-Fraktion beabsichtige hingegen, für den kommenden Haushalt eine substanzielle Aufstockung der Mittel für das zentrale Innovationsprogramm Mittelstand zu beantragen.
Komning betonte, wolle man insbesondere im Osten Deutschlands Gründungen fördern, müsse zuerst einmal das Problem der Abwanderung der Menschen aus den ländlichen Räumen angegangen werden. Der Staat sei hier gefordert, indem er tatsächlich gleichwertige Lebensverhältnisse garantiert, sagte der AfD-Abgeordnete. Benötigt werde ein sehr viel breiteres Verständnis von Daseinsvorsorge. „Die komplette Infrastruktur muss vom Staat bedingungslos garantiert sein“, forderte er. Erst wenn es gelungen sei, die Landflucht zu bekämpfen, könne über Sonderwirtschaftszonen gesprochen werden.
SPD: Wie eine Spirale nach unten
Falko Mohrs (SPD) entgegnete, die größte Gefahr für die Konjunktur und die Wirtschaft in Deutschland sei neben dem Fachkräftemangel die „nationalistische, hetzende und ausgrenzende Politik“ der AfD. „Das gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagte Mohrs. Dass Gründer bessere Rahmenbedingungen brauchen, sei zutreffend. Es sei aber nicht alles schlecht. Benötigt werde eine differenzierte Debatte.
Die von der FDP geforderten Freiheitszonen wirken aus seiner Sicht „wie ein Spirale nach unten“, wenn es um Sozialstandards geht und um gute tariflich abgesicherte Arbeit. Das sei aber nicht im Interesse der Regionen im Osten oder im Westen Deutschlands. Die Grünen hätten wiederum viele sozial positive Vorschläge gemacht, attestierte diesen der SPD-Abgeordnete. Es fehle aber ein kohärentes Finanzierungskonzept.
FDP bemängelt Misstrauen gegenüber Unternehmertum
Thomas L. Kemmerich (FDP) bezeichnete den Mittelstand und insbesondere die Familienbetriebe als Garant für den Aufschwung und für lebenswerte Verhältnisse in den ländlichen Räumen. Oftmals treffe man aber auf „unnötige Verwaltung, unverständliche Verordnungen und allgemeines Misstrauen gegenüber Unternehmertum“, beklagte der FDP-Abgeordnete. Der Wirtschaftsminister werde dafür gelobt, Strategien zu entwickeln, sagte er weiter. Die Umsetzung fehle aber.
Reallabore nützten jungen Unternehmern nichts, wenn sie beispielsweise jedes Jahr mit neuen Registerkassen belegt würden, deren Verständlichkeit nicht nachvollziehbar sei. Benötigt würden daher Freiheitszonen, ein Stopp unnötiger Bürokratie und mehr Vertrauen in die Unternehmen. Gestärkt werden müssten auch die Hochschulen, an denen schließlich die Ideen für Unternehmensgründungen entstünden. Im Osten gebe es jedoch nur eine Exzellenz-Universität – in seinem Bundesland Thüringen gar keine, bemängelte Kemmerich.
Linke kritisiert Abbau des Sozialstaates
Die FDP verstehe unter Freiheit Deregulierung, sagte Matthias Höhn (Die Linke). „Das ist das komplette Gegenteil“, befand er. Die Ergebnisse der in der Vergangenheit erfolgten Deregulierung seien der Abbau von Rechten und Sozialstandards, der Rückbau des Staates und die Privatisierung. Die FDP beklage, dass das Aufstiegsversprechen in Deutschland schon lange nicht mehr eingelöst werde, sagte Höhn weiter. Das treffe zu, sei aber Konzepten, wie sie die FDP vorlege, geschuldet.
„Es war der Abbau des Sozialstaates, der das Aufstiegsversprechen zunichte gemacht hat“, sagte der Linken-Abgeordnete. Ebenso hätten diese Konzepte dazu geführt, dass es auch heute noch keine gleichwertigen Lebensverhältnisse in Ost und West gebe.
Grüne: Steuerermäßigungen für Forschungsausgaben
Die Gründerkultur in Deutschland sei verbesserungswürdig, sagte Claudia Müller (Bündnis 90/Die Grünen). Das sei unbestritten. Es fehle nicht am Innovationsgeist oder Ideenreichtum der Gründer, stellte sie klar. Vielmehr stimmten die Rahmenbedingungen nicht. Der FDP-Antrag sei jedoch wenig innovativ. Es fehle der FDP bei dem Thema am Blick auf die Gesamtheit.
Ihre Fraktion habe hingegen die Unterstützung für Gründungen in allen strukturschwachen Regionen Deutschlands als Ziel, sagte die Grünen-Abgeordnete. Vorgeschlagen würden unter anderem Steuerermäßigungen für Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Die Sofortabschreibungen für geringfügige Wirtschaftsgüter sollten auf 1.000 Euro erhöht und ein besserer Zugang zu Mikrokrediten gewährleistet werden.
FDP-Antrag: Freiheitszonen für einen Aufschwung Ost
Die FDP-Fraktion möchte Unternehmensgründungen und -nachfolgen besonders in Ostdeutschland erleichtern. In ihrem Antrag plädiert die Fraktion dafür, durch neu zu schaffende „Freiheitszonen“ die regionale Wirtschaftsstruktur zu stärken und die Ansiedlung neuer Unternehmen zu vereinfachen. Solche Zonen sollten im Hinblick auf regulatorische Maßnahmen einen höheren Freiheitsgrad besitzen und besonders günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen bieten. „Durch die Konzentration auf bestimmte Bereiche können so schneller Lösungen entwickelt werden, welche später im ganzen Bundesgebiet zum Einsatz kommen können“, schreiben die Abgeordneten. Dabei sollten vor allem die ostdeutschen Bundesländer in den Fokus gestellt werden, heißt es weiter. Sie besäßen ein hohes Potenzial, um neue digitale und technologische Innovationen und dem Strukturwandel zu begegnen und der langsamen Anpassungsfähigkeit der Verwaltung entgegentreten zu können.
Die Bundesregierung solle nun in Zusammenarbeit mit den Ländern solche Freiheitszonen schaffen, die sich unter anderem durch eine regional und bedarfsorientierte Gründerförderung auszeichnen. Auch sollten Ansprechpartner organisiert werden, die Start-ups und Unternehmen vollumfänglich beraten.
Grünen-Antrag: Mehr Mikrokredite, weniger Bürokratie
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte die Gründungskultur in Deutschland mit einem Bündel an Maßnahmen unterstützen: So fordern die Abgeordneten in ihrem Antrag, die Finanzierung und Förderung von Gründungen unter anderem mit einem leichteren Zugang zu Mikrokrediten und weniger Bürokratie zu fördern. Außerdem müssten Beratungsangebote besser auf die Bedürfnisse und Interessen von Gründungswilligen zugeschnitten werden, etwa mit einem Schwerpunkt auf Green Economy, einer Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Bewertung von Businessplänen sowie einer Gleichberechtigung von Genossenschaften bei Förderprogrammen.
Darüber hinaus schlagen die Abgeordneten eine Reihe von Maßnahmen bezüglich steuerlicher und rechtlicher Rahmenbedingungen vor und äußern sich zu sozialen Absicherungsmöglichkeiten für Selbstständige und Gründer. (hau/sas/pez/26.09.2019)