Anträge zu Neuregelungen für Privatversicherte kontrovers erörtert
Beim Thema Krankenversicherung ist die Koalition gespalten. Während die SPD-Fraktion die Schaffung eines Versicherungssystems, in das alle Bürger einzahlen, befürwortet – ebenso wie die Linksfraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, will die Unionsfraktion am dualen System von privater Krankenversicherung (PKV) und gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) festhalten – ebenso wie die AfD- und die FDP-Fraktion. Das wurde während der Debatte am Donnerstag, 11. April 2019, zu Anträgen der AfD-Fraktion (19/9233) und der Fraktion Die Linke (19/9229) deutlich. Beide Vorlagen wurden anschließend zur federführenden Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen.
Linke: Ungleichbehandlung zwischen PKV und GKV
Dr. Achim Kessler (Die Linke) machte zu Beginn der Debatte deutlich, dass der Antrag seiner Fraktion darauf abziele, die Ungleichbehandlung zwischen PKV-Versicherten und GKV-Versicherten abzubauen. Es müsse Schluss sein mit der Zwei-Klassen-Medizin. Ziel sei es, die Privatversicherten in die GKV zu überführen. „Die PKV als Vollversicherung muss abgeschafft werden“, forderte der Linken-Abgeordnete.
Der Bundesregierung warf er vor, die PKV durch die Beihilfezahlungen an Beamte künstlich am Leben zu erhalten, wenn diese sich privat versichern. Auch volkswirtschaftlich betrachtet sei die PKV Unsinn. Deren Behandlungen seien doppelt so teuer wie jene in der GKV, sagte Kessler.
CDU/CSU: Staatsmedizin bremst Wettbewerb aus
Die von der Linksfraktion gefordert sogenannte Bürgerversicherung sei bewiesenermaßen keine Alternative für das deutsche Gesundheitssystem, entgegnete Erich Irlstorfer (CDU/CSU). „Sie würde zu deutlichen Qualitätsverlusten in der Patientenversorgung führen“, sagte er. Die propagierte Staatsmedizin bremse den Wettbewerb aus. Es gehe der Linksfraktion um die Durchsetzung eines politischen Ziels, nicht um eine Verbesserung.
Mit Blick auf den Antrag der AfD-Fraktion sagte Irlstorfer, die Forderung, bei einem Wechsel der Anbieter innerhalb der PKV die Altersrückstellungen mitnehmen zu dürfen, berge erhebliche sozialpolitische Gefahren. Wenn die Gesunden die Wechselchance nutzen würden, schwäche das Versichertenkollektiv der Zurückbleibenden. „Beitragssteigerungen wären hier die direkte Folge, und das wollen wir nicht“, machte der Unionsabgeordnete deutlich.
AfD: Linke gefährdet medizinische Versorgung
Gegen die Abschaffung der PKV spricht aus Sicht von Jörg Schneider (AfD) unter anderem der sich daraus ergebende erhebliche Einkommensverlust der Ärzte, auf den Die Linke in ihrem Antrag überhaupt nicht eingehe. Es gebe jetzt schon jährlich 2.000 Ärzte, die Deutschland verlassen würden. „Sie gefährden mit ihrem unausgegorenen Antrag die medizinische Versorgung in Deutschland“, sagte Schneider an die Linksfraktion gewandt.
Denkbar, so der AfD-Abgeordnete, sei vielleicht das Vorbild Österreich. Dort gebe es eine einheitliche gesetzliche Pflichtversicherung, die durch private Zusatzversicherungen ergänzt werde.
SPD wirbt für langfristige Umstellung des Systems
Deutschland habe zwei Vollversicherungssysteme, „die nicht zusammenpassen“, sagte Bärbel Bas (SPD). Daher sei Umdenken angesagt. „Der Ansatz ist richtig, mal darüber nachzudenken, dass einhundert Prozent der deutschen Bevölkerung in einem System versichert sind“, sagte Bas.
Anders als die Linksfraktion, die ab einem Stichtag alle PKV-Verträge in die GKV überführen wolle, sei die SPD eher für einen sanften Übergang. Ab einem bestimmten Tag sollten sich alle, die sich neu versichern, in der GKV versichern, sagte sie. So könne das Krankenversicherungssystem langfristig zu einem einzigen System umgebaut werden. Mit der PKV müsse zudem eine Lösung gefunden werden, damit die Altersrückstellungen mitwandern.
FDP: Eines der besten Gesundheitssysteme weltweit
„Jede Legislatur die gleiche Leier“, klagte Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) mit Blick auf den „ideologisch bedingten Antrag“ der Linksfraktion. Deutschland habe mit seinem dualen System aus GKV und PKV eines der besten Gesundheitssysteme weltweit. „Es kann nicht sein, dass Sie das immer wieder schlechtreden“, sagte die FDP-Abgeordnete in Richtung Linksfraktion. Gerade der Wettbewerb zwischen den beiden Systemen um die qualitativ beste Versorgung garantiere das hohe Niveau in Deutschland.
Das „Gerede“ der Linksfraktion von einer Zwei-Klassen-Medizin ist aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbar. „Wir haben einen Antrag auf Abschaffung der Budgetierung gestellt, dem Sie nicht zugestimmt haben“, sagte Aschenberg-Dugnus. Damit hätten die Leistungen in der GKV auch zu einhundert Prozent vergütet werden können, betonte sie.
Grüne wollen sogenannte Bürgerversicherung
Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) konstatierte: „Die Debatte verläuft in den üblichen bekannten Schützengräben.“ Dabei müsse man tatkräftig nach soliden Finanzierungsvorschlägen für die anstehenden Herausforderungen suchen, die sich durch den demografischen Wandel und den medizinischen Fortschritt ergeben würden.
Festzustellen sei: „Das duale System produziert viele Verlierer.“ In der PKV seien viele Menschen, die sich die hohen Beiträge nicht mehr leisten könnten, „vor allem dann nicht, wenn sie ins Alter kommen“, sagte Klein-Schmeink. Es brauche Antworten, die allen Lebenslagen gerecht werden könnten. Die Bürgerversicherung, so die Grünen-Abgeordnete, könne zur Entlastung beitragen, weil sie alle einbeziehe. „Und zwar gerecht, entlang der Einkommensmöglichkeiten, die jeder hat.“
Antrag der Linken
Die Linke fordert die Bundesregierung unter anderem auf, die private Krankenversicherung ab einem bestimmten Stichtag auf medizinisch nicht notwendige Zusatzversicherungen zu begrenzen. Alle privat Krankenversicherten sollen per Gesetz zu gesetzlich Versicherten werden, die Versicherungspflichtgrenze solle abgeschafft werden.
Die staatliche Beihilfe des Bundes solle zu einem Arbeitgeberbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung werden. Die Alterungsrückstellungen in den Bilanzen der privaten Krankenversicherung will die Fraktion auflösen. Für Beschäftigte in der privaten Krankenversicherung will sie sozialverträgliche Übergänge schaffen.
Antrag der AfD
Die AfD fordert in ihrem Antrag, gesetzlich sicherzustellen, dass alle in der privaten Krankenversicherung Versicherten bei einem Anbieterwechsel ihre Altersrückstellungen zum neuen Anbieter mitnehmen können.
Die Höhe der dem Gesundheitszustand entsprechenden Altersrückstellungen lasse sich berechnen, schreibt die Fraktion. Eine Stärkung des Wettbewerbs nutze den Versicherten. Bisher seien Versicherte häufig an einen Anbieter gebunden, auch wenn die Prämien stark steigen. Privatversicherte müssten diese Möglichkeit erhalten. Außerdem sei eine Zunahme der Dynamik auf dem Markt der privaten Krankenversicherungen durch Neueintritte von Anbietern zu erwarten, die nicht mehr nur um Neu-, sondern auch um Bestandskunden konkurrieren, was auch die Wirtschaftlichkeit verbessern dürfte, heißt es in dem Antrag. (hau/sas/11.04.2019)