Vier Anträge der Fraktion Die Linke zur Kranken- und Pflegeversicherung hat der Bundestag am Donnerstag, 5. November 2020, erörtert. Nach einstündiger Debatte wurde der Antrag mit dem Titel „Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abschaffen und dadurch den Beitragssatz senken“ (19/23934) zur weiteren Beratung an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen.
Drei Anträge abgelehnt
Abgelehnt wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP der Antrag „Beamtinnen und Beamten den Weg in die gesetzliche Krankenversicherung erleichtern“ (19/1827), zu dem eine Beschlussvorlage des Ausschusses für Inneres und Heimat (19/22241) existiert. Für den Antrag stimmten neben der Linken auch die Grünen.
Alle übrigen Fraktionen lehnten den Antrag der Linken mit dem Titel „Ein System für alle – Privatversicherte in gesetzliche Krankenversicherung überführen“ (19/9229) ab. Ihrem Antrag mit dem Titel „Lebenslangen Bindungszwang an private Krankenversicherungen abschaffen“ (19/14371) stimmten auch die Grünen zu, während die AfD sich enthielt. Die Koalitionsfraktionen und die FDP lehnten den Antrag ab, zu dem eine Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses vorlag (19/24026).
Linke: PKV sollte abgeschafft werden
In der Aussprache wurden erneut die gegensätzlichen Ansichten der Fraktionen zum dualen System von GKV und PKV deutlich. Während neben der Linken auch die Grünen und die SPD für eine allgemeine Bürgerversicherung werben, lehnen Union und FDP dies strikt ab. Auch die AfD will am dualen System festhalten. Dr. Achim Kessler (Die Linke) machte sich für eine Systemänderung stark und argumentierte, die Corona-Krise habe gezeigt, wie wichtig es sei, Spitzenverdiener in die Finanzierung der GKV einzubeziehen. Die GKV sei aktuell mit mindestens 16,6 Milliarden Euro unterfinanziert. Die Gesundheitskosten dürften nicht auf kleine und mittlere Einkommen abgewälzt werden. Nötig sei vielmehr eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung.
Kessler warnte vor stark steigenden Beiträgen in der PKV im kommenden Jahr. So werde die PKV für viele Versicherte im Alter zur Armutsfalle. Die Betroffenen rutschten dann in den Basis- oder Notlagentarif. Kessler betonte, die PKV sollte abgeschafft werden, die Zwangsmitgliedschaft der Privatversicherten müsse ein Ende haben.
Grüne: Keine bessere Versorgung in der PKV
Auch die Grünen wollen eine einheitliche Krankenversicherung für alle. Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, in der Corona-Krise zeige sich, wie leistungsfähig das Gesundheitssystem sei. Das habe mit der Tradition der solidarischen GKV zu tun. Nirgendwo sonst gebe es einen so großen Anspruch auf qualitätsgeprüfte Leistung, unabhängig vom sozialen Status und dem Einkommen. Dieses Prinzip dürfe nicht beschädigt werden.
Die Grünen-Abgeordnete rügte, dass derzeit viele leistungsfähige Menschen außerhalb des solidarischen System versichert seien und erinnerte ebenfalls an die aktuelle Deckungslücke in der GKV. Dabei bekämen die Versicherten in der PKV keine bessere Versorgung. Vielmehr gebe es in der PKV schlechte Tarife, in denen wesentliche Risiken nicht abgesichert seien, etwa die Rehabilitation. Gebraucht werde ein zukunftsfähiges System, das auch die demografischen Herausforderungen berücksichtige. Dabei sei es nicht sinnvoll, in „alte ideologische Scharmützel“ zu verfallen. Vielmehr sollte gemeinsam überlegt werden, wie eine solidarische, gerechte und bezahlbare Absicherung für alle ermöglicht werden könne.
SPD: PKV ist ein Auslaufmodell
Sabine Dittmar (SPD) sagte, es sei bekannt, dass ihre Partei auf die Einführung einer Bürgerversicherung hinarbeite, in die alle einbezogen wären, auch Selbstständige und Beamte. Die Kostenbelastung würde auf diese Weise besser verteilt. Die PKV habe sich „selbst entzaubert“. Sie sei ein Auslaufmodell, abgesehen von Beamten sei das Neukundengeschäft fast zum Erliegen gekommen. Dittmar verwies auf verzweifelte Versicherte, die unter galoppierenden Beitragserhöhungen litten. Viele Bürger steuerten lieber in den sicheren Hafen der GKV.
Gleichwohl müsse bei Systemänderungen die Rechtslage beachtet werden, fügte die SPD-Politikerin hinzu und erwähnte verfassungsrechtliche Bedenken. Als positives Beispiel hob Dittmar die Beihilferegelung in Hamburg hervor, wodurch die Mitgliedschaft von Beamten in der GKV attraktiver werde. Es wäre konsequent, in dem Punkt auch auf Bundesebene aktiv zu werden. Dittmar räumte ein, es sei noch ein langer Weg bis zu einer solidarischen Versicherung, fügte jedoch hinzu: „Die Bürgerversicherung wird kommen, davon bin ich überzeugt.“
CDU/CSU: Rechtlich nicht durchsetzbare Forderungen
Karin Maag (CDU/CSU) hält die einheitliche Versicherung für den falschen Weg. Sie sprach mit Blick auf die Linken-Anträge von „altbekannten Wiedergängern“. Die Linksfraktion lasse mit ihren Vorstößen seit Jahren alle juristischen und politischen Einwände unberücksichtigt. Alle Nöte würden dem politischen Ziel der Einheitsversicherung untergeordnet.
Dabei sei das PKV-Modell nicht unsolidarisch. So trügen die Versicherten über die Alterungsrückstellungen ihre Gesundheitskosten selbst. Zudem würden für PKV-Versicherte höhere Honorare gezahlt, das summiere sich auf 13 Milliarden Euro für das Gesundheitswesen. Die Linken-Forderungen seien aber vor allem rechtlich nicht durchsetzbar. Maag sagte, das Nebeneinander von PKV und GKV habe sich praktisch bewährt.
AfD: Wir sind mit dem dualen System gut gefahren
Jörg Schneider (AfD) ließ Sympathie erkennen für die Forderung der Linken, die Alterungsrückstellungen bei einem Versicherungswechsel mitnehmen zu können. Das würde den Wettbewerb beleben und sei eine gute Idee. Was die Regelung für Beamte angehe, werde jedoch herumgedruckst statt ehrlich zu sagen, was geplant sei.
Schneider mutmaßte dahinter Klientelpolitik. Er warnte zugleich vor einer „sozialistischen Einheitsmedizin“ und verwies auf das aus seiner Sicht „marode“ Gesundheitssystem in Großbritannien. „Wir sind mit dem dualen System doch gut gefahren.“ Die höheren Honorare in der PKV seien eine Quersubventionierung für die GKV und eine Stück gelebte Solidarität.
FDP: Wettbewerb innerhalb der PKV stärken
Heftig attackiert wurde die Linksfraktion von Christine Aschenberg-Dugnus (FDP), die einen Systemwechsel ablehnte. Mit dem dualen System sei Deutschland gut aufgestellt. „Der Qualitätswettbewerb ist geradezu der Motor für Innovationen.“ Das garantiere ein hohes Niveau der Gesundheitsversorgung. Noch nie seien Versicherte von GKV und PKV so zufrieden gewesen.
Es sei absurd, die privat Versicherten in die GKV verschieben zu wollen. Das Nebeneinander von GKV und PKV sei auch nicht das Problem, sondern dass Leistungen budgetiert würden. Die FDP-Politikerin fordert die Aufhebung der Ärzte-Budgets sowie eine Stärkung des Wettbewerbs innerhalb der PKV.
Erster Antrag der Linken
Die Linksfraktion fordert in ihrem ersten überwiesenen Antrag (19/23934), die Beitragsbemessungsgrenze und die Jahresarbeitsentgeltgrenze mit Beginn des auf die Verkündung des Gesetzes folgenden nächsten Jahres auf 15.000 Euro pro Monat zu erhöhen. Damit sollen auch diejenigen abhängig Beschäftigten mit einem Einkommen oberhalb der bisherigen Jahresarbeitsentgeltgrenze und bis zu 15.000 Euro monatlichem Bruttoeinkommen versicherungspflichtig in Kranken- und Pflegeversicherung werden.
Die durch die Maßnahmen verursachten Mehreinnahmen sollen in der Gesetzlichen Krankenversicherung durch eine entsprechende Absenkung des allgemeinen Beitragssatzes ausgeglichen werden.
Zweiter Antrag der Linken
Um Beamtinnen und Beamten den Weg in die gesetzliche Krankenversicherung zu erleichtern, verlangte die Linksfraktion in ihrem abgelehnten Antrag (19/1827), dass in der Bundesbeihilfeverordnung anstatt eines Beihilfeanspruchs für Beamte auch eine dem Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung analoge Zahlung an die Krankenkasse von gesetzlich kranken- und pflegeversicherten Beamtinnen und Beamten vorgesehen wir. Im Dialog mit den Ländern sollte die Bundesregierung darauf hinwirken, dass eine solche Wahlmöglichkeit auch für die Beihilfeberechtigten im öffentlichen Dienst geschaffen wird.
Die Linke argumentierte, dass Beamten die Entscheidung für die gesetzliche Krankenversicherung vereinfacht werden sollte. Dadurch würde die gesetzliche Krankenversicherung gestärkt und die Ungleichbehandlung von gesetzlich und privat Versicherten abgebaut. Viele Beamtinnen und Beamte wünschten sich eine Absicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Unterschied zur privaten Krankenversicherung gebe es in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Steigerung der Beiträge ausgerechnet im Alter, wenn aufgrund des Ruhestands das Einkommen sinkt.
Dritter Antrag der Linken
In einem weiteren abgelehnten Antrag (19/9229) forderte die Linksfraktion, die privat Krankenversicherten in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu überführen. Die Private Krankenversicherung (PKV) verstoße gegen das Prinzip der Solidarität, das dem Sozialsystem zugrunde liege. Sie müsse abgeschafft werden, um die Zwei-Klassen-Medizin zu überwinden. Die bisherige Beihilfe des Bundes sollte nach den Plänen der Linken zu einem Arbeitgeberbeitrag in der GKV umgewandelt werden. Im Rahmen der freien Heilfürsorge werde neben dem Arbeitgeberanteil auch der Arbeitnehmeranteil übernommen, hieß es in dem Antrag.
Die Alterungsrückstellungen in den Bilanzen der PKV seien aufzulösen. Im Gegenzug müssten die Unternehmen der PKV Ausgleichszahlungen an den Gesundheitsfonds leisten. Die Ausgleichszahlungen in Höhe der Alterungsrückstellungen würden in einen kollektiven Reservestock überführt. Für Beschäftigte der PKV würden sozialverträgliche Übergänge geschaffen. Dies beinhalte insbesondere die Umschulung in andere Berufe, etwa für zusätzlich in der GKV benötigte Stellen.
Vierter Antrag der Linken
Die Linksfraktion wollte außerdem den Wechsel von der Privaten Krankenversicherung (PKV) in die GKV erleichtern. Die Abgeordneten forderten in ihrem weiteren abgelehnten Antrag (19/14371), die Alterungsrückstellungen bei einem Versicherungswechsel vollständig auf die neue Krankenversicherung zu übertragen. Auch bei einem Wechsel in die GKV sollte die Alterungsrückstellung dorthin übertragen werden.
Zudem sollten mit dieser Neuregelung überflüssig werdende Restriktionen, die einen Wechsel zur GKV bislang verhinderten, abgeschafft werden, so etwa die 55er-Regelung, wonach ab 55 Jahren ein Wechsel von der PKV in die GKV nicht mehr möglich sei. (pk/05.11.2020)