Opposition bemängelt zu viel Bürokratie beim Starke-Familien-Gesetz
Der Kinderzuschlag soll nach dem Willen der Bundesregierung ab dem 1. Juli 2019 von monatlich 170 Euro pro Kind auf 185 Euro steigen und ab dem 1. August 2019 sollen zudem die Leistungen des Teilhabe- und Bildungspakets verbessert und der Bezug entbürokratisiert werden. Dies sind die Kernpunkte des von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) vorgelegten Starke-Familien-Gesetzes (19/7504), über das der Bundestag am Donnerstag, 14. Februar 2019, in erster Lesung beraten hat. Ziel des Gesetzes ist es, Familien mit Kindern und geringem Einkommen stärker zu unterstützen. Die Opposition kritisierte die Regelung des Gesetzes als zu bürokratisch.
Im Verlauf der Debatte wurden auch ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Kinderchancengeld – kindesbezogene Leistungen radikal reformieren“ (19/7692) sowie ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Teilhabe für alle Kinder sicherstellen, Bürokratie abbauen“ (19/7451) diskutiert und an die Ausschüsse überwiesen unter Federführung des Familienausschusses. Zudem hat der Bundestag zu Beginn der Sitzung die Tagesordnungen der 80. Sitzung am Donnerstag, 14. Februar 2019, und der 81. Sitzung am Freitag, 15. Februar 2019, mit der Mehrheit der Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der AfD beschlossen.
Stärkung von Familien mit kleinen Einkommen
Ministerin Giffey und Vertreter der Koalitionsfraktionen bezeichneten das Gesetz als wichtigen Schritt im Kampf gegen Kinderarmut. Von 13 Millionen Kindern in Deutschland seien vier Millionen arm oder von Armut bedroht, führte Giffey aus. Der derzeitige Kinderzuschlag werde aber nur von 30 Prozent der Anspruchsberechtigten abgerufen, diese Quote müsse deutlich erhöht werden. Deshalb werde das Antragsverfahren deutlich vereinfacht und der Kinderzuschlag zukünftig für sechs Monate bewilligt, die rückwirkende Überprüfung des Anspruchs entfalle. Zudem werde die harte Abbruchkante abgeschafft, um zu verhindern, dass Familien komplett aus dem Kinderzuschlag herausfallen, wenn ihr Einkommen nur geringfügig steigt.
Ebenso kämen durch das Gesetz auch mehr alleinerziehende Eltern in den Genuss des Kinderzuschlags. Eltern dürften nicht in Armut geraten, weil sie Kinder haben, sagte Giffey. Beim Bildungs- und Teilhabepaket entfalle der Eigenanteil der Eltern für das Mittagsessen in Kitas und Schulen und für die Schülerbeförderung, das Schulstarterpaket werde von 100 auf 150 Euro pro Schuljahr erhöht und Lernförderung zukünftig auch dann gewährt, wenn die Versetzung des Kindes in der Schule nicht unmittelbar bedroht ist.
Opposition bemängelt zu viel Bürokratie
Bei den Oppositionsfraktionen stieß die Gesetzesvorlage auf massive Kritik. Das Gesetz sei eine „Mogelpackung“ sagte der AfD-Abgeordnete Martin Reichardt. Vor allem sei es nicht geeignet, um die bürokratischen Antragsverfahren zu vereinfachen, und Alleinerziehende würden auch nicht davon profitieren. Reichardt verwies auf entsprechende Kritik aus den Sozialverbänden. Die niedrige Abrufquote von 30 Prozent sei auch darauf zurückzuführen, dass deutsche Eltern keine Hilfestellung bei der Beantragung erhielten. Ganz anders sehe dies bei Leistungen für Flüchtlinge aus, die SPD fördere eben „nicht die hier schon länger lebenden Menschen“.
Maik Beermann (CDU/CSU) wies die Kritik der AfD zurück. Es sei zwar das legitime Recht der Opposition zu kritisieren, aber die AfD habe keinen einzigen konkreten Gegenvorschlag vorgelegt. Seine Fraktionskollegin Nadine Schön hielt der AfD entgegen, dass jeder den gleichen Anspruch auf Leistungen aus dem Starke-Familien-Gesetz habe, egal seit wann er in Deutschland lebe. Die Koalition fördere mit dem Kinderzuschlag Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit. Deshalb sei der Wegfall der harten Abbruchkante beim Kinderzuschlag zu begrüßen: „Wer mehr arbeitet, soll mehr in der Tasche haben.“ Deshalb würden zukünftig auch Einkommen von Kindern, beispielsweise aus Ferienjobs, nur noch zu 50 statt 100 Prozent auf den Kinderzuschlag angerechnet.
FDP fordert Kinderchancengeld
Der FDP-Parlamentarier Grigorius Aggelidis kritisierte, das Gesetz schaffe lediglich eine starke Bürokratie, aber keine starken Familien. Dass Familien gezwungen seien, alle sechs Monate erneut einen Antrag auf den Kinderzuschlag zu stellen, sei nicht hinzunehmen. Zudem müsse das Bildungs- und Teilhabepaket von anderen Leistungsansprüchen der Eltern entkoppelt werden. Die FDP-Fraktion fordert in ihrem eigenen Antrag zudem alle bisherigen kinderbezogenen Leistungen in einem dreisäuligen „Kinderchancengeld“ zu bündeln und zu entbürokratisieren.
Auch bei der Linksfraktion stieß die Gesetzvorlage auf Kritik. Eine Erhöhung des Kinderzuschlags und der Leistungen im Bildungs- und Teilhabepakets sei zwar gut, verschleiere aber das wahre Problem, sagte der Fraktionsvorsitzende Dr. Dietmar Bartsch. Der Kinderzuschlag zeige doch nur, dass die Löhne in Deutschland zu niedrig seien. Das Gesetz sei allenfalls ein „Schrittchen“ in die richtige Richtung. 50 bis 70 Euro mehr im Monat, bringe keine Familie aus der Armut heraus. Letztlich müsse endlich eine Kindergrundsicherung eingeführt werden und die Regelsätze erhöht werden.
Grüne und Linke wollen Kindergrundsicherung
Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen) sprach sich ebenfalls für eine Kindergrundsicherung aus. Sie monierte, dass der vorgelegte Gesetzesentwurf den zentralen Webfehler beim Kinderzuschlag nicht beseitige. Das Gesetz sei zu bürokratisch und die Leistungen kämen weiterhin nicht bei den ärmsten Familien an. Der Kinderzuschlag müsse zukünftig automatisch ausgezahlt werden. Dörner forderte die Koalitionsfraktionen auf, die Gesetzvorlage in den Ausschussberatungen dementsprechend zu ändern.
Die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt griff die Kritik von Linken und Grünen auf und verwies darauf, dass ihre Fraktion erst unlängst die Einführung einer Kindergrundsicherung beschlossen habe. Trotzdem sei das Starke-Familien-Gesetz ein wichtiger Schritt in richtige Richtung und Ausdruck eines sozialen Rechtsstaates.
Starke-Familien-Gesetz fördert Chancengleichheit
Mit dem „Starke-Familien-Gesetz“ plant die Bundesregierung, Familien mit kleinen Einkommen zu stärken und faire Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe für ihre Kinder zu schaffen. Dazu sollen der Kinderzuschlag für Familien mit kleinen Einkommen neu gestaltet und die Bildungs- und Teilhabeleistungen für Kinder und Jugendliche verbessert werden.
Den Kinderzuschlag will die Bundesregierung in zwei Schritten neu gestalten: Zum 1. Juli 2019 soll er von jetzt maximal 170 Euro auf 185 Euro pro Monat und Kind erhöht, für Alleinerziehende geöffnet und deutlich entbürokratisiert werden. Zum 1. Januar 2020 sollen die oberen Einkommensgrenzen entfallen. Einkommen der Eltern, das über deren eigenen Bedarf hinausgeht, soll nur noch zu 45 Prozent statt heute 50 Prozent auf den Kinderzuschlag angerechnet werden. Von dieser Maßnahme erhofft sich die Regierung nach eigener Aussage, dass keine Familie mehr aus dem Kinderzuschlag herausfällt, wenn die Eltern nur etwas mehr verdienen.
„Bildungs- und Teilhabepaket verbessern“
Zum 1. August 2019 soll auch das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung verbessert werden. Das „Schulstarterpaket“ soll von 100 Euro auf 150 Euro steigen und in den Folgejahren dynamisch angepasst werden. Die Eigenanteile der Eltern für das gemeinsame Mittagessen in Kindertagesstätte und Schule sowie für die Schülerbeförderung fallen dann weg.
Darüber hinaus kann laut dem Entwurf eine Lernförderung auch dann beansprucht werden, wenn die Versetzung nicht unmittelbar gefährdet ist. Mit der Maßnahme sollen die Eltern finanziell entlastet werden. Zudem soll so der Bürokratieaufwand für Eltern, Dienstleister und Verwaltung sinken.
Antrag der FDP
Die Liberalen wollen, dass die Zuwendungen und Förderungen für Familien nicht mehr isoliert evaluiert und betrachtet werden. Kinder sollen mit einem eigenen Anspruch in den Mittelpunkt der familienpolitischen Förderung gerückt und die bisher den Eltern zustehenden, kindesbezogenen Leistungen als Anspruch des Kindes auf ein Kinderchancengeld gebündelt werden.
Kinder, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit ALG-II-Empfängern leben, sollen aus der Bedarfsgemeinschaft herausgelöst und ihnen ein Anspruch auf das Kinderchancengeld verschafft werden. Weiter soll das Kinderchancengeld in drei Säulen aufgeteilt werden, bei dem in der ersten Säule die aktuellen einkommensunabhängigen Leistungen gebündelt werden, die zweite Säule die einkommensabhängigen Leistungen zusammenfasst und in der dritten Säule die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zusammenlaufen.
Antrag der Grünen
Die Grünen fordern die Bundesregierung in ihrem Antrag unter anderem auf, die Regelsätze für Kinder in der Grundsicherung so zu erhöhen, dass sie das soziokulturelle Existenzminimum absichern. Mit Ländern und Kommunen sollen Bildungs- und Teilhabeangebote auf der kommunalen Ebene für Kinder und Jugendliche so verbessert werden, dass sie auch bei den Betroffenen ankommen.
Die Fraktion tritt zudem für eine Stärkung der Schulsozialarbeit und für eine bessere Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule ein. Das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung solle aufgelöst werden, heißt es weiter. Stattdessen sollten Leistungen zum Teil im Kinderregelsatz und zum Teil durch kostenlosen Zugang zu den Angeboten vor Ort gewährt werden. (hau/aw/14.02.2019)