Breite Mehrheit für Deutsch-Französisches Parlamentsabkommen
Der Bundestag setzt mit breiter Mehrheit auf eine noch engere Zusammenarbeit mit der französischen Nationalversammlung. Zu Beginn der Plenarsitzung nahm er am Mittwoch, 20. März 2019, nach einstündiger Aussprache einen gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen (19/8540) an und stimmte damit der von Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble am 30. November 2018 vorgelegten Fassung des Deutsch-Französischen Parlamentsabkommens (19/6220) zu. In namentlicher Abstimmung votierten 509 Abgeordnete für den Antrag, 111 dagegen, es gab 25 Enthaltungen.
Das Parlamentsabkommen ist das Ergebnis der Beratungen der 18-köpfigen Deutsch-Französischen Arbeitsgruppe des Bundestages und der französischen Nationalversammlung (Assemblée nationale), die seit März 2018 in sechs Sitzungen unter der Leitung von Andreas Jung (CDU/CSU), Sabine Thillaye und Christophe Arend (beide La République en Marche) daran gearbeitet hatte. Das Parlamentsabkommen soll am Montag, 25. März 2019, in Paris von den beiden Parlamentspräsidenten Richard Ferrand und Wolfgang Schäuble unterzeichnet werden.
Antrag von vier Fraktionen
In dem mit großer Mehrheit angenommenen Antrag mit dem Titel „Ein deutsch-französisches Parlamentsabkommen – Für eine verstärkte parlamentarische Zusammenarbeit“ (19/8540) stellt der Bundestag fest, dass die deutsch-französische Freundschaft 56 Jahre nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags auf einem festen Fundament steht. Die engen und vielfältigen Beziehungen zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Regierungen und Parlamenten beider Länder hätten entscheidend dazu beigetragen, dass die mehr als ein Jahrhundert währende Feindschaft zwischen beiden Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg überwunden werden konnte.
Die deutsch-französische Freundschaft sei ein wichtiger Garant für den Frieden in Europa und für die Entwicklung einer starken, handlungs- und gestaltungsfähigen Europäischen Union. „Atlantisch bleiben, europäischer werden – auch dafür ist eine engere Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern unverzichtbar“, heißt es in dem Antrag.
„Deutsch-französische und europäische Öffentlichkeit schaffen“
Mit der Umsetzung des Parlamentsabkommens will der Bundestag die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Parlamenten zu einer Arbeitsbeziehung ausbauen und das Verständnis über die Positionen des jeweils anderen Parlaments verbessern. Damit könne eine deutsch-französische und eine europäische Öffentlichkeit geschaffen werden. Zudem sollen nach Ansicht der Fraktionen auch andere internationale und europäische Angelegenheiten von gemeinsamen Interessen parlamentarisch begleitet werden. Darunter falle auch die gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Zudem spricht sich der Bundestag dafür aus, dass die Geschäftsordnung für die neue Parlamentarische Versammlung nach Artikel 3 des Abkommens zugleich mit der jeweiligen Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und der Mitglieder der Assemblée nationale beschlossen wird.
Ziele des Parlamentsabkommens
Mit dem Abkommen sollen die bilaterale parlamentarische Zusammenarbeit institutionalisiert und die deutsch-französischen Beziehungen vertieft werden. Anlässlich des 55. Jahrestages der Unterzeichnung des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit (Élysée-Vertrag) hatten am 22. Januar 2018 der Bundestag und die Assemblée nationale die Erarbeitung des Abkommens in Auftrag gegeben.
Wie aus dem Abkommenstext hervorgeht, soll eine Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung gegründet werden, die aus jeweils 50 Mitgliedern beider Parlamente besteht. Die Versammlung soll mindestens zweimal im Jahr öffentlich tagen, abwechselnd in Deutschland und Frankreich. Die Versammlung soll dem Entwurf zufolge unter anderem die internationalen und europäischen Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse begleiten, insbesondere die gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
CDU/CSU: Zusammenarbeit soll Impulse für Europa geben
Andreas Jung (CDU/CSU) unterstrich in der Debatte, dass mit dem Abkommen 56 Jahre nach dem „Glücksfall“ des Élysée-Vertrags die deutsch-französische Partnerschaft auf eine neue Stufe gehoben werde. „Gemeinsam sind wir stärker als jeder für sich“.
Jung betonte, dass die Zusammenarbeit nicht exklusiv sein, sondern Impulse für Europa geben solle. Es gehe darum, gemeinsam die europäische Handlungsfähigkeit zu stärken etwa in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik und im weltweiten Wettbewerb um Zukunftstechnologien.
AfD: Krude Vorstellungen einer zentralisierten EU
Norbert Kleinwächter (AfD) kritisierte, dass das Abkommen Macrons „kruden Vorstellungen einer zentralisierten EU“ folge. Auf dem Spiel stehe damit die deutsch-französische Aussöhnung – „das beste, was beiden Ländern in den letzten Jahrzehnten passieren konnte“.
Nun aber sollten eine Konvergenz des französischen und des deutschen Rechts angestrebt und Verpflichtungen geschaffen werden, die auch „uns Abgeordneten einschränken könnten“, sagte Kleinwächter.
SPD: Zusammenarbeit unverzichtbar und wertvoll
Dr. Nils Schmid (SPD) nannte eine engere Zusammenarbeit von Bundestag und Assemblée nationale „unverzichtbar und wertvoll“ als parlamentarische Ergänzung des Aachener Vertrags und wichtig für die Konvergenz bei der Umsetzung in EU-Recht.
Es sei in einem gemeinsamen europäischen Binnenmarkt zum Beispiel sinnvoll, eine gemeinsame Unternehmensbesteuerung auf den Weg zu bringen.
FDP: Weimarer Dreieck wiederbeleben
Nicola Beer (FDP) warb für eine Wiederbelebung des „Weimarer Dreiecks“, also des Dialogs der Regierungen und der Parlamente Deutschlands, Frankreichs und Polens. Deutschland müsse den Eindruck vermeiden, nur mit bestimmten EU-Mitgliedern reden zu wollen und dürfe nicht mit nationalen Alleingängen wie in der Energie- oder Migrationspolitik von sich reden machen.
Beer kritisierte zudem, dass die Bundesregierung dem Bundestag Ende Januar wegen des kurzfristig anberaumten Festakts am 22. Januar 2019 in Aachen eine Verschiebung des Parlamentsabkommens aufgenötigt habe.
Linke: Missbrauch der europäischen Idee
Fabio De Masi (Die Linke) argumentierte, dass man Europa nicht, wie im Aachener Vertrag angelegt, über Rüstungsprojekte einen könne, sondern nur durch die Stärkung des sozialen Zusammenhalts.
Dass die Bundesregierung mit einer „geheimen Nebenabrede“ zum Aachener Vertrag die deutschen Rüstungsexportrichtlinien aufweichen wolle, sei ein „Missbrauch der europäischen Idee“.
Grüne: Lösungen für Euro, Sicherheit, Klimaschutz finden
Auch Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) wandte sich gegen solche rein bilateralen deutsch-französischen Absprachen. Sie warb dafür, im neuen Gremium bei Themen wie Euro, Sicherheit und Klimaschutz Lösungen zu finden.
Brantner kritisierte zudem den Vorschlag der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, den zweiten EU-Parlamentssitz in Straßburg abzuschaffen: Eine solche Provokation sollte nicht das erste Willkommenswort an Macron und seine EU-Reformvorschläge sein. (ahe/vom/hle/20.03.2019)