Parlament berät über Ost-Quote in Bundesbehörden
Der Vorschlag der Fraktion Die Linke, eine „Ost-Quote“ in Bundesbehörden einzuführen, stößt bei den übrigen Fraktionen des Bundestages auf Ablehnung. Das wurde während der Debatte am Freitag, 15. März 2019, deutlich, als der Bundestag sowohl über einen entsprechenden Antrag (19/8013) der Linken als auch über einen Antrag (19/8279) der AfD-Fraktion debattierte, in dem diese fordert, bestehende Behörden in die östlichen Bundesländer zu verlagern. Auch dieser Forderung erteilten die übrigen Fraktionen eine Absage.
Linke: Die innere Einheit ernst nehmen
Dr. Gregor Gysi (Die Linke) verwies auf den Artikel 36 des Grundgesetzes, der verlangt, dass bei den obersten Bundesbehörden Beamte aus allen Ländern in angemessener Weise vertreten sein sollen. „Der Bundestag und die Bundesregierung lassen sich von diesem Artikel nicht leiten, sie verletzen das Grundgesetz“, kritisierte Gysi.
Es könne nicht sein, dass 30 Jahre nach dem Mauerfall in 11 von 14 Bundesministerien nicht ein Abteilungsleiter aus dem Osten komme. Aber „wer die innere Einheit will, muss endlich gleiche Chancen und Lebensverhältnisse in Ost und West, in Nord und Süd schaffen, sonst nimmt man die Einheit nicht ernst“, erklärte Gysi.
Regierung: Den Führungswechsel nutzen
Christian Hirte (CDU/CSU), Beauftragter der Bundesregierung für die ostdeutschen Bundesländer, lehnte eine Ost-Quote als „falschen Weg“ ab. Es stimme zwar, dass es zu wenig Ostdeutsche in Führungspositionen von Politik, Wirtschaft und Verwaltung und auch noch zu wenige Bundesbehörden im Osten gebe.
Aber wer solle denn definieren, wer „ostdeutsch“ sei, fragte er. Vielmehr müsse es darum gehen, die Verantwortlichen vor Ort für diese Thematik zu sensibilisieren, denn in den nächsten zehn Jahren werde es altersbedingt einen großen Austausch von Führungspersonal im Osten geben. Das sei eine riesige Chance, sagte Hirte.
AfD: Ostdeutschland ist benachteiligt
Dr. Anton Friesen (AfD) betonte, Ostdeutschland sei nach wie vor wirtschaftlich abgehängt und politisch benachteiligt. Mehr als 90 Prozent der Bundesbehörden lägen im Westen des Landes und entgegen der Behauptungen der Bundesregierung seien auch keine weiteren Ansiedlungen im Osten geplant.
Er warf der Bundesregierung vor, das Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse, wie es das Grundgesetz formuliere, zu ignorieren.
SPD: Gefahr für gesellschaftlichen Zusammenhalt
Auch Elisabeth Kaiser (SPD) kritisierte, dass nach wie vor zu wenig Personal in den Führungsetagen aus dem Osten komme und verwies darauf, dass dies eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstelle: „Denn in Spitzenpositionen nicht vertreten zu sein oder sich dort nicht vertreten zu fühlen, führt bei einigen Ostdeutschen zu Verdruss über die deutsche Einheit, bis hin zu Wut gegenüber unserem demokratisch verfassten Staat.“
Eine Ost-Quote würde jedoch die Trennungen der Vergangenheit zementieren und sei deshalb nicht das richtige Mittel für ein an sich richtiges Ziel. Kaiser forderte, den anstehenden Führungswechsel in vielen ostdeutschen Institutionen zu nutzen, um die Repräsentanz Ostdeutscher dort zu stärken.
FDP: Brauchen zunächst eine sachliche Analyse
Linda Teuteberg (FDP) lehnte eine Ost-Quote ebenfalls ab, auch wenn sie gleichzeitig feststellte, dass die Unterrepräsentanz Ostdeutscher in den Führungsgremien keine Dauerlösung bleiben dürfe. Eine Quote einzuführen, setze jedoch voraus, juristisch zu definieren, wer ostdeutsch ist. Dies sei aber unrealistisch, sagte sie.
Zunächst sei eine genaue Analyse auch in den Bundesländern nötig, um das Problem anschließend sachlich und nicht ideologisch zu lösen, so Teuteberg.
Grüne: Schwierige Definition von „ostdeutsch“
Claudia Müller (Bündnis 90/Die Grünen) rechtfertigte die Personalpolitik in den ostdeutschen Bundesländern nach der Wiedervereinigung. Damals sei quasi über Nacht ein neues Rechtssystem im Osten eingeführt worden, da habe man auch die damit vertrauten Beamten gebraucht. Aber das sei nun 30 Jahre her und nun gebe es keine Begründung mehr dafür, dass Ostdeutsche so wenig in leitenden Funktionen vertreten sind. Es werde jedoch formal sehr schwierig zu definieren sein, wer als ostdeutsch gilt, weshalb eine Ost-Quote nicht der richtige Weg sei, um dies zu ändern, sagte Müller.
CDU/CSU: Quote widerspricht eigenem Ehrgeiz
Marian Wendt (CDU/CSU) warf der Linken vor, die positiven Entwicklungen der letzten 30 Jahre zu ignorieren und fragte: „Widerspricht eine Quote nicht dem eigenen Ehrgeiz?“ Es wolle sich doch kaum jemand nachsagen lassen, nicht wegen seines Könnens, sondern wegen einer Quote eine bestimmte berufliche Position erreicht zu haben.
Eine Quote gehe auch an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes vorbei, denn sie ignoriere in Zeiten des Fachkräftemangels die tatsächlichen Bedürfnisse der regionalen Arbeitgeber, zu denen Bundesbehörden ja auch gehören, sagte Wendt.
Antrag der Linken
Die Linke schreibt, auch 30 Jahre nach dem Mauerfall gebe es kaum Ostdeutsche an der Spitze von Justiz, Wirtschaft oder Hochschulen. In den Verwaltungen der obersten Bundesbehörden wie beispielsweise den Bundesministerien seien sie extrem unterrepräsentiert. Artikel 36 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes enthalte den Grundsatz der proportionalen föderalen Parität, dem zufolge Beamtinnen und Beamte aus allen Ländern in angemessenem Verhältnis zu verwenden sind. Eine solch starke Unterrepräsentation, wie sie bei Beamtinnen und Beamten aus den ostdeutschen Bundesländern gemessen an deren Bevölkerungszahlen vorliege, widerspreche dem Grundgesetz-Ziel des Länderproporzes, heißt es in dem Antrag.
Die strukturelle westdeutsche Dominanz trage zu Verdrossenheit in Ostdeutschland bei. Es sei höchste Zeit, dass die im Grundgesetz verlangte Quote für Beamtinnen und Beamte aus Ostdeutschland und weiteren unterrepräsentierten Bundesländern umgesetzt wird. Die Bundesregierung solle einen Regelungsvorschlag vorlegen, der den in Art. 36 Satz 1 des Grundgesetzes verlangten Länderproporz umsetzt und auf Angestellte des Bundes überträgt.
Antrag der AfD
Die AfD fordert die Bundesregierung auf, bestehende Bundesbehörden in die fünf neuen Bundesländer zu verlagern und zukünftig neue Bundesbehörden vorrangig dort zu errichten, um eine repräsentativere Verteilung herzustellen und strukturschwache Regionen zu stärken.
Dadurch entstünden nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Infrastruktur und regionale Wirtschaftskreisläufe. Darüber hinaus würde durch die lokale Etablierung von wichtigen Institutionen des Bundes das Vertrauen der Bürger in die demokratischen Institutionen, den Behördenapparat und die Identität mit dem Staat gefördert, heißt es zur Begründung. (che/hau/15.03.2019)