Fraktionen bewerten Menschenrechtslage in Deutschland kontrovers
Die Menschenrechtslage in Deutschland wird von den Fraktionen kontrovers beurteilt. In eine reinstündigen Debatte diskutierten die Abgeordneten am Donnerstag, 14. Februar 2019, über die Jahresberichte des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) für die Jahre 2016 (19/171) und 2017 (19/6492) sowie über die Berichte über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland im Zeitraum Juli 2016 bis Juni 2017 (19/172) sowie im Zeitraum Juli 2017 bis Juni 2018 (19/6493).
Abgestimmt wurde zudem über die Entschließungsanträge der FDP (19/6455), der Linken (19/6456) und von Bündnis 90/Die Grünen (19/6457) zum Thema „70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“. Gegen den Entschließungsantrag der Liberalen stimmten die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, AfD und Linke, dafür votierten neben der FDP auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Entschließungsantrag der Linken wurde mit den Stimmen der Mehrheit des Hauses gegen die Stimmen der antragstellenden Fraktion abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurde der Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP. Zugestimmt hatte neben der antragstellenden Fraktion auch Die Linke. Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hatte dazu eine Beschlussempfehlung (19/7564) vorgelegt.
Regierung: Mit Aktionsplan auf gutem Weg
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Bärbel Kofler (SPD), hob hervor, dass die in den DIMR-Berichten genannten Herausforderungen für die Menschenrechtspolitik hierzulande sich mit der Kritik an Deutschland im UN-Menschenrechtsrat decken würden: Dazu zählten Geschlechtergerechtigkeit, Rassismus und das Themenfeld Wirtschaft und Menschenrechte.
Mit dem von der Bundesregierung beschlossenen Aktionsplan sei man beim letzten Punkt auf einem guten Weg, allerdings reichten freiwillige Regelung zur Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferketten nicht aus: „Ich bin überzeugt, wir brauchen hier ein Gesetz“, sagte Kofler.
AfD: Bericht verschweigt wichtige Punkte
Jürgen Braun (AfD) warf dem Menschenrechtsinstitut vor, wichtige Punkte in seinen Berichten zu verschweigen. So gebe es in Flüchtlingsunterkünften lebensbedrohliche Angriffe auf christliche Asylbewerber: „Diese treffen hier ihre Peiniger wieder und das sind Moslems.“
Ebenso fehle eine Kritik des Instituts am Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das die Vielfalt der Meinungen einschränke, Selbstzensur befördere zu willkürliche Löschungen im Internet führe. „Menschen haben Angst, frei ihre Meinung zu sagen“, sagte Braun. Ein solches Schweigen aber sei der Anfang vom Ende der freien Gesellschaft.
CDU/CSU: Menschenrechtsdiskurs nicht überfrachten
Prof. Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) würdigte die Deklaration der Menschenrechte vor 70 Jahren als Paradigmenwechsel im Völkerrecht: Das Selbstbestimmungsrecht der Nationen sei nur dann als legitim zu betrachten, wenn es durch Menschenrechte eingehegt werde.
Zimmer warnte davor, jeden kleineren Missstand zu einer Menschenrechtsverletzung zu „adeln“. Es gehe zuallererst um die Einhaltung basaler Rechte, und nicht um ein Recht „auf bezahlte Urlaube oder behindertengerechte Unterkünfte für Migranten“. Man müsse sich hüten den Menschenrechtsdiskurs mit westlichen Wohlstandsansprüchen zu überfrachten.
FDP: Bundesregierung betreibt Schaufensterpolitik
Gyde Jensen (FDP) griff eine Kritik des DIMR an Zuständen in der Pflege in Deutschland auf: Statt auf Zeitmangel und Personalnot in Pflegeeinrichtungen angemessen zu reagieren, betreibe die Bundesregierung nur Schaufensterpolitik. Jensen unterstrich zudem die Dringlichkeit, dem Recht auf Privatheit und der Freiheit des Individuums auch in der digitalen Welt volle Geltung zu verschaffen.
Die Bundesregierung unterstütze im Zusammenhang mit dem EU-Urheberrecht geplante Upload-Filter, die für Zensur missbraucht werden könnten. „Nach dem Netzwerk-Durchsetzungsgesetz ist das der nächste Schlag in Magengrube.“
Linke sieht bei sozialen Rechten Nachholbedarf
Zaklin Nastic (Die Linke) betonte, dass Deutschland insbesondere bei den sozialen Rechten Nachholbedarf habe: „Die Grundfreiheiten des Kapitals bleiben hierzulande unangetastet, während viele Menschen nur das Recht haben, unter Brücken zu schlafen und Flaschen zu sammeln.“
14 Millionen Beschäftigte müssten einer prekären Arbeit nachgehen, während Sozialleistungen wie Hartz IV kein menschenwürdiges Leben sicherten. „Das ist für ein Land, das sich Superreiche leistet, beschämend.“
Grüne üben Kritik an Rüstungsexporten
Margarete Bause (Bündnis 90/Die Grünen) hob die aus ihrer Sicht wichtige Kontrollfunktion des DIMR hervor: „Menschenrechtsverletzungen andernorts kann nur derjenige glaubwürdig kritisieren, der im eigenen Land die Hausaufgaben macht.“ Es gebe aus menschenrechtlicher Sicht mehrere Arbeitsaufträge an die Bundesregierung – in ihrer Handelspolitik mit Ländern wie China und Ägypten genauso wie beim Schutz von Arbeitsmigranten hierzulande vor Ausbeutung.
Bause kritisierte zudem die Genehmigungspraxis für Rüstungsexporte. Waffenlieferungen an Länder wie Saudi-Arabien und Katar seien „unvereinbar mit einer menschenrechtsorientierten Politik“.
Mehr Eingriffe in das Recht auf Privatsphäre
Im Jahresbericht 2016 heißt es unter anderem, das Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit sei für das Deutsche Institut für Menschenrechte ein wichtiges Thema. Es müsse festgestellt werden, dass staatliche Eingriffe in das Menschenrecht auf Privatsphäre erheblich gewachsen seien. Mit Blick auf das Thema Bildung schreiben die Autoren, Menschenrechtsbildung sei die Grundlage dafür, dass Menschen ihre Rechte kennen und ausüben können.
Sie fordern, Unterrichtsmaterialien daraufhin zu überprüfen, „ob sie stereotype oder gar abwertende Bilder und Bezeichnungen vermitteln“. Im Bericht 2017 sprechen sich die Autoren für die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz aus. „Die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz erleichtert Kindern und ihren Eltern, Kinderrechte durchzusetzen“, heißt es in der Vorlage.
„Schwere Arbeitsausbeutung in Deutschland“
Im Bericht über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland im Zeitraum Juli 2016 bis Juni 2017 wird intensiv auf die Situation der Flüchtlinge in Deutschland eingegangen. Dabei geht es unter anderem um die Qualität der Asylverfahren, die Lebensumstände in den Flüchtlingsunterkünften und den Familiennachzug.
Im Folgebericht werden „schwere Arbeitsausbeutung und die Lohnansprüche betroffener Migranten in Deutschland“ thematisiert – ebenso wie Zwangsunterbringungen in der Psychiatrie und die Rolle der Menschenrechte im Genehmigungsverfahren für Rüstungsexporte.
Entschließungsanträge der Opposition
Die FDP-Fraktion forderte in ihrem Entschließungsantrag die Bundesregierung unter anderem auf, die Rolle eines Vorreiters bei der Fortentwicklung der Menschenrechte im digitalen Zeitalter einzunehmen.
Die Linksfraktion setzte sich in ihrem Entschließungsantrag unter anderem dafür ein, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte auch in Deutschland besser zu schützen. Die Forderungen der Grünen zielten unter anderem auf eine Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs und des UN-Menschenrechtsrates ab. (hau/ahe/14.02.2019)