Wehrbeauftragter beklagt „Überorganisation“ in der Bundeswehr
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Hans-Peter Bartels, hat am Dienstag, 29. Januar 2019, den Wehrbericht für das Jahr 2018 (19/7200) an Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble übergeben. Im Beisein des Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD), und der Obleute der Fraktionen lobte Bartels die Zusammenarbeit mit dem Ausschuss und sagte bei der Übergabe, es gebe zwar an manchen Stellen Fortschritte, doch sei dies „zu wenig“.
„Verwaltung des Mangels bleibt Alltag“
Vieles muss und soll besser werden, damit die Soldatinnen und Soldaten zur kollektiven Verteidigung in Europa beitragen und zugleich an multinationalen Kriseneinsätzen außerhalb des Nato-Gebiets teilnehmen können, schreibt Bartels im Bericht: „Die Verwaltung des Mangels bleibt Alltag.“ Als Haupthindernis erlebten die Bundeswehrangehörigen die „Überorganisation von allem und jedem“ und sprächen vom „Bürokratiemonster Bundeswehr“. Für verschwenderischen Umgang mit Geld und Zeit stehe der Fall „Gorch Fock“. Niemand scheine fragen zu müssen, ob es normal sei, wenn sich der Preis der Reparatur des Segelschulschiffs von zehn auf 135 Millionen Euro verdreizehnfache, stellt der Wehrbeauftragte fest.
Wie schon in den Vorjahren ist die Bundeswehr laut Bartels von einer materiellen Vollausstattung weit entfernt: kaum einsatzbereite Leopard-2-Kampfpanzer, teure Nachrüstungsprogramme für den neuen Schützenpanzer „Puma“, keine Tanker bei der Marine im zweiten Halbjahr 2018, ein großer Teil der U-Boote defekt, weniger als die Hälfte der Eurofighter-Jagdflugzeuge und der Tornado-Kampfflugzeuge flugfähig und auf ein Minimum reduzierte Munitionsbestände.
Zu wenige persönliche Ausrüstungsgegenstände
Auch die Lage bei den Ersatzteilen habe sich nicht verbessert. Zu lange Wartezeiten bei Industrieinstandsetzungen seien mittlerweile die Regel. Bartels empfiehlt die Rückkehr zur umfassenden Ersatzteilbevorratung und eine maßvolle Rückkehr zu eigener Instandsetzung, um künftig weniger auf die „ökonomische Rationalität privatwirtschaftlicher Firmen“ angewiesen zu sein. Es seien immer noch viel zu wenige persönliche Ausrüstungsgegenstände wie Schutzwesten, Stiefel, Bekleidung, moderne Helme oder Nachtsichtgeräte vorhanden. Nur mit Mühe sei es der Bundeswehr gelungen, die 8.000 Bundeswehrteilnehmer an der Nato-Übung „Trident Juncture“ im Herbst 2018 in Norwegen mit Winterbekleidung und Schutzwesten auszustatten.
Beklagenswert nennt Bartels auch den Zustand vieler Gebäude. Was über Jahrzehnte vernachlässigt worden sei, könne in drei Jahren der Trendwende nicht aufgeholt werden. Die Bundeswehr werde größer und brauche mehr Platz. „Ein Spind und ein Bett für wirklich jede Soldatin und jeden Soldaten in der Kaserne, das sollte selbstverständlicher Standard sein“, schreibt Bartels. Positiv äußert er sich über den neuen Traditionserlass der Bundeswehr. Darin werde bekräftigt, dass Rituale, die gegen die Prinzipien der Inneren Führung, die Menschenwürde oder die körperliche Unversehrtheit verstoßen, unterlassen werden müssen. Dennoch habe es 2018 Meldungen über „derartige Dummheiten“ gegeben.
Rechtsextremismus und sexuelle Belästigung
Der Anstieg der meldepflichtigen Ereignisse im Bereich Rechtsextremismus von 63 im Jahr 2016 auf 167 im Jahr 2017 und 170 im Jahr 2018 ist für ihn auch „Folge einer verstärkten Sensibilisierung durch die öffentlich diskutierten Vorfälle“, in denen es um das Traditionsverständnis der Bundeswehr und die Grundsätze der Inneren Führung gegangen sei.
Deutlich erhöht gegenüber 2017 habe sich die Zahl der meldepflichtigen Ereignisse wegen des Verdachts auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. 288 Fälle seien gemeldet worden, 2017 seien es 235 gewesen. Dies führt Bartels zum Teil darauf zurück, dass das Bewusstsein für das Thema sexuelle Belästigung durch die „MeToo“-Debatte auch in der Bundeswehr gestiegen sei.
„Truppe im Einsatz braucht eigene Hubschrauber“
Als einen der Hauptkritikpunkte aus den Einsatzgebieten in Mali und Afghanistan nennt Bartels Ausfälle und Verschiebungen bei Hin- und Rückflügen. Dies habe zur Folge gehabt, dass die Soldatinnen und Soldaten zum Teil tagelang behelfsmäßig hätten untergebracht werden müssen. Innerhalb der Einsatzgebiete würden angemietete Transporte in ungeschützten zivilen Hubschraubern und Flugzeugen hohe Gefahren bergen. „Die Truppe im Einsatz braucht eigene deutsche militärische geschützte Hubschrauber“, lautet Bartels‘ Schlussfolgerung.
Ende 2018 habe es mit rund 173.000 Berufs- und Zeitsoldaten 4.000 mehr als Ende 2017 gegeben. 2.534 Soldatinnen und Soldaten hätten sich mit persönlichen Eingaben an ihn gewandt (2017: 2.528). Dass im vergangenen Jahr fast alle an die Bundeswehr gestellten Aufgaben doch irgendwie gelöst wurden, hat nach Ansicht des Wehrbeauftragten „ganz wesentlich mit der loyalen Professionalität und der Liebe zu ihrem Beruf zu tun, die Soldatinnen und Soldaten immer wieder Wege finden lassen, wo der ,Dienstweg‘ einen manchmal verzweifeln lassen könnte“. (vom/29.01.2019)