Mit Lösungsideen zum globalen Problem mit Plastikmüll haben sich die Mitglieder des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit unter Vorsitz von Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) am Mittwoch, 8. Mai 2019, befasst. Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung nahmen neun geladene Sachverständige zu fünf vorliegenden Anträgen Stellung und stellten sich den Fragen der Abgeordneten. Im Wesentlichen sprachen sich die Sachverständigen in unterschiedlicher Akzentuierung international für den Aufbau und die Stärkung der Kreislaufwirtschaft, ein Verbot für Abfallexporte in problematische Länder sowie Maßnahmen zur Vermeidung von Plastikabfällen aus. Umstritten zwischen Vertretern der Umweltverbände beziehungsweise des Handels war die Frage, inwiefern in Deutschland zusätzlicher regulatorischer Handlungsbedarf besteht.
„Kunststoffproduktion deutlich verringern“
Für den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) sprach sich Dr. Kim Detloff dafür aus, auf eine deutliche Verringerung der Kunststoffproduktion und des Kunststoffverbrauches zu setzen. Demnach müsse die Produzentenverantwortung so erweitert werden, dass damit international die Systeme der Abfall- und Kreislaufwirtschaft gestärkt werden.
Zudem müsste Abfallexport in Länder ohne hochwertiges Recycling unterbunden werden. Auch die EU und Deutschland seien in der Pflicht. „Die Debatte um den Roh- und Wertstoff Kunststoff muss dabei um eine Debatte um Mehrweg, Langlebigkeit, Schadstofffreiheit und Recyclingfähigkeit von Produkten erweitert werden“, führte der Nabu-Vertreter in seiner Stellungnahme aus.
Mut zur Abfallvermeidung angemahnt
In eine ähnliche Richtung argumentierte für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Thomas Fischer. Es brauche mehr Mut zur Abfallvermeidung, sagte Fischer. Man dürfe sich in Deutschland nicht aus der Verantwortung ziehen, gebe es doch mit jährlich 226 Kilogramm Verpackungsabfall ein sehr hohes Pro-Kopf-Aufkommen.
Fischer sprach sich unter anderem für die Einführung eines Abfallvermeidungszieles, eine Abgabe auf besonders umweltschädliche Einwegartikel sowie eine Ausweitung der haushaltsnahen Wertstoffsammlung aus. Zudem müsse die im Verpackungsgesetz normierte Mehrwegquote auch tatsächlich erreicht und durchgesetzt werden.
„Kunststoffe nicht pauschal verurteilen“
Kai Falk (Handelsverband Deutschland, HDE) sagte, eine pauschale Verurteilung von Kunststoffen ergebe keinen Sinn. Er betonte die Bedeutung von Forschung und Entwicklung in diesem Bereich und hob Maßnahmen im Handel zur Plastikvermeidung hervor. So sei mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung eine Reduzierung von Plastiktüten erreicht worden. Zudem nutzten einige Handelskonzerne für die Verpackungen ihrer Eigenmarken schon Rezyklate.
Kritisch beurteilte Falk in seiner Stellungnahme die Einwegplastik-Richtlinie der EU. Diese helfe nicht dabei, gegen die unsachgemäße Entsorgung als Hauptursache der Umweltverschmutzung durch Plastik vorzugehen. Für Deutschland sieht der HDE laut Stellungnahme aktuell keinen regulatorischen Handlungsbedarf, um den Plastikeintrag zu verringern.
„Verpackungseisberg“
Gunda Rachut (Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister) mahnte an, nicht nur die Kunststoffverpackungen privater Endverbraucher in den Blick zu nehmen. Diese machten nur elf Prozent des „Verpackungseisberges“ aus, der Rest entfalle auf sonstige Materialien beziehungsweise Industrie- und Transportverpackungen.
Sollte auf ökologische Mehrweglösungen gesetzt werden, setze dies Standardisierung voraus. Dies gehe am einfachsten in den Bereichen Industrie-, Transport und Versandverpackungen, führte Rachut in ihrer Präsentation aus.
„Recycelbare Produkte besserstellen“
Herwart Wilms (REMONDIS Assets & Service GmbH & Co. KG) schloss sich den Forderungen nach Exportverboten an. Um heimatnahe Märkte zu stärken, bedürfe es einer Besserstellung von recycelbaren Produkten und jenen, die Rezyklate einsetzten.
Wilms betonte, dass es bei der Herstellung von Verpackungen wichtig sei, auf die Trennbarkeit der eingesetzten Materialien zu achten. Von der öffentlichen Hand forderte Wilms bei der öffentlichen Beschaffung, „grün einzukaufen“. Zudem müsse auch in Deutschland der Eintrag von Plastik in die Gewässer reduziert werden, der vor allem durch Reifenabrieb entstehe. Dazu forderte der Sachverständige eine Nachrüstung von Kläranlagen in Deutschland.
Aufbau von Abfall- und Kreislaufwirtschaftssystemen
Andreas Proksch (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ) stellte die Herausforderung beim Aufbau umfassender Abfall- und Kreislaufwirtschaftssysteme in Entwicklungs- und Schwellenländern dar. Weltweit hätten zirka zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu funktionierenden Abfallsystemen. Diese aufzubauen, erfordere enorme Anstrengungen, hätte neben der Reduzierung des Plastikeintrages aber auch positive Nebeneffekte auf etwa die Gesundheit der Bevölkerung, sagte der GIZ-Vertreter.
Zwar sei beim Thema Plastikeintrag in die Weltmeere international Handlungsbedarf erkannt worden, in den betroffenen Ländern sei die konkrete Umsetzung aber nur sehr vereinzelt zu erkennen.
Kritik an schleppender Umsetzung
Für den Deutschen Landkreistag kritisierte Dr. Torsten Mertins die schleppende Umsetzung des novellierten Verpackungsgesetzes. Die Verhandlungen mit den Vertretern der dualen Systeme gestalteten sich dabei schwierig. Als Aufgaben der Landkreise sah Mertins neben der Aufklärung der Bevölkerung auch eine gezielte öffentliche Beschaffung.
Einen Einblick in technische Entwicklung beziehungsweise die Forschung gaben jeweils Elke Kunde (IBM Deutschland GmbH) sowie Prof. Dr. Lars Blank (RWTH Aachen). Kunde stellte vor, wie das Unternehmen „Plastic Bank“ mithilfe der Blockchain-Technologie die Sammlung von Plastikmüll unterstützt, indem es den Wert von Kunststoffmüll sichtbar mache.
Blank führte Details zum Forschungsprojekt aus, das das Ziel hat, Kunststoffe auf Erdölbasis in vollständig biologisch abbaubare Kunststoffe umzuwandeln.
Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert ein Exportverbot für Plastikmüll. Die Bundesregierung soll nach dem Willen der Fraktion „den Export von Plastikmüll in Staaten, in denen eine Abfallwirtschaft mit vollumfänglichem Sammeln, Lagern und Verwerten des Plastikmülls nicht gewährleistet ist“, unterbinden. Diese Staaten seien die Hauptemittenten des Plastikeintrages in Flüsse und Meere, führt die Fraktion zur Begründung in ihrem Antrag (19/9237) aus.
Die Bundesregierung soll sich demnach unter anderem auch für Wissenstransfer, den Aufbau thermischer Verwertungsanlagen sowie den Aufbau von Infrastrukturen des dualen Systems in diesen Ländern einsetzen. Zudem schlägt die Fraktion vor, die Wirkung vom Mikro- und Nanoplastik auf die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie alternative Materialien zu erforschen.
Erster Antrag der FDP
Ein Antrag der FDP gegen die Meeresvermüllung durch Plastik (19/3172) soll gemeinsam mit den europäischen Partnern auf eine internationale Lösung des Problems setzen. Des Weiteren sollen Forschungsvorhaben im Bereich der Wasserreinhaltung zur Ermittlung von Methoden und Wegen, um Abwasser von Mikroplastiken zu reinigen, gefördert werden.
Bestehende deutsche Technik zur Reinhaltung der Meere wie Müllsammelschiffe solle in Serie produziert und auf den Weltmeeren eingesetzt werden. Die europäische Entwicklungszusammenarbeit solle eine Entsorgungswirtschaft in Entwicklungsländern aufbauen helfen, die sich an Wirtschaftlichkeitskriterien orientiert.
Zweiter Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion will mit einem zweiten Antrag (19/7695) im Umgang mit der Vermüllung der Weltmeere mit Plastik Hersteller in die Pflicht nehmen sowie die Chancen der Digitalisierung nutzen. Die Verschmutzung der Meere mit Plastik sei eines der „drängendsten Umweltprobleme weltweit“, schreibt die Fraktion. Die Liberalen sehen vor allem Handlungsbedarf in vielen asiatischen, afrikanischen sowie mittel- und südamerikanischen Ländern. Dort existierten keine institutionalisierten Müllsammel- und Entsorgungssysteme. „Abfälle ohne Ressourcenwert landen oftmals in der Umwelt“, heißt es in dem Antrag.
Konkret soll sich die Bundesregierung nach dem Willen der FDP dafür einsetzen, dass „Konsumgüterproduzenten, die Plastik in ihren Produkten oder Verpackung ihrer Produkte verarbeiten, in die Pflicht genommen werden, um den Eintrag von Kunststoffen in die Ozeane maßgeblich zu reduzieren“. Diese Produzenten müssten zur nachhaltigen Finanzierung von Entsorgungssystemen in Entwicklungs- und Schwellenländern herangezogen werden.
„Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen“
Zudem sollen nach Vorstellungen der Fraktion „Möglichkeiten der Digitalisierung“ genutzt werden, etwa indem Produkte mit bestimmten Techniken markiert werden. „Diese Markierungen können die Inhaltsstoffe der Produkte für eine bessere Sortierung und damit für ein besseres Recycling darstellen“, schlägt die Fraktion vor. Auch auf Pilotprojekte mit der Blockchain-Technologie zur Zuordnung eines Entsorgungswertes verweisen die Liberalen in dem Antrag.
In der EU sieht die Fraktion insgesamt weniger direkten Handlungsbedarf. Europa emittiere zwischen einem und zwei Prozent der gesamten Meeresvermüllung, führt die Fraktion mit Verweis auf Studien aus. Problematisch sei aber, dass es in der EU noch kein „Deponierungsverbot für unbehandelte Siedlungsabfälle“ gebe. Dadurch gelangten Plastikabfälle immer noch in die Umwelt. Die Bundesregierung müsse sich daher für ein EU-weites Verbot dieser Praxis einsetzen, fordern die Liberalen.
Erster Antrag der Grünen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert von der Bundesregierung, sich verstärkt gegen die Vermüllung der Weltmeere durch Plastik einzusetzen. In einem Antrag (19/5230) wird die Bundesregierung unter anderem dazu aufgefordert, „sich für eine internationale Konvention zur Beendigung des Eintrags von Plastikmüll“ in die Meere einzusetzen.
Weiterhin soll die Bundesregierung nach dem Willen der Grünen ein „sofortiges Moratorium für jegliche Plastikmüllexporte in Länder mit nachweislich schlechteren Müllentsorgungssystemen“ aussprechen und perspektivisch ein generelles Exportverbot von Müll und Schrott beschließen.
Zweiter Antrag der Grünen
Mit einem verbindlichen Abfallvermeidungsziel, einer Abgabe auf Wegwerfprodukte, einer Verschärfung der Pfandregelungen und der deutschlandweiten Einführungen einer Wertstofftonne wollen die Grünen gegen Plastikmüll vorgehen. „Die Verschmutzung der Natur mit Plastik und Mikroplastik hat ein dramatisches Ausmaß angenommen und ist eine größten globalen Umweltkrisen“, begründen die Grünen ihren zweiten Antrag (19/6129). In Deutschland bestehe riesiger Handlungsbedarf, da Deutschland europaweit „das Schlusslicht bei der Vermeidung von Verpackungsmüll“ sei.
Konkret schlagen die Abgeordneten beispielsweise vor, ein Abfallvermeidungsziel für Verpackungsmüll von 110 Kilogramm pro Kopf bis 2030 festzuschreiben. Dazu solle Plastikverpackungen nur 18 Kilogramm pro Kopf beitragen dürfen. Zudem wollen die Grünen Einweggetränkeverpackungen verdrängen: Im Verpackungsgesetz soll laut Antrag eine verbindliche Mehrwegquote von 80 Prozent bis 2025 festgehalten werden. Pfand-Ausnahmen bei Einwegverpackungen sollen demnach gestrichen werden.
„Wertstoffsammlung neu organisieren“
Außerdem schlagen die Grünen eine Neuorganisation der Wertstoffsammlung vor. Die Wertstoffsammlung soll dem Antrag zufolge in kommunale Verantwortung übergehen. Verpackungen und stoffgleiche Nichtverpackungen sollen gemeinsam in einer Wertstofftonne gesammelt werden.
Mit Blick auf die EU-Ebene fordern die Grünen darüber hinaus, die Vorgaben der Einwegplastik-Richtlinie unverzüglich umzusetzen und eine Abgabe auf jene Wegwerfprodukte wie Plastiktüten und Coffee-to-go-Becher einzuführen, die von der Richtlinie nicht umfasst sind. Zudem soll Mikroplastik nach dem Willen der Fraktion unter den sogenannten REACH-Regelungen (EU-Chemikalienverordnung) verboten werden. (scr/vom/08.05.2019)
Liste der Sachverständigen
- Kai Falk, Handelsverband Deutschland e. V. (HDE)
- Herwart Wilms, REMONDIS Assets & Services GmbH & Co. KG,
- Andreas Proksch, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
- Gunda Rachut, Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister,
- Dr. Torsten Mertins, Deutscher Landkreistag e.V.
- Prof. Dr. Lars Blank, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen
- Elke Kunde, IBM Deutschland GmbH
- Dr. Kim Detloff, NABU - Naturschutzbund Deutschland e.V.
- Thomas Fischer, Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)