Regierung legt Entwurf zu sicheren Herkunftsstaaten vor
Eine Einstufung Algeriens, Marokkos und Tunesiens sowie Georgiens als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten bleibt im Bundestag weiter umstritten. Dies wurde am Donnerstag, 8. November 2018, im Bundestag bei der ersten Lesung eines entsprechenden Gesetzentwurfes der Bundesregierung (19/5314) deutlich. Drei Wochen nach der Ablehnung eines FDP-Vorstoßes im Parlament für eine solche Einstufung Georgiens und der drei nordafrikanischen Maghreb-Staaten bekräftigten Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen im Gegensatz zu den übrigen Fraktionen ihr Nein zu der Regierungsvorlage.
Entwurf der Bundesregierung
Darin schreibt die Bundesregierung, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl, Flüchtlingsschutz oder subsidiärem Schutz bei Antragstellern aus den vier Staaten nur in wenigen Einzelfällen vorlägen. „Durch die zahlreichen, zumeist aus nicht asylrelevanten Motiven gestellten Asylanträge“ würden Bund, Länder und Kommunen „mit erheblichen Kosten für die Durchführung der Verfahren sowie für die Versorgung der in Deutschland aufhältigen Asylsuchenden belastet“.
Daher sollen die vier Länder als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden, um Asylverfahren ihrer Staatsangehörigen schneller bearbeiten „und – im Anschluss an eine negative Entscheidung über den Asylantrag – den Aufenthalt in Deutschland schneller beenden“ zu können.
Ministerium: Keine Gründe, Einstufung nicht vorzunehmen
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat, Stephan Mayer (CSU), verwies darauf, dass es im vergangenen Jahr 15.000 Verfahren zu Asylanträgen von Angehörigen der vier genannten Länder gekommen sei. Dabei habe die Anerkennungsquote für Georgien 0,6 Prozent, für Algerien 2,0 Prozent, für Marokko 4,1 Prozent und für Tunesien 2,7 Prozent betragen.
In den vier Staaten gebe es keine Gruppenverfolgung oder systematische Verfolgung und auch keine „unmenschliche oder unwürdige Behandlung oder Bestrafung von Personen“. Daher gebe es aus Sicht der Bundesregierung keine Gründe, die angestrebte Einstufung der vier Länder nicht vorzunehmen.
AfD: Druck auf die Maghreb-Staaten erhöhen
Auch aus Sicht des AfD-Abgeordneten Lars Herrmann „spricht nichts dagegen, Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien als sichere Herkunftsländer einzustufen“. Der „von der Bundesregierung erhoffte Effekt, Deutschland als Zielland unattraktiv zu machen“, werde jedoch allein mit dieser Maßnahme nicht erreicht.
Vielmehr werde eine „Verbesserung erst spürbar sein“, wenn gleichzeitig der Druck auf die Maghreb-Staaten merklich erhöht werde, ihre Staatsbürger wieder zurückzunehmen, und wenn Deutschland eine konsequente Abschiebungspolitik betreibe. Alle Abschiebungen brächten jedoch nichts, „wenn die Betroffenen problemlos wieder nach Deutschland einreisen können“.
SPD: Individueller Anspruch auf Asyl bleibt
Der SPD-Parlamentarier Helge Lindh betonte, dass es sich bei der Einstufung der vier Länder als sichere Herkunftsstaaten nicht um die Abschaffung des individuellen Anspruchs auf Asyl handele. Vielmehr gehe es im Kern um ein Signal „an diejenigen, die de facto keinen Anspruch und keine Chance haben, hier als Asylbewerber anerkannt zu werden“, aber in der Hoffnung darauf nach Deutschland kommen.
Es könne nicht Sinn der Asylpolitik sein, Menschen diese Hoffnung zu machen. Dies sei nicht verantwortungsbewusst. Man habe aber sicherzustellen, dass diejenigen, die tatsächlich schutzbedürftig seien, auch Schutz in Deutschland finden.
FDP: Der Schritt ist überfällig
Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg bezeichnete es als „überfällig“, Georgien und die drei Maghreb-Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Dabei sei an den „Ammenmärchen von Grünen und Linken, dass dadurch das individuelle Asyl-Grundrecht unseres Grundrechts infrage gestellt würde, nichts dran“.
Auch in Zukunft werde jeder Einzelfall geprüft und das individuelle Asylrecht geschützt. Dies sei für ihre Fraktion selbstverständlich. Die Erfahrungen mit der Einstufung der Westbalkan-Staaten als sichere Herkunftsländer belegten, dass das Ziel erreicht werde, die Verfahren zu beschleunigen und auf die wirklich schutzbedürftigen Personen zu konzentrieren.
Linke betont Schutzanspruch von Flüchtlingen
Für Die Linke entgegnete ihre Parlamentarierin Ulla Jelpke, dass man den Antragstellern eine unvoreingenommene Prüfung verweigere, „wenn man schon vor Beginn eines Verfahrens das Ergebnis vorwegnimmt“. Dabei sei die „Regelung der scheinbar sicheren Herkunftsländer“ eine „sich selbst erfüllende Prophezeiung“. Sie beschneide den Schutzanspruch von Flüchtlingen und erhöhe das Risiko, dass Verfolgte abgelehnt und abgeschoben werden.
Dies sei eine Verhöhnung des Asylrechts. Dabei gebe es in den Maghreb-Staaten erhebliche Menschenrechtsverletzungen. Wer behaupte, es gebe im Maghreb praktisch keine asylrelevante Verfolgung, betreibe „eine politisch kalkulierte Weißwäscherei brutaler Menschenrechtsverletzungen“.
Grüne: Anträge unvoreingenommen prüfen
Die Abgeordnete Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, entscheidend sei, dass ein Asylantrag unvoreingenommen geprüft werde. Nur so sei der wirklich individuelle Zugang zum Asylverfahren zu gewährleisten. Wenn man aber in der Anhörung der Asylbewerber davon ausgehe, dass Menschen aus den genannten Ländern grundsätzlich nicht schutzbedürftig sind, widerspreche dies „dem Gedanken der unvoreingenommenen und damit individuellen Prüfung ganz eklatant“.
Auch müsse nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts „Verfolgungsfreiheit im ganzen Land herrschen“. Die gebe es aber in den drei Maghreb-Staaten nicht.
CDU/CSU: Anträge zügig bearbeiten
Michael Brand (CDU/CSU) sagte, die Koalition wolle „in offensichtlich unbegründeten Fällen“ Verfahren beschleunigen, indem „Anträge zügiger bearbeitet und schneller entschieden werden können, so dass im Falle einer Ablehnung auch die Rückkehr schneller erfolgen kann“.
Schließlich könne „niemand mit Vernunft“ an solchen Verfahren ein Interesse haben. Diese gingen „im Ergebnis zulasten der tatsächlich schutzbedürftigen Asylsuchenden, da für sie weniger Kapazitäten zur Verfügung stehen“. Auch gelte das Recht auf politisches Asyl „aus guten Gründen ausschließlich in Fällen politischer Verfolgung“. (sto/08.11.2018)