Maaßen-Äußerungen dominieren Debatte um Etat des Innenministeriums
Im Streit um die Äußerungen von Verfassungsschutzpräsident Dr. Hans-Georg Maaßen zu den Ereignissen in Chemnitz zeigt sich die Koalition im Bundestag gespalten. Während Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag, 13. September 2018, im Parlament in der ersten Lesung seines Etats für 2019 bekräftigte, Maaßen habe weiterhin sein Vertrauen als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), forderte SPD-Fraktionsvize Dr. Eva Högl den Ressortchef auf, diese Entscheidung noch einmal zu überdenken. Auch Vertreter von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wandten sich gegen Maaßen.
Minister: Null Toleranz für Rechtsradikalismus
Maaßen hatte in einem am 7. September veröffentlichen Zeitungszitat die Authentizität eines im Internet mit der Überschrift „Menschenjagd in Chemnitz“ kursierenden Videos in Zweifel gezogen. Seehofer betonte, der BfV-Präsident habe am Vortag im Parlamentarischen Kontrollgremium und im Innenausschuss umfassend seine Handlungsweise dargelegt und überzeugend Position gegen den Rechtsradikalismus bezogen. Auch sei es „kein Mangel, wenn ein Präsident einer Behörde die Kraft aufbringt, sein Bedauern über die Wirkung seines Interviews zum Ausdruck zu bringen“. Der Ressortchef unterstrich zugleich, dass es in seinem Haus „null Toleranz“ für Rechtsradikalismus, Antisemitismus, Ausländerhetze und Ausländerhass gebe. Dergleichen werde „ohne jeden Kompromiss verfolgt“, wo immer es stattfinde.
Seehofer teilte zugleich mit, dass nach den Flüchtlingsabkommen mit Spanien und Griechenland zur Rücknahme bestimmter Flüchtlinge von der deutschen Grenze nun auch das entsprechende Abkommen mit Italien abgeschlossen sei. Es fehlten „nur noch die zwei Unterschriften von dem italienischen Kollegen und mir“, sagte der Minister. Zugleich kündigte er an, dass noch in diesem Jahr der Entwurf eines Fachkräftezuwanderungsgesetzes vorgelegt werde. Hier befinde sich die Koalition „in den Endverhandlungen“.
AfD beklagt „Milliardenkosten für die Migration“
Dr. Gottfried Curio (AfD) forderte eine grundsätzliche Änderung der Regierungspolitik im Innenressort. Er beklagte die „Milliardenkosten für die Migration“. Dabei sei niemand, der die deutsche Grenze zu Lande erreicht, laut Gesetz ein Flüchtling. „Zurückweisung an der Grenze ist rechtens“, sagte Curio.
Der Regierung warf er vor, sie predige Zusammenhalt, aber selbst spalte sie. Sie verurteile „lieber zu Recht empörte Demonstranten als die Gewalttaten, derentwegen demonstriert wird“. Der „Mord von Chemnitz“ sei kein Einzelfall gewesen. „Das massenhafte Unrecht der Illegalität wird toleriert, Migrantenkriminalität aber bagatellisiert und Proteste kriminalisiert“, fügte Curio hinzu.
SPD: Maaßen nicht mehr der Richtige
Eva Högl hob hervor, wie wichtig Vertrauen in die Sicherheitsbehörden und insbesondere in den Verfassungsschutz sei. Die SPD sei aber nicht überzeugt, dass Maaßen das Vertrauen, das er selbst erschüttert habe, perspektivisch wiederherstellen könne.
Daher halte die SPD-Fraktion Maaßen „nicht mehr für den Richtigen an der Spitze des Verfassungsschutzes“. Seehofer möge hierüber nochmals nachdenken und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) „an dieser Stelle für Klarheit“ sorgen. „Weder beim Verfassungsschutz noch sonstwo“ dürfe kein Zweifel daran bestehen, dass Rechtsextremismus konsequent bekämpft werden müsse.
FDP: Fahrlässig und brandgefährlich
Dr. Stefan Ruppert (FDP) kritisierte, Maaßen habe ein „politisches Programm“ und unterlasse es, „Vertrauen in diese wichtige Behörde aufrecht zu erhalten oder wiederherzustellen“. Zugleich wandte er sich dagegen, wie Seehofer die Migrationsfrage als „Mutter aller Probleme“ zu werten.
Wenn der Minister so quasi vielen Millionen Migranten „ein personifiziertes Misstrauensvotum“ ausstelle, sei dies „fahrlässig und brandgefährlich“, fügte Ruppert hinzu und warf die Frage auf, wie dann Integration gelingen solle.
Linke: Seehofer muss zurücktreten
Für Die Linke sagte Victor Perli, nicht nur Maaßen müsse entlassen werden, sondern auch Seehofer zurücktreten. Der Minister „deckt einen Geheimdienstchef, der den rechten Mob in Chemnitz verharmlosen wollte“ und beleidige mehr als 19 Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte als „Ursache aller Probleme“.
Er hätte sich angesichts der Ereignisse in Chemnitz einen Innenminister gewünscht, der die Stadt „besucht hätte, um ein starkes Zeichen gegen Gewalt und gegen Fremdenhass zu setzen“, sagte Perli.
Grüne: Vertrauen in Verfassungsschutz erschüttert
Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, selbstverständlich müssten so „entsetzliche Straftaten“ wie in Chemnitz und Köthen unnachgiebig verfolgt und scharf bestraft werden. Es müsse aber auch denjenigen mit allen Mitteln des Rechtsstaats entgegengetreten werden, die „solche Straftaten nutzen wollen, um verständliche und legitime Trauer für Volksverhetzung zu missbrauchen“.
Mit Blick auf Maaßen betonte Notz, dass das Vertrauen in den Verfassungsschutz „massiv erschüttert“ sei und dort ein personeller und struktureller Neuanfang gebraucht werde.
CDU/CSU: Keinerlei Nachsicht mit Ausländerhass
Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) attestierte Seehofer, die Ereignisse in Chemnitz sorgfältig analysiert und dann angemessen bewertet zu haben. Er habe „die rechtsextremen Ausfälle scharf verurteilt, aber genauso auch an die ursprüngliche Tat, an den Toten erinnert“ und seiner gedacht. Mit Ausländerhass habe die Union keinerlei Nachsicht.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel habe am Vortag deutlich gemacht, dass Hetze oder Hetzjagd auf andere Menschen „in diesem Rechtsstaat keinen Platz“ hätten.
„Gewaltiger Haushalt“
Seehofer sprach mit Blick auf den geplanten Etat 2019 des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat von einem „gewaltigen Haushalt“. Nach dem Etatentwurf der Bundesregierung soll sein Haushalt im kommenden Jahr ein Ausgabenvolumen in Höhe von 15,06 Milliarden Euro haben und damit fast 930 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr.
Dabei sollen 2019 allein auf die Personalausgaben rund 4,8 Milliarden Euro entfallen, während die Gesamteinnahmen im Einzelplan 06 für das kommende Jahr auf knapp 1,3 Milliarden Euro beziffert werden. Die beiden größten Ausgabenposten im Etatentwurf 2019 sind der Bereich der Inneren Sicherheit mit rund 5,8 Milliarden Euro und der Baubereich mit rund 4,5 Milliarden Euro.
Migration und Integration
Für Integration und Migration, Minderheiten und Vertriebene sieht die Regierung Ausgaben von einer Milliarde Euro vor (2018: 1,07 Milliarden Euro). Davon sind 875,78 Millionen Euro (2018: 990,49 Millionen Euro) für den Bereich Integration und Migration vorgesehen, unter anderem allein 667,73 Millionen Euro für Integrationskurse (2018: 765,08 Millionen Euro).
52,2 Millionen Euro (2018: 52,04 Millionen Euro) sieht der Entwurf für die Migrationsberatung erwachsener Zuwanderer vor.
Netzpolitik und moderne Verwaltung
Für Informationstechnik (IT), Netzpolitik, Digitalfunk und die Modernisierung der Verwaltung sind 780,22 Millionen Euro eingestellt (2018: 649,07 Millionen Euro). Davon entfallen auf den Digitalfunk 398,63 Millionen Euro (2018: 258,03 Millionen Euro), auf die Umsetzung der IT-Konsolidierung des Bundes 151,43 Millionen Euro (2018: 184,1 Millionen Euro), auf IT und Netzpolitik 24,04 Millionen Euro (2018: 107,42 Millionen Euro) und auf die Modernisierung der Verwaltung 97,02 Millionen Euro (2018: 52,21 Millionen Euro).
Für den Sport sieht der Etatentwurf Ausgaben von 195,12 Millionen Euro (2018: 188,07 Millionen Euro) vor.
Wohnungswesen und Städtebau
Der Bereich „Wohnungswesen und Städtebau“ umfasst Ausgaben von 4,15 Milliarden Euro (2018: 3,86 Milliarden Euro), von denen 3,41 Milliarden (2018: 3,09 Milliarden Euro) investiert werden sollen. Die Ausgaben für Wohngeld belaufen sich dabei auf 540 Millionen Euro (2018: 540 Millionen Euro). Für das Baukindergeld sind 570 Millionen Euro vorgesehen. 1,52 Milliarden Euro gehen als Kompensationszahlungen wegen der Beendigung der Finanzhilfen des Bundes zur sozialen Wohnraumförderung an die Länder (2018: 1,52 Milliarden Euro).
Für die Städtebauförderung plant die Regierung 899,75 Millionen Euro ein (2018: 808,75 Millionen Euro) und für „Zukunftsinvestitionen“ 67,3 Millionen Euro (2018: 141,6 Millionen Euro). (sto/hau/13.09.2018)