Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen sind mit ihren Initiativen für ein generelles Rüstungsexportverbot beziehungsweise für eine restriktivere Rüstungsexportpolitik gescheitert. Zwei entsprechende Anträge fanden am Freitag, 9. November 2018, im Plenum keine Mehrheit (19/1339, 19/1849). Das gilt auch für zwei weitere Anträge, in denen sich beide gegen die Waffenlieferung auf die arabische Halbinsel beziehungsweise an die im Jemen Krieg führenden Länder wandten (19/833, 19/834). Dazu lagen Beschlussempfehlungen des Auswärtigen Ausschusses (19/1744, 19/1745) und des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (19/5582) vor.
SPD: Eine der größten Katstrophen unserer Zeit
Dr. Daniela de Ridder (SPD) betonte, dass seit der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul keine Rüstungsgüter mehr nach Saudi-Arabien ausgeführt würden. Es würden keine Genehmigungen mehr erteilt, geplante Lieferungen seien gestoppt worden.
Den Krieg im Jemen nannte de Ridder „eine der größten Katstrophen unserer Zeit“. Es deute sich derzeit allerdings an, dass es zu Verhandlungen kommen könnte, bei denen Deutschland eine Vermittlerrolle einnehmen könne. Hier gelte der Satz des früheren SPD-Kanzlers Helmut Schmidt: „Lieber Hundert Stunden umsonst verhandeln als eine Minute schießen.“
AfD: Exportverbote treiben Kosten hoch
Prof. Dr. Lothar Maier (AfD) argumentierte, dass Exportverbote Produktionskapazitäten der Rüstungsindustrie verkleinern und die Stückkosten in die Höhe treiben würden. Damit würden am Ende die Ausstattungskosten der eigenen Streitkräfte ebenfalls steigen: „Sie können sich ja schon mal überlegen, welche Sozialleistungen Sie dafür streichen wollen.“
Bei den Stellvertreterkriegen auf der arabischen Halbinsel seien die Konfliktmächte zudem jederzeit in der Lage, sich mit Waffen auszustatten, „egal was Deutschland macht“.
CDU/CSU: Bundessicherheitsrat wägt sorgfältig ab
Bernhard Loos (CDU/CSU) lehnte ein generelles Verbot von Rüstungsexporten unter Verweis auf die bestehenden Regelungen ab: Ausfuhrgenehmigungen würden vom Bundessicherheitsrat jeweils im Einzelfall sorgfältig abgewogen auch unter Beachtung außen- und menschenrechtspolitischer Aspekte.
Den Grünen warf Loos vor, in ihrer Regierungszeit zwischen 1998 und 2005 selbst kein Rüstungsexportgesetz auf den Weg gebracht zu haben. „Sie kommen immer so moralisierend daher, handeln dann aber selbst ganz anders“ – und das sei scheinheilig.
FDP ist für europäisierte Rüstungskontrolle
Renata Alt (FDP) warb für eine „europäisierte Rüstungskontrolle“. Angesichts komplexer grenzüberscheitender Rüstungsprojekte wie etwa bei Airbus sei ein nationaler Alleingang der falsche Weg.
Alt warf der Bundesregierung im Falle Saudi-Arabiens vor, unverblümt das eigene Wort zu brechen und entgegen einer im Koalitionsvertrag enthaltenen Vereinbarung Rüstungsexporte in dreistelliger Millionenhöhe genehmigt zu haben. Dass die Regierung erst seit der Ermordung Khashoggis ihr Wort halte, sei „beschämend“.
Linke: Bundesregierung ist mitverantwortlich
Sevim Dagdelen (Die Linke) machte die Bundesregierung mit „ihren skrupellosen Waffenlieferungen“ an die Krieg führende Allianz mitverantwortlich für das Leid im Jemen. Ohne westliche Unterstützung und Waffen könnte die saudische „Kopf-ab-Diktatur“ diesen Krieg nicht führen.
Statt Riad Grenzen zu ziehen, rolle Außenminister Heiko Maas (SPD) noch den roten Teppich aus und attestiere Saudi-Arabien eine „wichtige Rolle für Stabilität und Frieden in der Region und in der Welt“. Wer so spreche, der habe kein Herz und auch keinen Verstand, sagte Dagdelen.
Grüne: Schlupflöcher sind zu groß
Auch Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) ging mit der Genehmigungspraxis der Bundesregierung hart ins Gericht: Union und SPD hätten zwar einen Waffenexportstopp nach Saudi-Arabien vereinbart, aber die Schlupflöcher waren am Ende doch so groß, dass „acht Patrouillenboote durchfahren konnten“, die dazu beitragen würden, die Seeblockade im Jemenkrieg aufrechtzuerhalten.
Gerade der Umgang mit Saudi-Arabien zeige, dass Union und SPD „in außenpolitischen Fragen eben keine Haltung und keinen Kompass“ hätten.
Antrag der Grünen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen drang mit Blick auf den Krieg im Jemen auf einen sofortigen Rüstungsexportstopp. Die Bundesregierung sei in der Pflicht, „jegliche Rüstungsexporte an die am Jemenkrieg beteiligten Staaten sofort zu stoppen, keine neuen Genehmigungen an diese Staaten zu erteilen und erfolgte Genehmigungen zu widerrufen“, heißt es in einem Antrag (19/834). Nur die Grünen und Die Linke stimmten für diesen Antrag, die Koalitionsfraktionen und die FDP lehnten ihn ab, die AfD enthielt sich.
Die Bundesregierung sollte zudem „gemeinsam mit dem neuen VN-Sondergesandten die Initiative für neue Friedensgespräche übernehmen, deren erstes Ziel ein schnellstmöglicher Waffenstillstand und die Gewährung humanitären Zugangs sein muss“ und sie sollte sich in diesem Zusammenhang auch „gegenüber der US-amerikanischen und britischen Regierungen für ein Ende der militärischen Unterstützung der arabischen Koalition einsetzen“.
„Angriffe gegen zivile Infrastruktur“
Das Ausmaß von Leid und Zerstörung im Jemen sei in erster Linie durch die äußere Intervention in einen ursprünglich lokalen Konflikt verursacht worden – vor allem durch die Bombenangriffe einer Staatenkoalition unter Führung Saudi-Arabiens, auf der anderen Seite aber auch durch den Iran und seine Unterstützung der Houthi-Milizen.
Die Angriffe der arabischen Koalition richteten sich oft gezielt gegen zivile Infrastruktur wie Schulen und Krankenhäuser, zuletzt eine Einrichtung der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. „Sie finden mit Unterstützung der USA und Großbritanniens statt und durch Waffen aus europäischer Herstellung. Fast alle Mitglieder der Staatenkoalition sind Empfänger von direkten oder indirekten Waffenlieferungen aus Deutschland“, schreiben die Abgeordneten.
Grüne wollen Exporte per Gesetz kontrollieren
Rüstungsexporte sollten nach dem Willen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen per Gesetz strenger kontrolliert werden. In einem Antrag (19/1849) forderten die Abgeordneten die Bundesregierung zu einem umfassenden Rüstungsexportkontrollgesetz auf. Die Linke enthielt sich bei der Abstimmung, alle anderen Fraktionen lehnten den Grünen-Antrag ab.
Darin sollte verankert werden, wonach die Bundesregierung Entscheidungen über Exporte ausrichtet; es gehe auch um das Stopfen von Schlupflöchern, durch die Konzerne Exportverbote umgehen könnten, sowie um das Festhalten von Straftatbeständen. Die Bundesregierung exportiere weiterhin Rüstungsgüter in Kriegs- und Krisenregionen, was nicht vom Willen hin zu einer restriktiven Rüstungsexportpraxis zeuge, begründen die Abgeordneten ihren Vorstoß.
Linke fordert Exportverbot
Die Fraktion Die Linke forderte ein Exportverbot für Rüstungsgüter. In ihrem Antrag (19/1339) verlangten die Abgeordneten von der Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf, in dem auch ein Widerruf bereits erteilter Exportgenehmigungen vorgesehen sein sollte. Alle anderen Fraktionen lehnten diesen Antrag der Linken ab.
Während der vergangenen Legislaturperiode seien so viele Rüstungsgüter wie nie zuvor exportiert worden – allen voran in Länder, die direkt in regionale Kriege und Krisen involviert seien, begründete Die Linke ihren Antrag.
Linke gegen Aufrüstung der arabischen Halbinsel
In einem weiteren Antrag (19/833) trat Die Linke gegen den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus Deutschland an die Länder der arabischen Halbinsel ein. Diese Länder seien direkt oder indirekt am Krieg im Jemen beteiligt, heißt es darin. Die Aufrüstung würde eine friedliche Lösung des Konflikts behindern, der weitreichende humanitäre Folgen für die lokale Bevölkerung im Jemen habe.
Daher sollten weitere Ausfuhren nicht genehmigt werden, bereits erteilte Genehmigungen will die Fraktion widerrufen lassen. Zugleich sollte die Regierung die humanitäre Hilfe im Jemen massiv aufstocken und sich für die Aufhebung der Blockade der jemenitischen Häfen einsetzen, schrieben die Abgeordneten. Die Grünen unterstützten diesen Antrag der Linken, wurden aber von den Koalitionsfraktionen und der FDP überstimmt, während sich die AfD enthielt.(ahe/vom/09.11.2018)