Pkw-Maut zwischen Koalition und Opposition heftig umstritten
Über die Pkw-Maut hat der Bundestag am Freitag, 10. März 2017, beraten. Den Abgeordneten lagen dazu zwei Gesetzentwürfe der Bundesregierung und ein Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke vor. Der Regierungsentwurf für ein erstes Gesetz zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes (18/11237) und der Gesetzentwurf der Linksfraktion „zur Aufhebung des Infrastrukturabgabengesetzes“ (18/11012) wurden nach einstündiger erster Lesung zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur überwiesen. An den federführenden Finanzausschuss überwies der Bundestag den Entwurf der Bundesregierung für das Gesetz „zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetzes“ (18/11235).
Von der Steuerfinanzierung zur Nutzerfinanzierung
Während der Debatte wurde deutlich, dass die Einführung der Pkw-Maut in Deutschland nach wie vor heftig umstritten ist. Sowohl die Linksfraktion als auch Bündnis 90/Die Grünen lehnen das Vorhaben strikt ab, weil die geplante Maut ausländerdiskriminierend und damit europarechtswidrig sei. Die SPD-Fraktion steht der Maut ebenfalls skeptisch gegenüber, kündigte aber an, das Vorhaben zu unterstützen, da es im Koalitionsvertrag enthalten sei. Gleichzeitig forderten Redner der SPD-Fraktion ein deutliches Wort von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), welche Einnahmen durch die Maut tatsächlich zu erwarten seien.
Aus Sicht der Unionsfraktion ist die Frage der Europarechtskonformität durch den zwischen EU-Kommission und Bundesregierung Ende 2016 gefundenen Kompromiss geklärt. Durch die nun vorgelegten Änderungen liege ein ausgewogener Gesetzentwurf vor, hieß es. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht mit der Infrastrukturabgabe den „notwendigen Wechsel von der Steuerfinanzierung zur Nutzerfinanzierung“ erreicht. Zudem entfalte die Maut durch die Steuererleichterungen für besonders schadstoffarme Autos eine ökologische Lenkungswirkung.
Minister: Wenig Verständnis für österreichische Mautmaulerei
Sämtliche Einnahmen durch die Pkw-Maut gingen in den Neubau und Unterhalt der Verkehrsinfrastruktur, sagte der Verkehrsminister zu Beginn der Debatte. „Mobilität finanziert Infrastruktur ist dabei der Grundgedanke“, sagte er. Dabei gebe es keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer, betonte er. „Zum ersten Mal beteiligen sich alle, die unsere Straßen nutzen, auch an deren Finanzierung“, fügte er hinzu. Damit schaffe man „Gerechtigkeit auf unseren Straßen“, sagte der Minister.
Wenig Verständnis habe er für die „Mautmaulerei unserer österreichischen Freunde“, so Dobrindt weiter. Es sei kein europäischer Gedanke, wenn Österreich die Ansicht vertrete, alle, die in das Land hineinfahren, sollten die dortigen Straßen durch die Maut mitfinanzieren, „aber Österreicher sollen in Deutschland unter keinen Umständen mitfinanzieren“. Kritik übte Dobrindt auch an den Grünen. Deren Mautideen führten zu einer deutlichen Mehrbelastung der deutschen Autofahrer. Insofern gehe es bei der Bundestagswahl im September auch um eine Richtungsentscheidung, sagte der CSU-Politiker: „Freiheit, Gerechtigkeit und Mobilität mit uns oder Belastungen, Verbote und Stillstand mit den Grünen.“
Linke: Dobrindts Berechnungen auf tönernen Füßen
Auch nach den vorliegenden Änderungsvorschlägen müssten nur Ausländer die Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen bezahlen, sagte Herbert Behrens (Die Linke). Insofern könne die Maut nicht europarechtskonform sein, befand er. Unklar sei auch die Einnahmesituation. Experten hätten mehrfach nachgewiesen, dass die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ausgewiesenen Mehreinnahmen von jährlich 500 Millionen Euro nicht erreichbar seien. „Die Berechnungen von Minister Dobrindt stehen auf tönernen Füßen“, sagte Behrens.
Abgesehen davon habe sich die Maut zu einem ernsthaften Problem in Europa entwickelt. So habe sich die österreichische Regierung zu einem sogenannten Beschäftigungsbonus entschlossen, der die Einstellung von Inländern finanziell fördern soll. Möglicherweise würden andere Regierungen da nachziehen, warnte er. Aus Sicht des Abgeordneten der Linken ist die Maut daher „eine Steilvorlage für Rechtspopulisten in ganz Europa“. Man könne aber Rechtspopulisten und Nationalisten nicht dadurch den Wind aus den Segeln nehmen, indem man ihre Forderungen und Programme umsetzt.
SPD sieht Klärungsbedarf bei den Einnahmen
„Mit der Einnahmeseite steht und fällt das Gesetz“, sagte Andreas Schwarz (SPD). Seine Fraktion sehe hier Klärungsbedarf. Die Zweifel an dem vom Verkehrsministerium ausgerechneten Plus seien angebracht, befand Schwarz und forderte ein klares Wort von Finanzminister Schäuble zu den Einnahmen. Seine Fraktionskollegin Kirsten Lühmann verwies auf den Koalitionsvertrag, den es umzusetzen gelte. „Die Maut ist eine Herzensangelegenheit der CSU, wie der Mindestlohn eine Herzensangelegenheit der SPD ist“, sagte sie.
Lühmann stellte fest, dass derzeit viele Gutachten zur Einnahmesituation existierten. „Jeder macht sich das Gutachten zu eigen, das zu seiner Ideologie passt“, sagte sie. Wer aber wirklich recht hat, könne hier und heute nicht gesagt werden. Daher müsse der Bundesfinanzminister deutlich machen, welche der Gutachten plausibel seien, forderte Lühmann.
Grüne: CSU-Bierzeltparole in ein Gesetz gegossen
Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) warf Verkehrsminister Dobrindt vor, bei der Vorlage des Gesetzentwurfs für ein Infrastrukturabgabengesetz im Jahr 2015 das Parlament belogen zu haben, als er erklärt habe, das Gesetz sei europarechtskonform. Statt heute nun angesichts dessen mit einer gewissen Demut aufzutreten, beschimpfe Dobrindt lediglich Nachbarstaaten, kritisierte der Grünen-Abgeordnete.
Das Gesetz bringe nichts ein, habe keine ökologische Lenkungswirkung und sei noch immer europarechtswidrig, befand Krischer. Die Pkw-Maut sei eine „in ein Gesetz gegossene Bierzeltparole der CSU“. An die SPD gewandt sagte Krischer, Kompromisse im Koalitionsvertrag zu schließen bedeute nicht, „dass man Irrsinn beschließen muss“. Sein Vorschlag an die Sozialdemokraten lautete: „Lassen Sie das Maut-Gesetz versauern, wenn Sie schon nicht dagegen stimmen wollen.“
CDU/CSU: Kritik aus Österreich „sehr ärgerlich“
Von einer „CSU-Maut“ zu reden sei falsch, sagte Steffen Bilger (CDU/CSU). Die Maut sei im Koalitionsvertrag vereinbart und eben nicht nur ein bayerisches Projekt, betonte der CDU-Abgeordnete. Den geänderten Gesetzentwurf nannte er ausgewogen. Was die Frage der Europarechtskonformität angeht und Gutachten, die diese infrage stellten, verwies Bilger auf die Bewertung seitens der EU-Kommission. Diese könne die Frage sicherlich am besten beurteilen. Die Kritik aus Österreich nannte der Unionsabgeordnete „sehr ärgerlich“. Man wolle in Deutschland nur das tun, was Österreich mit der Maut schon seit 20 Jahren praktiziere. Das sei auch eine Frage der Gerechtigkeit.
Auf die Forderung nach einer Stellungnahme des Bundesfinanzministers zu den erwarteten Einnahmen ging Ulrich Lange (CDU/CSU) ein. Das Bundesministerium der Finanzen habe in einer Stellungnahme mitgeteilt, dass es keine Veranlassung habe, die Annahmen der Experten des Verkehrsministeriums zu bezweifeln. „Tun Sie also nicht so, als liege das nicht auf dem Tisch“, sagte der CSU-Abgeordnete..
Geringere Preise für Kurzzeitvignetten
Mit der Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes im Hinblick auf die Preise für die Kurzzeitvignetten will die Bundesregierung die mit der EU-Kommission Ende 2016 erzielte Einigung gesetzlich fixieren.
Laut der Vorlage sollen Zehntagesvignetten nun abhängig von Motorleistung und Schadstoffausstoß 2,50 Euro, vier Euro, acht Euro, 14 Euro oder 20 Euro kosten. Der günstigste Fall sah nach dem geltenden, derzeit aber nicht angewendeten, Infrastrukturabgabengesetz fünf Euro vor. Eine Zweimonatsmaut soll zwischen sieben Euro und 40 Euro kosten. Hier sieht der günstigste Fall bislang 16 Euro vor.
Mit Steuerentlastungen ökologische Anreize verstärken
Die Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes hinsichtlich der Höhe der Steuerentlastungsbeträge für deutsche Autofahrer ist nach Aussage der Bundesregierung nötig geworden, da „nach Auffassung der Europäischen Kommission im Detail nicht alle Maßnahmen zur Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe sowie zur Vermeidung der Doppelbelastung im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union stehen“.
Mit einer Anpassung der Regelungen solle den Bedenken der EU-Kommission Rechnung getragen werden. Künftig solle daher mit höheren Steuerentlastungsbeträgen für Personenkraftwagen der Euro-6-Emissionsklasse der ökologische Anreiz verstärkt werden, schreibt die Regierung.
Linke lehnt Pkw-Maut ab
Gegen die Erhebung der Pkw-Maut wendet sich die Linksfraktion mit ihrem Infrastrukturabgabenaufhebungsgesetz. Aus Sicht der Abgeordneten würde eine Beibehaltung der gesetzlichen Regelungen zur Pkw-Maut den bereits angerichteten außenpolitischen Schaden für Deutschland weiter vergrößern.
Eine mit Brüssel abgestimmte praktische Einführung einer EU-rechtswidrigen Maut würde darüber hinaus einen fatalen Präzedenzfall darstellen, der die Durchsetzung der primärrechtlichen Grundlagen der Europäischen Union in Frage stelle, heißt es zur Begründung. (hau/10.03.2017)