Uneinig über den richtigen Weg im Klimaschutz
Opposition und Koalition sind sich erwartungsgemäß uneinig, ob die Bundesrepublik beim Klimaschutz auf dem richtigen Weg ist oder nicht. Bei der Debatte am Donnerstag, 23. Juni 2016, warfen Redner der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen Koalition und Bundesregierung vor, zwar große Politik anzukündigen, aber nicht zu handeln und teilweise das Gegenteil umzusetzen. Vertreter der Koalition wiederum verwiesen auf angeschobene Maßnahmen und den angekündigten Klimaschutzplan 2050, um die gesteckten Klimaschutzziele zu erreichen.
Anlass der Debatte waren ein Gesetzentwurf und mehrere Anträge der Grünen. Der Entwurf für ein Klimaschutzgesetz (18/1612, 18/8770) sowie ein Antrag für ein Rahmenprogramm für Klima- und Klimafolgenforschung (18/7048, 18/8873) scheiterten an der Koalitionsmehrheit. Die übrigen Anträge zum Klimaschutzplan 2050 (18/8876), dem Pariser Klimaabkommen (18/8080), der Verkehrspolitik (18/7787) und der ökologischen Transformation der Wirtschaft (18/8877) wurden an die Ausschüsse überwiesen.
Grüne: Regierung noch nicht in der Realität angekommen
Dr. Anton Hofreiter, Grünen-Fraktionsvorsitzender, kritisierte, dass die Bundesregierung immer noch nicht in der Realität angekommen sei. Statt im Sinne des Klimaabkommens von Paris zu handeln, versumpfe der Klimaschutz im Ressortdenken der Bundesregierung. Zwar schreibe die Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD) „schöne Pläne“, diese würden aber von den Ressorts Verkehr, Wirtschaft und Landwirtschaft hintertrieben, meinte Hofreiter.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warf er vor, sich als „Schutzpatron der Kohle“, insbesondere der besonders schädlichen Braunkohle, aufzuspielen und die erneuerbaren Energien auszubremsen. Im Landwirtschaftsministerium werde zudem in Hinblick auf Klimaschutz geleugnet, dass es überhaupt ein Problem gebe. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) helfe der Autoindustrie zudem dabei, den Dieselskandal zu vertuschen. Hofreiter forderte die Bundesregierung – mit Verweis auf die Anträge seiner Fraktion – unter anderem dazu auf, eine moderne Mobilitäts- und Landwirtschaftspolitik anzuschieben. „Packen Sie das endlich an“, sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende.
Linke: Große Wirtschaft muss ihren Beitrag leisten
Eva Bulling-Schröter, klimapolitische Sprecherin der Linken, fand lobende Worte für den vom Umweltministerium angekündigten Klimaschutzplan 2050. Die Grundlinien stimmten, sagte die Abgeordnete. Für den auch durch die Pariser Beschlüsse bestärkten Umbau der Gesellschaft brauche es ein starkes Konzept. Auch den Grünen-Anträgen stimme sie in weiten Teilen zu.
Bulling-Schröter kritisierte aber insbesondere den Wirtschaftsrat der Union, der sich gegen den Klimaschutzplan positioniere. Dessen Vorwurf, die Wirtschaft sei bei der Ausarbeitung nicht beteiligt worden, sei falsch. Es gehe aber sowieso nicht um Beteiligung, sondern dahinter stünden jene, die den „Schuss von Paris“ nicht gehört hätten, die „großen Bosse“, die nicht an eine Welt ohne Kohle glaubten, sagte Bulling-Schröter. Auch die „große Wirtschaft“ müsse ihren Beitrag leisten.
Bulling-Schröter verwies dazu auf Aussagen aus dem „Umweltgutachten 2016“ des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung, nach denen viele Betriebe auch höhere Energiekosten vertragen könnten. „Da ist noch viel Luft drin für den Klimaschutz“, sagte die klimapolitische Sprecherin.
Ministerin: Verkehrssektor treibhausgasneutral aufstellen
Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks sagte, dass die Arbeiten am Klimaschutzplan 2050 abgeschlossenen seien. Die Vorlage gehe nun in die Ressortabstimmung. Der Plan solle einen Pfad von 2020 bis 2050 beschreiben und sei notwendig für eine langfristige Orientierung und Planungssicherheit für Wirtschaft, Beschäftigte und Verbraucher. Es seien neben 2020 und 2050 auch Zwischenziele für 2030 nötig, gerade auch in den Bereichen Landwirtschaft und Verkehr, die sich beim Klimaschutz noch steigern müssten.
Der Verkehrssektor müsse bis 2050 nahezu treibhausgasneutral aufgestellt werden, forderte Hendricks. In der Landwirtschaft müsse bis 2050 eine Halbierung der Emissionen angestrebt werden. Das sei „anspruchsvoll, aber machbar“. Dazu gehöre, den Stickstoffüberschuss in den Griff zu bekommen. Es müsse aber auch über einen Abbau von Tierbeständen und den Fleischkonsum geredet werden. Im Hinblick auf das Klimaabkommen von Paris sagte Hendricks, dass die Ratifizierung auf einem guten Weg sei. Sie hoffe auf eine Ratifizierung vor der Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Marokko, die im November stattfindet.
SPD: Nationale Konsequenzen internationaler Beschlüsse
Frank Schwabe (SPD) betonte, dass sich die Sozialdemokraten auch ein Klimaschutzgesetz hätten vorstellen können. In der Koalition habe man sich aber auf den Plan geeinigt. Am Ende müsse es sich ohnehin um ein Konzept handeln, das die Ziele auch erreicht. Im Lichte der Pariser Beschlüsse, die Temperatursteigerung möglichst unter zwei Grad zu halten, müsse die Zielmarke bis 2050 eine Treibhausgas-Reduktion von 95 Prozent sein.
In den 34 Jahren bis dahin sei noch einiges möglich, auch Technologiesprünge, „die wir uns heute nicht vorstellen können“, sagte Schwabe. Was nicht gehe, sei nach dem „Vogel-Strauß-Prinzip“ zu handeln. Internationale Beschlüsse müssten auch nationale Konsequenzen haben. Der Sozialdemokrat lobte die Umweltministerin zudem dafür, dass sie ein Monitoring für die Klimaziele eingeführt habe. Denn die Überprüfung der Zieleinhaltung sei in der Vergangenheit miserabel gelaufen, sagte Schwabe.
CDU/CSU: Emissionshandel stärken
Andreas Jung (CDU/CSU) verwahrte sich gegen die Kritik der Opposition. Koalition und Bundesregierung müssten nicht durch Anträge der Grünen an die Bedeutung des Klimaschutzes erinnert werden. Vielmehr sei dieser für beide eine prioritäre Aufgabe. Deutschland habe global eine „besondere Verantwortung“, um seinem Anspruch als Vorreiter gerecht zu werden. So müsse die Bundesrepublik zeigen, dass ein ambitionierter Klimaschutz in einem Industrieland und Arbeitsplätze zusammengebracht werden können. Es gelte nun, auf die Pariser Beschlüsse aufzubauen, nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch auf der europäischen.
Die EU sollte ambitionierter vorangehen, da sich im Zuge der Paris Klimakonferenz gezeigt habe, dass es noch eine Lücke zu füllen gibt, um die internationalen Klimaschutzziele zu erreichen. Dazu müsse auch der Emissionshandel gestärkt werden, er sei das „Herzstück“ der europäischen Klimapolitik. Auf nationaler Ebene konterte Jung die Kritik der Opposition unter anderem mit Verweis auf das „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ und den angekündigten Klimaschutzplan. (scr/23.06.2016)